Kennt ihr das auch? Ihr wollt wandern gehen, die Prognosen für das Wetter sind schlecht, ihr steht morgens auf und denkt: Ich bleibe heute im Bett. Ihr steht dann aber trotzdem auf, rasiert den Typen, der so mürrisch in den Spiegel starrt, duscht, zieht euch an, trinkt einen Kaffee, schmiert ein paar Stullen, packt euer Bündel und macht euch auf die Socken hinaus in die weite Welt – und am Ende des Tages sagt ihr euch: Gut, dass ich nicht liegen geblieben bin und einen wertvollen Tag meines kurzen und endlichen Lebens vergeudet habe. So ein Tag war dieser. Die Wanderung vom Streuobstzentrum Tilleda zum Kyffhäuser-Denkmal war seit vielen Jahren (eigentlich zur Kirschblüte) geplant, aber immer wieder verschoben worden.  Müsste ich diese Wanderung in einem Wort zusammenfassen, wäre dies: Bratwurst! Das Wetter war mies, es war neblig-nass, die Wege vom Kyffhäuser-Lauf zermatscht und von keiner Aussicht konnte man etwas sehen. Aber am Denkmal, eine Handvoll Menschen hatte sich trotzdem nach hier oben verirrt, gab es eine leckere Thüringer Rostbratwurst. Vielleicht wegen des miesen Wetters, vielleicht aber auch wegen guter Handwerksarbeit, war und ist es die leckerste Bratwurst meines gar nicht so kurzen Lebens – und trotz der widrigen Umstände oder gerade deswegen ist mir diese Tour positiv im Gedächtnis hängengeblieben.

Rastplatz unter Obstbäumen

Rastplatz unter Obstbäumen

Das Kyffhäuser-Denkmal auf dem Gelände der ehemaligen Reichsburg Kyffhausen ist gut besucht, sehr gut besucht, an “guten” Tagen zu gut für uns. Wenn sich die Menschenmassen aus aller Herren Länder hier oben durchs Gelände wälzen, um ein Foto zu schießen oder eine Bratwurst zu essen, bleiben wir dem “bunten” Treiben, dem Hokuspokus und dem Spektakel fern. An diesem Tag war so etwas nicht zu erwarten, stattdessen kamen nur die “Harten in den Garten”. Parken kann man, wenn ich mich nicht täusche gegen einen kleinen Unkostenbeitrag, sehr gut am Streuobstzentrum am Ortseingang von Tilleda. Wege gibt es einige in Richtung des Kyffhäuserburgberges. Einen brauchen wir, um nach oben zu gelangen, einen, um wieder hinunterzukommen. Auf jeden Fall sollte man durch die vom Streuobstzentrum aus betreuten Streuobstwiesen wandern, vor allem zur Blütezeit. Das Streuobstzentrum hatte die letzten Jahre immer geschlossen, wenn wir da waren. Früher gab es hier Leckereien aus der Region, unter anderem leckeren Kirschkuchen und Kirschwein. Für einen Plausch über Tilleda und die tolle Umgebung waren die Leute auch immer zu haben. Bei leichtem Nieselregen starteten wir und entschieden uns wieder einmal, wie fast immer, für eine Tour im Uhrzeigersinn. Man merke: Nicht alles, was rechtsherum geht, ist gleich ein Nazi!

Alles Pitschepatschenass! Wege, Bäume, Luft, einfach alles. Den ersten blühenden Kirschen gefiel das ebenso wenig wie uns. Meine Beste hatte ein so übles Gemüt – oder konnte ein solches erfolgreich vortäuschen – das ich einfach lachen musste. Wer die leider viel zu früh verstorbene Vera Birkenbihl kannte, weiß, dass Lachen aus Lachen entsteht. Man lacht also, obwohl einem nicht danach zumute ist und irgendwann kann man kaum noch aufhören. Das übel gelaunte Gegenüber wird noch übel gelaunter – und man selbst muss immer mehr lachen. Ein schöner Teufelskreis – für den, der lacht. Zuerst geht es (hoffentlich bei Sonnenschein) durch die (hoffentlich in voller Blüte stehenden) Obstbäume. Wenn ich mich nicht täusche, dominiert, wie auch an anderen Stelle in der Südharzer Gegend, die Kirsche. In den Streuobstwiesen fällt der Blick bereits auf den Kyffhäuserburgberg mit der weit oben liegenden, dreiteiligen, ehemaligen Reichsburg Kyffhausen und dem Kyffhäuser-Denkmal. An einer Kreuzung verlassen wir das Lange Tal und wenden uns dem Gietenkopf zu. Am Mühlenteich überqueren wir dazu den Bach Wolweda. Wie überall in der Südharzer Gegend gibt es auch hier Karsterscheinungen, wie Schwinden, Dolinen oder Erdfälle und auch rund um Tilleda kann man solche mit dem rechten Blick erkennen. Im Bereich der Wolweda soll es in oder bei Tilleda die Schusterhöhle geben. Nähere Recherchen fördern bestimmt Interessantes zutage.

