Die Prinzessin Ilse

Die Prinzessin Ilse

Diese etwas andere Wanderung schoben wir zehn Jahre vor uns her, weil eigentlich nur eine Streckenwanderung von Ilsenburg nach Wasserleben oder umgekehrt sinnvoll erschien. Wegen der dafür nötigen Busfahrt taten wir es aber nie. Jetzt hatte ich die Backen dicke und arbeitete eine Runde von Wasserleben nach Veckenstedt und zurück aus, bei der man im Mittelteil halt denselben Weg gehen muss. Viele wissen, was ich meine, wenn ich sage, dass man eigentlich nie denselben Weg geht. Handelsübliche Wanderer mag eine solche Tour abschrecken, aber wer seine Heimat mag und sich auch über die kleinen Erlebnisse am Wegesrand freuen kann, der wird voll auf seine Kosten kommen. Wir starteten in Wasserleben auf einem Parkplatz am Henneberg-Park. Der wurde in den 1850er Jahren vom Gutspächter Henneberg angelegt. Das entsprechende Gut wiederum war aus einem nach dem Dreißigjährigen Krieg aufgegebenen Zisterzienserinnenkloster hervorgegangen. Wasserleben hat eine Menge zu bieten und die Gebäude des Ortes haben viel zu erzählen. Wir wandern die ersten Meter durch den kleinen Park, dann entlang des Mühlgrabens durch den Ort. Eine alte Wassermühle, die schöne Kirche St. Sylvestri und etliche Häuser im Dorf sind schön anzusehen. Wir schlagen uns durch zur Ilse und zum Ilsestrandbad. Bis hierhin war das alles schon mal ziemlich nett und spannend. 

Es ist unbeschreibbar, mit welcher Fröhlichkeit, Naivität und Anmut die Ilse sich hinunterstürzt über die abenteuerlich gebildeten Felsstücke, sodass das Wasser hier wild emporzischt und unten wieder über die kleinen Steine hintrippelt, wie ein munteres Mädchen. Ja, die Ilse ist eine Prinzessin, die lachend und blühend den Berg hinabläuft.

Heinrich Heine (Die Harzreise)

Bei Wasserleben und Veckenstedt ist die einst junge Prinzessin Ilse etwas erwachsen geworden und dementsprechend nicht mehr ganz so wild. Trotzdem hat sie hier eine schöne Landschaft geformt. Im noch frühen Frühling blüht es in allen erdenklichen Farben im Ilsetal, die Vögel zwitschern, die Sonne lacht – was will man mehr. Derart ermuntert und beschwingt geht es auf den schönen Wegen entlang des Harzflüsschen nach Veckenstedt. Auch dieser kleine “Harzvorort” ist hübsch anzusehen und eindeutig geprägt vom Wasser. Sieht man sich eine beliebige Karte der Gegend an, kann man erkennen, dass sich zwischen Ilsenburg und Veckenstedt ein Geflecht an verschiedenen natürlichen und künstlichen Fließgewässern befindet. Diese streben entweder der nordwestlich am alten Ort vorbeilaufenden Ilse oder dem Rammelsbach entgegen, der durch den östlichen Teil Veckenstedts verläuft. Dazwischen verlaufen mindestens zwei Mühlgräben, die sich an einigen Stellen noch verzweigen. Eindeutig ein Fall für Gewässerexperten. Wir haben als schnöde Wanderer aber ebenfalls etwas davon, weil wir immer wieder Wasser zu sehen bekommen. Veckenstedt hat etliches an schönem Baubestand zu bieten, unter anderem auch die 1884 erbaute Kunstmühle Veckenstedt, in der heutzutage kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Zwischen den beiden nahegelegenen Kirchen St. Paul und St. Martin befindet sich ein alter Gutshof. Wir als Wanderer sehen leider nicht immer alles, aber Veckenstedt hat, ebenso wie Wasserleben einiges, dass es zu entdecken lohnt.

An den Obstwiesen

An den Obstwiesen

An der Ilsenburger Straße verlassen wir den Ort in Richtung Ilsenburg und wenden uns kurz darauf nach rechts zum Hanggraben Veckenstedt. Über Ilsenburg hinweg blicken wir auf den Brocken. Rechts neben dem Schornstein der ehemaligen Ilsenburger Hütte kann man mit gutem Auge den gewaltigen Felsen des Ilsestein entdecken. Für uns kam dann das Schmankerl des Tages. Nicht nur Pferde tummelten sich auf den Wiesen und Weiden zwischen dem Hang- und dem Mühlengraben, sondern auch jede Menge Vögel in einem eingezäunten Gelände. Neben Grau- und Nonnengänsen waren noch andere Arten zu erkennen, die wir als Laien aber nicht bestimmen konnten. Eine unerwartet tolle Begegnung. An der Stelle, an der es weitergeht zur Geflügelzucht Landy, zum Landschulheim Grovesmühle und zur Teichwirtschaft Veckenstedt, drehen wir um. Entlang der Ilse durchqueren wir auf angenehmen Wegen Veckenstedt. Bis zur Ilse geht es auch über schöne Wiesen mit Obstbäumen und etliche tierische Bewohner des Ortes bekommen wir zu sehen. Jetzt gehen wir ein Stück den gleichen Weg zurück nach Wasserleben. Aber der lebenserfahrene Mensch weiß, dass man niemals denselben Weg gehen kann und niemals denselben Fluss zu Gesicht bekommt. Der andere Blickwinkel lässt den Weg auf keinen Fall langweilig werden. Am Knickteich vorbei durchqueren wir auch Wasserleben an der Ilse, gehen noch einmal ein Stück am Rand des Hennebergparks entlang und erreichen schließlich unseren Ausgangspunkt.

Am Ende eines Tages...

Eine erstaunlich abwechslungsreiche, interessante, spannende Wanderung. Das hätte ich so schön nicht erwartet. Alle Menschen, denen wir begegnet sind, haben freundlich gegrüßt, was man als (vom Dorf kommender) Großstädter so nicht mehr gewohnt ist und es gab jede Menge zu sehen und zu bestaunen. Nebenbei hätte man sich noch mehr Zeit lassen und die beiden schönen Dörfer weitergehend erkunden können. Trotz der ungewöhnlichen Gegend und Routenführung kann ich nur eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen.

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