Am Vatteroder Stein

Am Vatteroder Stein

Zwei Kurzurlaube am Kyffhäuser und in der Rhön mussten wegen dieser “Sache”, die gerade einen Großteil der Menschen dieses Landes in Atem hält, leider storniert werden. Frei nach dem Motto “Bleibt ihr ruhig schön zu Hause”, ging es also auf Tagestouren ins erreichbare Umfeld und da durften wenigstens zwei nordhessische Premiumwege nicht fehlen. Das Los fiel auf den P9 Wacholderpfad Roßbach und den P16 Asbach-Sickenberg, zwei verdientermaßen hochdekorierte Wege. Wobei man sagen muss, dass der P16 ja eigentlich kein Hesse ist, sondern ein Thüringer. Aber das nehmen wir mal nicht so genau und eigentlich ist es ja auch egal. Dass wir den P16 seit dreizehn Jahren nicht mehr besucht hatten, war uns während der Wanderung gar nicht bewusst und hat uns danach erst einmal sehr erstaunt. Es war aber schon auffällig, dass wir uns an kaum etwas anderes erinnern konnten als an die unvergesslichen Aussichten, besonders die von der Nase. Die nehmen wir auch als kleinen, sehr lohnenswerten Abstecher vom P16 mit. Wie immer sind die nordhessischen Premiumwege bestens ausgeschildert und meistens mit netten Pausenplätzen und etlichen Infotafeln versehen. In diesem Fall auch und die in den Fotos als “beste aller Schutzhütten” ausgezeichnete Butze ist wohl eher ein Relikt aus alten Zeiten. Aber witzig und wenn es mal regnen sollte auch durchaus zu gebrauchen. Der Einstieg am Lindenberg erfolgte gleich auf einem Knüppelpfad am Berghang und auch die Flora offenbarte nach ein paar Schritten erste Erlebnisse. Der Wald war proppenvoll mit Weißem Waldvöglein und auch ein paar letzte Purpur-Knabenkräuter waren zu entdecken.

Auf der weiteren Strecke gibt es natürlich noch jede Menge mehr zu entdecken, wie zum Beispiel mehrere Weißwurz-Arten, die Vogel-Nestwurz, das Große Zweiblatt, Stendelwurzen oder die Berg-Flockenblume. Nie in Massenbeständen, aber nahezu über den gesamten Weg verteilt, stehen immer wieder Türkenbundlilien im Wald. Insgesamt müssten es Tausende gewesen sein und die Hauptblüte dürfte dieses Jahr etwa in die Mitte des Juni fallen. Da bietet sich noch eine Gelegenheit. Durch den Wald am Lindenberg erreichen wir also auf freundlichem Weg Sickenberg, das zu den fünf einstmals hessischen Dörfern zählt, die im Wanfrieder Abkommen von 1945 der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagen wurden. Informationen zu diesem Abkommen und natürlich zu vielen anderen Aspekten der ehemaligen Teilung Deutschlands bekommt man im nahegelegenen Grenzmuseum Schifflersgrund. Das Hofcafé Hof Sickenberg mit angeschlossener Pension ist nur wenige Meter vom Wanderweg entfernt. Hinter Sickenberg geht es auf der anderen Seite des Lindenberges weiter und dann hinauf zum Klippenzug oberhalb von Dietzenrode. Das ist ein Aufstieg, der es in vielerlei Hinsicht in sich hat. Der Premiumweg muss hier vor einigen Jahren wohl verlegt worden sein, denn in älteren Wegbeschreibungen findet man noch die alte Routenführung direkt am Klippenrand. Normalerweise sind wir da auch keine Kinder von Traurigkeit, in diesem Fall haben wir uns darauf verlassen, dass die Wegbetreiber den Weg verlegt haben, weil er zu gefährlich geworden ist oder weil es um den Schutz von Flora und/oder Fauna geht. Im weitestgehend von der Rotbuche dominierten Wald finden sich hier jetzt auch immer wieder die sich deutlich dunkel abzeichnenden, teilweise alten Eiben in großer Zahl.