Hermann Hesse - Im Nebel

Hermann Hesse - Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

Eeines meiner Lieblingsgedichte von Hesse, das an diesem Tag so passend war. Gleichzeitig beschreibt es aber auch das Leben des Menschen im Allgemeinen und unter seinesgleichen. Auch hier, in Bezug auf sich selbst, alle anderen und seine ihn umgebende Welt, tappen ALLE Menschen weitestgehend im Dunkeln. Witzigerweise sind viele so dumm zu glauben, sie würden sich und alle anderen genau kennen und die Welt verstehen. Durch den Nebel oder unter strahlendem Sonnenschein geht es hinauf zum Kyffhäuserburgberg, der nicht ahnt und den es wahrscheinlich auch nicht juckt, welchen Namen die kleinen wuseligen Menschen ihm gegeben haben. Auf angenehmen, meist nicht zu breiten, oft sehr schmalen Wegen und Pfaden geht es erst einmal zum angeblich besten Aussichtsplatz auf Denkmal und Burgreste. Was wir sahen, war leider nur eine weiße Wand, aber nach dem recht knackigen Aufstieg bei hoher Luftfeuchtigkeit waren wir froh, erstmal oben zu sein. Auf dem Weg bis zum Denkmal und zur Burg gibt es noch einige Aussichtspunkte und Rastplätze. Vor allem gibt es tolle Wege und Pfade durch einen schönen Wald. Bei unserem Besuch, einen Tag nach dem Kyffhäuser Berglauf, waren viele Wege stark zertrampelt, was aber auch nicht mehr weiter schlimm war. Wasserdichte Schuhe sind Pflicht. Über den Kyffhäuserblick und die Anhöhe Kautsberge geht es angenehm zum Ententeich, an dem man ebenfalls sehr angenehm parken kann. Etwas unangenehm finden wir es allerdings, zuerst bergab und dann zum Auto am Ende wieder bergauf zu gehen. Aber da hat jeder seine eigenen Vorlieben. Vom Teich an der Bundesstraße 85 führt uns nochmal ein richtig schicker Weg zur Anhöhe des Kyffhäuserburgberges.

Unterburg Kyffhausen

Unterburg Kyffhausen

Oben angekommen, stehen jedem Besucher alle Möglichkeiten zur Verfügung, etlichen Gelüsten zu frönen. Die Bratwurst am Imbiss kann ich nur wärmstens empfehlen. Etwas weiter oben befindet sich das Hotel Burghof Kyffhäuser am Großparkplatz und ganz oben in der Burg und am Denkmal gibt es dann auch noch ein Bistro. Zum Denkmal und der Burg gibt es so viele Informationen im Netz, dass ich mir eigene Betrachtungen erspare. Mir ist das alle eh zu sehr touristisch ausgeschlachtet und ich bevorzuge mittlerweile lieber die kleinen und geheimen “Sehenswürdigkeiten”, an denen man auch mal alleine sein kann. Aber wer mag, der kann sich stundenlang an Tilleda mit seiner Königspfalz, dem Kyffhäuser-Denkmal, den Resten der gewaltigen Reichsburg und dem Kaiser “Barbarossa” abarbeiten. Faszinierend ist das Ganze allemal und Teil unserer immer mehr in Vergessenheit geratenden Geschichte. Wir gingen dieses Mal gar nicht hoch zu Denkmal und Oberburg, sondern machten uns mit der warmen Wurst im Bauch gleich wieder an den Abstieg. Von der Mittelburg, auf deren Gelände bis in die Neuzeit Mühlsteine abgebaut wurden, ist nicht mehr viel übrig, dafür bietet die Unterburg den besten Zustand auf dem kompletten Burggelände. Hier kann man noch eine Zeitlang stöbern und sich mit den verschiedenen Bauwerksresten beschäftigen. Dann geht es auf ebenso netten Wegen ebenso “steil” hinab wie es hinauf ging. Ohne großen Schaden kamen wir unten wieder in den Streuobstwiesen an. Hier stehen noch einige Schutzhütten und Rastplätze für eine letzte Pause, bevor wir unseren Ausgangspunkt an der Pfalz Tilleda erreichen.   

Am Ende eines Tages...

Wieder eine kurze Beschreibung einer durchaus genialen Wanderung, die man wenig verkürzen, aber nach Belieben verlängern kann. Tilleda und der Kyffhäuser – dass sind klangvolle Namen und Sehnsuchtsziele nicht nur der wandernden Fraktion. Der kleine Bruder des Harzes hat vieles zu bieten und wir kommen immer wieder gerne hierher. Ich kann nicht in allen Einzelheiten beschreiben warum, aber es zieht mich (uns) immer wieder in diese Gegend im Südharz, ebenso wie in die Gegend zwischen Blankenburg und Quedlinburg im Nordharz. Aber warum sollte man sich auch groß Gedanken darüber machen, warum man was tut. Es ist halt, wie es ist und es kommt wie es kommt…

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