Zehn Jahre ist es her, dass wir die Hanstein von Neuseesen aus erwanderten. Was für eine geile Landschaft. Leider waren damals bereits fast alle Wege verkrautet, vernachlässigt oder verschwunden. Trotzdem blieb mir die Wanderung in guter Erinnerung. Wer zur Hanstein fährt, sollte einfach mal den Weg von Unterrieden über Neuseesen nehmen. Es lohnt sich. Dieses Mal nahmen wir sicherheitshalber den relativ neu ausgewiesenen TOP-Wanderweg, verlängerten ihn aber, weil er uns zu kurz war. Warum der Weg von den Planern abgekürzt wurde, erfuhr ich dann am eigenen Leib. Vom Lindewerrablick geht es 300 Höhenmeter brutal hinab, hinter Lindewerra dann 300 Höhenmeter langgezogen wieder hinauf. So fertig war ich schon lange nicht mehr und an der Teufelskanzel gab es dann auch einen längeren Aufenthalt. Aber von vorne. Die Zeit der Kirschblüte kann man in Niedersachsen im Alten Land verbringen – ziemlich flach und nass. Man kann aber auch nach Stecklenberg an den Nordharzrand, in die westliche oder östliche Rühler Schweiz – oder ins Werratal zwischen Witzenhausen und Eschwege. Wenn man dann noch eine der schönsten Burgruinen Deutschlands zu Gesicht bekommen will, geht es zur Hanstein, für mich anstelle der ebenfalls wunderschönen Stadt Duderstadt des Eichsfelds Kron´ und Zier. Start für diese Wanderung war der nahezu alternativlose Großparkplatz nahe der Burgruine Hanstein.

Aussichtsreicher Pausenplatz

Aussichtsreicher Pausenplatz

Von hier hat man schon einen der besten Blicke auf dieses wunderschöne Ensemble, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Nichts gegen die Burgen am Rhein und an der Mosel – der Hanstein ist und bleibt etwas Besonderes – nicht nur in Norddeutschland. Wir besichtigten die Burg dieses Mal nicht, dafür kommen wir noch einmal extra hierher. Also wandten wir uns vom Parkplatz gleich bergab in Richtung des am Fuß der Burg gelegenen Rimbach. Ein paar schmucke Häuschen, dann sind wir schon an der schönen St.-Marien-Kirche, von der aus sich tolle Blicke zur Burg ergeben. Etwas versteckt verläuft der Pfad unterhalb der Kirche, auf dem wir das herrliche Ensemble von Ort und Burg erst einmal hinter uns lassen. Ein sehr schmaler, sehr geiler Pfad, von dem es niemals genug geben kann. Von einem namenlosen Felsen bietet sich eine eingeschränkte Aussicht. Am Rand von Bornhagen biegen wir nach links ab und gehen auf einem schönen Weg, der ebenfalls eine wunderbare Aussicht bietet, zum Kolonnenweg an der ehemaligen innerdeutschen Grenze und erreichen den Friesenbachweiher. Der hat ein wenig gelitten in den letzten Jahren, aber auch von hier hat man die vorerst letzte Aussicht hinauf zur Hanstein. Wer diese Kolonnenwege schon des Öfteren gegangen ist, der weiß, dass sie teils sehr unterschiedlich sind, aber auch vieles gemeinsam haben. Sie bestehen aus aneinandergereihten Lochplatten und sie sind meist sehr steil. Dazu gibt es in den Löchern oft eine interessante Flora. An einer Stelle wuchs sogar eine Orchideenart, das Große Zweiblatt, in einem der Löcher. So, jetzt geht es dann auch durchaus knackig hinauf zum nicht weit entfernten Lindewerrablick.

Die Burg Hanstein

Die Burg Hanstein

Die Burg Hanstein liegt nahe dem Dreiländereck der heutigen Bundesländer Niedersachsen, Hessen und Thüringen. In der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends siedelten im Norden die echten Sachsen, im Südosten die Thüringer und im Westen die Chatten, bereits im fränkischen Einflussgebiet. Auf einer älteren Befestigung, mindestens aus dem 7./8. Jahrhundert, entstand die heutige Burganlage, erstmals 1070 anlässlich ihrer Zerstörung urkundlich erwähnt. Erbaut und nach der Zerstörung wieder erbaut wurde die Burg von Otto von Northeim, einem Sachsenfürsten, der auch von 1073 bis 1075 maßgeblich am Sachsenaufstand gegen Heinrich IV. beteiligt war. 1144 sterben die Northeimer aus und die Burg gerät in welfischen Besitz. 1209 gelangt sie in den Besitz des Erzbistums Mainz und wird als Lehen an eine 1122 erstmals erwähnte Adelsfamilie abgegeben, die sich nach dem Hanstein benennt. Im Dreißigjährigen Krieg wird die Burg abermals zerstört und seitdem nicht mehr dauerhaft bewohnt. In den folgenden Jahrhunderten gibt es aber immer wieder Familientreffen, der heute noch existierenden Familie von Hanstein. Im 20. Jahrhundert war die gepflegte Ruine ein beliebtes Wanderziel Göttinger Studenten und diente der DDR als Grenzbeobachtungsposten. Heute ist sie ein wundervoll erhaltenes und ständig erweitertes Kulturgut und das Wahrzeichen des Eichsfeldes, einer uralten Kulturlandschaft unserer Heimat.

