Dieses Frühjahr können wir echt nicht meckern. Eine Menge geile Wanderungen, wobei wir meistens auf bereits bekannten Routen unterwegs waren, die wir nur leicht in Richtung der nicht erreichbaren Perfektion anpassten. In Stecklenberg haben wir vor etlichen Jahren sogar mal ein paar Tage Urlaub gemacht, aufgrund widrigen Wetters diesen aber hauptsächlich in Quedlinburg verbracht. Lediglich einen kurzen Gang zu den beiden Burgruinen haben wir uns damals gegönnt – und sind seltsamerweise seit damals nie wieder hier gewesen. Letzten Herbst kamen wir hier mal wieder vorbei, entdeckten zufällig die Hirschkäfereiche, damit auch den nett aussehenden Münchenberg und die Idee einer Tour war geboren. Es dauerte aber trotzdem noch bis zum letzten Tag des zweiten Urlaubs im Jahr und – das kann ich schon einmal sagen – es war wieder einmal eine wanderbare Offenbarung und ein Highlight des Wanderjahres. Bei feinstem Wetter starteten wir an der imposanten Hirschkäfereiche, von der ich aufgrund der „Hektik“, die eine Wanderung mit sich bringt, kein brauchbares Foto hinbekommen habe. Fotografieren erfordert neben der Kenntnis von der Technik auch Ruhe und Geduld und daran mangelt es, wenn man eine lange Anfahrt hat, das Hauptaugenmerk auf das Genießen des Tages und die Wanderung legt und allgemein langsam geht und viele Pausen einlegt.
An der Eiche hängt ein „Fahndungsfoto“ vom Hirschkäfer, dem wir an diesem Tag trotz passender Zeit und passender Gegend nicht begegneten. Überhaupt haben wir in den vielen Jahren unserer „Wanderkarriere“ lediglich ein bis zwei Begegnungen mit dem selten gewordenen Käfer gehabt. Auffällig waren an diesem Tag aber die recht häufigen Begegnungen mit Rosenkäfern und Hornissen. Zuerst geht es durchs beschaulich hübsche Stecklenberg, das im Zusammenhang mit den beiden Burgen oberhalb entstanden ist und heute staatlich anerkannter Erholungsort ist. Der kleine Kurpark ist unser erstes Zwischenziel des Tages. Die hübsche evangelische Kirche des Ortes, eine (sehr) kleine Parkanlage mit einigen alten Bäumen, ein Modell der Lauenburg, ein Rastplatz und eine Bergrutsche laden zum Stöbern ein. Eine Treppe führt den Berg hinauf, von dem aus man von mehreren Stellen eine Aussicht auf den Ort und seine Umgebung hat. Deutlich zu erkennen, dass Stecklenberg aufgrund der immer noch hohen Anzahl an Obstbäumen, viele davon Kirschen, einen Besuch besonders zur Blütezeit erstrebenswert macht. Aber auch diese etwas spätere Zeit hat noch viele Reize, wie wir erfahren werden.
Ruine Stecklenberg
Ruine Stecklenberg
Die nahe dem heutigen Ort Stecklenberg liegende Stecklenburg wurde wohl im Laufe des 11. Jahrhunderts als mittelalterliche Höhenburg auf den Resten früherer Anlagen errichtet, die nach archäologischen Funden bis in die Steinzeit zurückreichen. Die Erbauer der Burg sind nicht eindeutig bekannt und auch die Quellen im Netz widersprechen sich teilweise. Es kommen zum Beispiel die 1129 urkundlich erwähnten Ritter von Stecklenberg infrage. Im 12. Jahrhundert stand die Burg wohl unter der Hoheit des Stifts Quedlinburg, ab 1281 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung der Burg unter der Hoheit des Stifts Halberstadt. Im 12. und 14. Jahrhundert wurde die Burg partiell zerstört, aber immer wieder aufgebaut. Vom Anfang des 14. Jahrhunderts bis Anfang des 17. Jahrhunderts befand sie sich im Besitz der Familie von Hoym. Im Dreißigjährigen Krieg war die Burg noch im verteidigungsfähigen Zustand und im Jahr 1736 noch nachweislich bewohnt, während sie 1750 verlassen war und teilweise zum Abbruch freigegeben wurde. Brauhaus und Burgkapelle wurden abgerissen, die Burg diente mehr und mehr als Steinbruch. Mitte des 19. Jahrhunderts (je nach Quelle) stürzte der baufällige Bergfried ein beziehungsweise wurde gesprengt. Lediglich der Einspruch des Oberförsters von Thale verhinderte das vollkommene Verschwinden der Anlage. Heute sind noch etliche Reste der Burg, wie Teile des Palas, des Bergfrieds und der Kellergewölbe erhalten, freigelegt und zu besichtigen.