Letzter Blick zur Nase

Letzter Blick zur Nase

Zum Abschluss des Aufstiegs erwartet uns eine steile Treppe. Bevor es zum Dietzenröder Stein geht, sollte man sich ruhig den Abstecher zur Nase gönnen, denn die stellt einen Höhepunkt des Tages dar. Der Weg dorthin ist schon ein sehr schöner, die Aussicht von der nicht gefährlichen Klippe ist zwar nicht gewaltig in ihrem Ausmaß, aber in ihrer Art. Da steht man auf einmal wie am Rand der Welt und äußerste Vorsicht ist ratsam. Bei unserem Besuch zeigte sich kurz ein Schwalbenschwanz beim Hilltopping, der Gipfelbalz des wunderschönen Schmetterlings. Zurück geht es auf demselben Weg, dann auf schmalem Pfad zum Dietzenröder Stein, von dem aus man eine wunderbar weite und breite Aussicht hat. Hinter dem Stein verlässt der Weg wieder die Felskante und erreicht sie erst am Vatteröder Stein, von dem aus man einen von Bäumen eingerahmten Ausblick nach Vatterode und darüber hinaus genießen kann. Das ist schon die Hessische beziehungsweise Thüringische Schweiz vom Feinsten. Auf zumeist freundlichen Waldwegen, ausnahmsweise ohne Aussichten, dafür auch ohne große Mühsal, geht es weiter zum Gleichenberg oberhalb von Weidenbach, das ebenfalls zu den 1945 “getauschten”, ehemals hessischen Orten zählt. Kurz sehr breit, dann wieder sehr schmal, steigen wir zu den Höhen hinauf, die dem Wandertag einen weiteren Aspekt hinzufügen. Hier findet man wieder in großer Zahl ohne Mühe die Türkenbundlilie am Wegesrand, aber auch zum Beispiel die Quirlblättrige Weißwurz, die Berg-Flockenblume und das Wald-Habichtskraut in Massenbeständen an den steilen Hängen. Kurz vor dem Gipfel des Rachelberges erwartet uns dann noch eine tolle eingerahmte Aussicht über die umliegenden Berge und Täler und Wälder.

Der Abstieg vom Rachelsberg ist steil, sehr steil, aber bei trockenem Weg nicht allzu schwierig. An der Bank mit der Infotafel unterhielten wir uns kurz mit einem netten Pärchen, das den Weg auf Ratschlag ihrer Kinder in der Gegenrichtung absolvierte. Im Nachhinein bin ich trotz des harten Abstiegs vom Rachelsberg froh, dass wir ihn andersrum gingen. Denn der nun folgende Weg zur Burgruine Altenstein ist breit und zieht sich sehr in die Länge. An einer Waldwiese entlang kann man den kurzen Abstecher zu den Überresten der Burg machen, die etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut wurde. Nach wechselvoller Geschichte diente die Anlage zuerst als Amtssitz, wurde später zum Vorwerk und schließlich zum Forsthaus umgebaut. Zuletzt diente sie als Kinderferienlager und wurde 1973 schließlich im Rahmen der Grenzsicherungsmaßnahmen an der innerdeutschen Grenze gesprengt. Ein Grabenweg führt um die noch in ausreichendem Maß erhaltenen Reste der Anlage. Ein paar Meter gehen wir zurück, dann am Rand der Wiese bergab und auf freundlichen Waldpfaden und Wegen auf den letzten Abschnitt des Tages. Wir überqueren den Kolonnenweg der ehemaligen Grenze, gehen noch ein Stück durch den Wald und erreichen schließlich einen Rastplatz an selbigem Kolonnenweg, der noch eine schöne Aussicht zu den Höhen gewährt, die wir heute erklommen und erwandert haben. Deutlich ragt die Nase aus dem Wald hervor. Ein Stück auf dem Kolonnenweg, dann nehmen wir einen toll angelegten Pfad durch das Heutal, durch das wir wunderbar und wanderbar nach Asbach geführt werden. Der kleine beschauliche Ort Asbach kann noch erkundet werden, die “Asbach-Uralt-Schmiede” lädt zum Beispiel zur Einkehr ein, ansonsten geht es eine kurze Strecke durch den Ort hindurch und dann die letzten Meter hinauf zu unserem Ausgangspunkt.

Am Ende eines Tages...

Einfach toll! Die dieses Mal arg kurze Beschreibung spottet mal wieder dem Weg, dem Erlebten, den natürlichen und kulturellen Aspekten des Tages. Aber man kann, darf, soll doch am besten all das selbst genießen. Da jetzt im beginnenden Sommer die Hülle und Fülle der Pflanzenwelt etwas nachlässt, kann man einen Weg auch einfach mal anders genießen. Dieser nordhessische beziehungsweise in diesem Fall ja thüringische Premiumweg ist auf jeden Fall und ohne jeden Zweifel wunderbar wanderbar. Es gibt sehr eindrucksvolle Erlebnisse, viel Abwechslung und man ist immer nah am Puls der Geschichte, die es uns erlaubt, aus ihr zu lernen – uns aber ganz offensichtlich nicht dazu zwingen kann. Auch in der näheren und weiteren Umgebung gibt es noch vieles zu entdecken und weitere Premiumwege erschließen schöne Wald- und Offenlandschaften. Ich hoffe, dass auch wir in den nächsten Jahren noch einige dieser fantastischen Wanderwege erleben dürfen und wünsche immer einen Fußbreit festen Boden unter den Füßen.

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