Ein nettes Plätzchen wurde an der ehemals tödlichen Grenze des Ersten Kalten Krieges errichtet. Mittlerweile inszenieren die USA unter bereitwilliger Teilnahme Täuschlands bereits den Zweiten Kalten Krieg. Ein Aussichtsturm mit herrlichem Blick zur Werraschleife bei Lindewerra, viele Infotafeln zur ehemaligen Grenze, zum Naturschutzgebiet Kelle-Teufelskanzel, in dem wir einen Großteil unserer Wanderung verbringen und vieles mehr. Dazu Bänke und eine Schutzhütte –  was will man mehr. Zur Zeit der Kirschblüte, wir waren dieses Mal perfekt gelandet, ist diese Aussicht über den ehemaligen Todesstreifen grandios. Nach ausgiebigem Genuss geht es dann auf dem Kolonnenweg hinab nach Lindewerra. Wir begegneten hier einer über 80-jährigen Wanderin, die auf einem Fernwanderweg unterwegs war, den sie witzigerweise wo begonnen hatte? Natürlich in Hildesheim. Wir drei stolperten also den wahrlich steilen Weg zur Werra hinab, wo wir uns von der Wanderin verabschiedeten, die hier eine Pause machen musste. Dieser Abstieg war wirklich ein kleiner Knochenbrecher. In Ufernähe der schönen Werra geht es in Richtung Lindewerra, das wir aber nicht ganz erreichen. Lindewerra mit seinem historischen Ortskern und dem Stockmachermuseum lohnt aber auch einen Abstecher oder späteren Besuch. Wir biegen kurz vorm Ort ab und wenden uns zur Lindenhütte in den alten Obsthainen. Ein sehr feiner Pausen- und Rastplatz inmitten alter Kirschbäume. Oberhalb von Lindewerra geht es für uns unterhalb des Waldrandes durch eine freundliche Landschaft mit vielen (hoffentlich) blühenden Kirschbäumen.

Wirtshaus an der Teufelskanzel

Wirtshaus an der Teufelskanzel

Am südlichen Ende des Dorfberges geht es dann in den Wald und es folgt ein toller Weg, der uns allerdings mit stetig spürbarer Steigung zur Teufelskanzel führt. Auf knapp zwei Kilometer überwinden wir fast 300 Höhenmeter. Ein wahrer Lungenprüfer. Es geht dafür aber auch durch einen größtenteils schönen Wald, der von der Trockenheit noch wenig in Mitleidenschaft gezogen ist. Endlich oben angekommen, ich bin etliche Male stehengeblieben, ist eine Rast im super-urigen Wirtshaus Teufelskanzel mit schönem Außenbereich fast Heilige Pflicht. Von der Teufelskanzel selbst, einem sagenumwobenen Felsen, hat man eine weitere Aussicht auf die Werraschleife, diesmal aus einem etwas anderen Blickwinkel. Wir machen uns auf den Rückweg zur Burgruine Hanstein. Es geht teilweise über Stock und Stein und Stock auf traumhaften Pfaden. Am Abzweig zur Junkerkuppe wird der Weg etwas breiter, sodass wir recht entspannt den letzten Kilometer zurücklegen können. Wenn wir aus dem Wald treten, bietet sich noch einmal ein toller Ausblick auf die Burgruine Hanstein. Kurz darauf erreichen wir unseren Ausgangspunkt am Großparkplatz.

Am Ende eines Tages...

Boah! Das Eichsfeld, von uns auch viel zu lange vernachlässigt, hat immer noch echte Knaller-Wanderungen zu bieten, wenngleich man die ein oder andere Durststrecke überwinden muss. Heute waren es keine Durststrecken, sondern unsere freiwilligen Verlängerungen waren halt sehr steil, die eine in die eine und die andere in die andere Richtung. Egal von wo und wie und warum – wer behauptet, er war in Norddeutschland wandern und war nicht am Hanstein wandern, der war nicht in Norddeutschland wandern.

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