Nach wenigen hundert Metern und etlichen Höhenmetern bergauf erreichen wir bereits die Ruine Stecklenburg. Die besteht erst einmal mehr oder weniger nur noch aus Mauerresten, die bei der Ausbeutung der Anlage als Steinbruch übergangen wurden. Nach ausgiebiger Erkundung des Geländes und dem Genuss der Aussicht, die weit über Stecklenberg und die Teufelsmauer bei Neinstedt reichen, geht es auf schmalem Pfad weiter zur Chlor-Calcium-Quelle, die zum Kurpark von Stecklenberg gehört und die dafür verantwortlich ist, dass der Ort den Status als Erholungsort erlangt hat. Der Platz an der 1770 entdeckten Calciumquelle ist großzügig angelegt und bietet neben der Quelle noch zahlreiche Sitzgelegenheiten und eine „Schutzhütte“. Mit dem Wasser kann man eventuell seine Getränkereserven auffüllen. Pur ist das Wasser aufgrund seines Mineralgehaltes etwas „herb“, aber erfrischend kalt. Diese Erfrischung kann durchaus hilfreich sein, denn der Aufstieg zur Ruine Lauenburg kann sich ganz schön ziehen, wenngleich der Weg und auch der Wald gewohnt freundlich bleiben. Vor der Lauenburg erreichen wir ein Wohnquartier für suchtkranke Menschen, an dessen Rand sich ein Aussichtsplatz in Richtung Stecklenberg befindet. Die Hauptburg der Lauenburg ist noch einmal eine ganz andere Nummer als die Stecklenburg, obwohl von der Anlage nicht viel mehr Reste vorhanden sind. Trotzdem handelt es sich um ein weitläufiges und spannendes Gelände, das einiges zu bieten hat. Durch den gewaltigen Burggraben geht es treppab und treppauf, etliche Infotafeln verdeutlichen, an welcher Stelle man sich befindet und was hier einst stand. Reste des Ostturms, der Kapelle und der Mauern sind erhalten, es gilt Excalibur zu befreien und einen Steinhaufen, der nicht mehr abgeholt wurde, sieht man auch nicht allzu oft.
Das inoffizielle Highlight ist aber die „schwebende“ Linde, die bei Grabungsarbeiten am darunterliegenden Kammertor Anfang des 20. Jahrhunderts in diesen Zustand versetzt wurde. Wahnsinn. Hätte ich beinahe vergessen zu erwähnen: Den ganzen Tag über flog ein Hubschrauber mit „Wasserkanister“ über uns zwischen dem Harzrand und dem Vorland hin und her. An der Lauenburg bereits trafen wir dann ein Pärchen, das uns erzählte, dass es seit dem Vortag an der Rosstrappe bei Thale brennen würde. Da es an unzugänglichen Stellen brannte, musste der Lösch-Hubschrauber mithelfen. Trotzdem dauerte es einige Tage, bis das Feuer unter Kontrolle gebracht und gelöscht werden konnte. Nach diesem Highlight geht es weiter zur Vorburg der Lauenburg, die sich einige dutzend Meter weiter westlich befindet. Der Bergfried ist in gutem Zustand und eine Metallkonstruktion erlaubt den Aufstieg und eine weite Aussicht ins Umland. Am Fuß des Bergfrieds kann man unter dem Schutz einer mächtigen Buche eine Rast einlegen und das bis hierhin Erlebte genießen, das eigentlich schon für einen ganzen Tag ausreicht. Vom Burgberg der Höhenburg führt uns dann ein netter Weg durch einen etwas wechselhaften Wald hinab ins Wurmbachtal. Das unterstreicht in dem von uns begangenen Teil die Theorie, dass es im Harz nur schöne Bach- und Flusstäler gibt. Über eine Brücke, an der sich die Felsen im Bachlauf stapeln, geht es auf einen feinen Waldpfad, der uns bergab durch das sehenswerte Tal führt. Das sind zwar nur ein paar hundert Meter, die man aber mit allen Sinnen genießen darf. So schön hatte ich mir diesen Weg nicht vorgestellt.
Ruine Lauenburg
Ruine Lauenburg
Die Lauenburg ist als zweigeteilte Burg (Vor- und Hauptburg), vermutlich gegen Ende des 11. Jahrhunderts unter Heinrich IV. als Reichsburg errichtet worden. Die Bauzeit der insgesamt 350 Meter langen Anlage, die urkundlich erstmals 1164 in Zusammenhang mit den sächsischen Pfalzgrafen von Sommerschenburg Erwähnung findet, soll bei ungefähr zehn Jahren gelegen haben. Sie diente dem Schutz von Handelsstraßen und der nahen Stadt Quedlinburg. 1165 kam die Burg in den Besitz des Welfen Heinrich des Löwen, wurde später aber auch als Raubritternest genutzt, was dazu führte, dass sie 1290 von Rudolph von Habsburg erstmals zerstört wurde. Nach ihrem Wiederaufbau wurde sie dann wohl bereits im 14. Jahrhundert letztendlich zerstört. Nach einem mehrere Jahrhunderte andauernden „Dornröschenschlaf“ war es Friedrich der Große, der sie nach 1740 auf Abbruch verkaufte. Heute sind von der einst mächtigen Burganlage, die insgesamt über drei Bergfriede verfügte, nur noch wenige, aber durchaus beeindruckende Reste vorhanden. Am besten erhalten ist der Bergfried der Vorburg, der noch ungefähr seine halbe Höhe besitzt und seit 2014 als Aussichtsturm dient.
Nach Verlassen des Bachtales geht es am Fuß des Küchenberges am Waldrand weiter. Linker Hand befindet sich ein freundlicher Wald, rechter Hand die Obstwiesen und Felder nordwestlich von Stecklenberg. Das muss auch im Frühling eine wahre Wanderpracht sein. Ein auf der OpenStreetMap eingezeichneter Weg durch die Plantagen ist verschwunden, also gehen wir ein Stück weiter, bis wir uns an einer Kreuzung für einen von drei Wegen entscheiden können. Wir nahmen den linken, der durch eine offene Landschaft zu einem Aussichtspunkt auf Neinstedt und die dahinterliegende Teufelsmauer führt. Dann geht es hinab in die von Kirschen dominierten Wiesen und Gärten. Eine sehr abwechslungsreiche Tour, die durch immer wieder neue Landschaftsbilder geprägt wird. Der im Sommer kaum erkennbare Nelkenstein, markiert durch eine kleine Tafel, ist Symbol einer Sage oder Geschichte einer eher einseitig entgegengebrachten Liebe im Zusammenhang mit dem gerne hier wandernden Dichter Christoph August Tiedge. Den ebenfalls interessant aussehenden Kahlenberg, zu dessen Höhen man einen kleinen Abstecher machen kann, lassen wir links liegen und gehen hinab ins Wurmbachtal. Dort geht es ein paar Meter an der Straße entlang, dann kurz vor Neinstedt in den leicht zu übersehenden Einstieg in den Münchenberg, der gleich mit einem heimeligen Pausenplätzchen aufwartet.
Der Münchenberg, von dessen Naturschutzgebiet wir erst vor Ort erfuhren, war dann für uns der Knaller des Tages. Hier wurden unsere Erwartungen, wenn wir denn überhaupt welche hatten, wieder einmal um etliches übertroffen. Der Aufstieg an der Nordseite ist nicht von schlechten Eltern, führt dabei aber durch eine Art Tunnel auch durch eine sehr schöne Landschaft. Das erinnert an einen stark verwilderten Park oder ein ebensolches Arboretum mit seinen zahlreichen verschiedenen Bäumen und Sträuchern. Ein herrliches Erlebnis. Oben angekommen, erwartet uns die erste „Orchideenwiese“, auf der natürlich noch zahlreiche andere Pflanzen gedeihen. Die Orchis, wie wir sie gerne nennen, waren bei unserem Besuch schon verblüht. Dafür blühte zum Beispiel ein farblich ins orange gehender Ginster an vielen Stellen, bei dem es sich wohl eher um eine Züchtung handelt denn eine natürlich vorkommende Form. Trotzdem prächtig. Von einigen Stellen hier oben hat man beim Blick nach hinten eine Aussicht in Richtung Nordharz, über dem sich „majestätisch“ der Brocken erhebt. Weiter geht es durch einen halboffenen Tunnel zu einer großen Wiesenfläche. Im Wald stehen zum Beispiel die Überreste des Purpur-Knabenkrauts, auf den Wiesen Margeriten, Wiesen-Salbei und der Gelbe Wau. Auch von hier hat man wieder herrliche Ausblicke zurück.
Naturschutzgebiet Münchenberg
Das 1967 unter Schutz gestellte Naturschutzgebiet Münchenberg ist ungefähr 40 Hektar groß und wird unter anderem durch einen Traubeneichen-Hainbuchenwald geprägt, der durch historische Nutzung entstanden ist. Im Mittelwald des Nordhangs findet man unter anderem seltene Baumarten, wie zum Beispiel die Elsbeere und den Speierling. In der Krautschicht des Nordhangs findet man unter anderem die Türkenbundlilie und mehrere Orchideenarten, wie das Purpur-Knabenkraut, das Große Zweiblatt und das Stattliche Knabenkraut. Der Südhang wird durch einen Haselniederwald geprägt, in dem sich unter anderem Pflanzen wie das Leberblümchen, das Purpur-Knabenkraut und die Fliegen-Ragwurz finden. Am Münchenberg wurde traditionelle Hutewirtschaft betrieben. Ehemalige Schafhutungen sind als Trockenrasengebiete erhalten geblieben und bieten ebenfalls zahlreichen weiteren Pflanzen einen Lebensraum, wie zum Beispiel Fransen-Enzian, Golddistel, Moorklee, Blutroter Storchschnabel und mehreren Orchideenarten. Zu den bereits aufgezählten kommen mehrere Stendelwurzen und Waldvöglein und die Bienen-Ragwurz. Auch die Fauna des Naturschutzgebietes ist vielfältig und so findet man hier zum Beispiel Neuntöter, Pirol, Wendehals, Schwalbenschwanz, Geburtshelferkröte, Hirschkäfer und Haselmaus.
Wir erreichen das Nordostende des Münchenberges und machen eine Kehre. Von hier aus hat man einen schönen Ausblick über die vor uns liegenden Obstwiesen und Trockenrasengebiete in Richtung Bad Suderode und Gernrode. Was ist das für ein fantastischer Weg, der so nicht zu erwarten war! Das sind die Orte, die wir am liebsten so schnell nicht wieder verlassen wollen. Der nun folgende Gang durch die Trockenrasengebiete in diesem Teil des Münchenberges sollte zur entsprechenden Zeit jede Menge an entsprechenden Erlebnissen bereithalten. Berg-Ziest, Wiesen-Salbei und Blutroter Storchschnabel gehören zu den Pflanzen, die die Hänge bevölkern. Am Waldrand kurz vor dem letzten, schönen Rastplatz erwartet uns dann noch die je nach Quelle ungefähr 400 bis 600 Jahre alte und prächtige Schäfereiche mit ihrem hohlen Stamm. Wer sich jetzt wie wir „wanderemotional“ bereits jenseits von Gut und Böse befindet, den erwartet auf dem durch ein Tor markierten, wohl etwas in Vergessenheit geratenen Naturlehrpfad noch eine „böse“ Überraschung. Auf einer kleinen Wiese im Wald sind zahlreiche Orchideen zu entdecken, die bei unserem Besuch bis auf wenige Exemplare bereits verblüht waren. Jetzt reicht es aber auch. Ein wirklich wanderbarer Tag neigt sich dem Ende entgegen. Wir gingen noch ein wenig hin und her im südlichen Teil des Berges, was sich allerdings als nicht wirklich unbedingt nötig erwies. Darum habe ich den Track entsprechend angepasst. Beim nächsten Mal werden wir dann auch hinter der großen Freifläche gerade hinunter ins Wurmbachtal gehen. In dem geht es dann, egal welchen Weg man nimmt, noch ein paar Meter am Bach entlang zum Ausgangspunkt an der Hirschkäfereiche.
Am Ende eines Tages...
Was für ein herrlicher Wandertag mit ein wenig Altbekanntem und zahlreichen Neuentdeckungen! So soll es sein und lässt das Wanderherz schneller schlagen. Die Burgruinen und ihr fantastisches Umfeld und die Obstwiesen bei Stecklenberg kannten wir ja bereits mehr oder weniger. Trotzdem entdeckten wir viel Neues und als „krönenden“ Abschluss den wirklich wunderschönen Münchenberg mit seinem Naturschutzgebiet. Aufgrund der zahlreichen Abwechslungen auf diesem Weg ist er auch wirklich für alle erdenklichen Jahreszeiten sehr empfehlenswert. Ob sich der Weg sinnvoll ergänzen lässt, muss jeder für sich entscheiden. Da ich mich bei der Ausarbeitung der Touren immer mehr auf die schmalen Wege der OpenStreetMap konzentriere, sehe ich da keine großen Möglichkeiten. Allerdings ist die Fülle an Erlebnissen zur rechten Zeit auch so groß, dass man, wenn man wie wir an „jeder Milchkanne“ stehenbleibt und staunt und pausiert, nicht allzu schnell vorankommt. Herrliche Zeiten in und um Stecklenberg wünsche ich allen jederzeit.
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