Kastanienallee am Wahrberg

Kastanienallee am Wahrberg

Neun lange Jahre ist es her, dass wir am Kleinen Fallstein wandern waren. Auf den damals vorhandenen Online-Karten waren so gut wie keine Wege, die eine längere Tour erlaubt hätten und auch an „Papierkarten“ war nichts zu finden. Aber die Frühlings-Adonisröschen, von denen wir heute wissen, dass es sie im nördlichen Harzvorland an etlichen Stellen gibt, lockten uns dann doch. Nach jahrelangem Zaudern wagten wir es schließlich 2012 von Rhoden aus. Ein älterer Rhodener gab uns vor dem Start noch einen Tipp, sodass die Runde nicht schon am Anfang in einer Katastrophe endete. Wir gingen damals also hinauf zum Kammweg, bis zum Beginn des Naturschutzgebietes Kleiner Fallstein und zurück nach Rhoden. Das war damals auf dem Kamm ziemlich schön, aber die Zuwege und Abwege nach Rhoden waren dann doch etwas langwierig, sodass die Tour sich nicht wirklich nachhaltig ins Gedächtnis einbrannte. Lange Jahre geriet der Fallstein in Vergessenheit, jetzt wollten wir es noch einmal reißen und ich machte mich daran, eine vielleicht bessere Route zusammenzustellen. Zufällig stieß ich bei den Recherchen auf die Site Kulturland Osterwieck, auf der es unter den Menüpunkten „Projekte – Wandern im Kleinen Fallstein“ eine ziemlich neue Wanderkarte für den Kleinen Fallstein zum Download gibt. Am Kleinen Fallstein, zwischen Hornburg in (Nieder)-Sachsen und Osterwieck in Sachsen-Anhalt, wurden also vor gar nicht allzu langer Zeit sechs kürzere Themenwege, die zwischen 3,5 und 6 Kilometer lang sind und ein alle Wege umspannender, knapp über 20 Kilometer langer Weg eingerichtet. Wie geil ist das denn? Jetzt kann man sich hier je nach Wetter, Jahreszeit und mitgebrachter Zeit, ganz nach Lust und Laune, verschiedenste Wege zusammenstellen. Durch die zahlreichen Verbindungswege zwischen den beiden fast parallel verlaufenden Hauptrouten sind die Möglichkeiten trotz des begrenzten Gebiets wirklich sehr groß.

Da waren natürlich alle anderen Pläne für den Frühling erst einmal eine Stelle nach hinten gerutscht und es musste sofort zum Fallstein gehen. Nicht einmal die Zeit für einen Track blieb und so ging es mit der auf zwei Seiten ausgedruckten Wanderkarte los. Da wir die beiden sehr schönen Fachwerkstädte Hornburg und Osterwieck lieber ab und zu abseits des Wanderns besuchen, begannen wir in Osterwieck, um allerspätestens bei Willeckes Lust umzukehren. Da wir die Länge des Weges unterschätzten und das Wetter uns auch nicht ganz geheuer war, kehrten wir bereits vorher um. Als wir nachmittags vom Waldhaus wieder Richtung Heimat losfuhren, fing es dann auch schon zu regnen beziehungsweise zu schütten an. Just in time! Der von mir bereitgestellte Weg stellt keinen optimalen Wegverlauf dar. Die Strecke von der Schutzhütte am Fallstein bis zur Grenze gingen wir dieses Mal gar nicht. Sie wäre aber ein sinnvoller Abstecher, wenn man die Runde ungefähr so läuft wie wir. Die Wege am Fallstein umfassen reich gegliederte Offen- und Waldlandschaften, die im Laufe des Jahres verschiedene Reize bieten. Geht man bis Hornburg, kommt mit dem Ilsetal sogar noch eine Flusslandschaft hinzu. Es gibt hier eigentlich keinen optimalen Weg, sondern jeder kann sich nach Interesse, Jahreszeit etc., seine Lieblingswege, seinen Lieblingsweg zusammenbasteln. Die Wege sind allesamt ziemlich gut ausgeschildert. An einigen Stellen waren Wegweiser anscheinend entwendet worden. Etwas Orientierungssinn sollte man mitbringen und sich vielleicht die Wanderkarte möglichst groß ausdrucken. Eine topografische Karte scheint es leider noch nicht zu geben und auch unsere recht aktuelle Karte auf Locus Pro, im Zusammenspiel mit den OpenAndroMaps, verzeichnet bisher nur den Harzer Grenzweg und die Via Romea.

Blick über Lüttgenrode zum Brocken

Blick über Lüttgenrode zum Brocken

Kurz noch zu den Fotos. Ich bin im Moment etwas unzufrieden mit dem, was mein ansonsten für den lauen Preis endgeniales Poco X3 mit der Werks-Software fabriziert und auch GCam-Mods bringen bislang keine nennenswerte Besserung. Die Bilder sind gerade bei schlechten Lichtverhältnissen teilweise nahezu unbrauchbar. Darum ist auch das Titelbild eines, das wir 2012 mit einer digitalen Kompaktkamera von Canon aufnahmen. Na ja, jetzt aber endlich mal Butter bei die Fische und ab zum Wandern. Los ging es für uns am Waldhaus nördlich der schönen Fachwerkstadt Osterwieck. Alle anderen Parkplätze sind aber ebenfalls empfehlenswert. Zuerst geht es ein paar Meter bergab und dann rechts in den Kirchbergweg, der gerne auch als Kirschbergweg bezeichnet werden kann, da einige Obstbaumplantagen links und rechts des Weges existieren. Aber von den Kirschen waren am heutigen Tag nur wenige am Erblühen. Man kann die Wanderung auch noch ein bis zwei Wochen später machen, wenn die Adonis immer noch blühen und dann auch mehr Obstbäume. Im Moment hat man an einigen Stellen, besonders in den Naturschutzgebieten Kleiner Fallstein und Waldhaus, noch andere Frühblüher wie zum Beispiel Bärlauch, Buschwindröschen, Gelbes Windröschen und mehr.

Links vom ausgezeichneten Feldweg erblicken wir den in der Gegend herumliegenden Harz, gekrönt vom Massiv des Gevatter Brocken. Dieses war weiß verzuckert und der Gipfel des Berges hatte eine wolkige Schlafmütze auf. Da waren wir am frühlingshaft und recht warm daherkommenden Fallstein gut bedient. Auf der Anhöhe erblicken wir dann den Osterwiecker Bismarckturm, den wir aber erst einmal rechts liegen lassen. An der wahrlich prächtigen Kastanienallee, die das Vorharzstädtchen mit dem Fallstein verbindet, geht es weiter geradeaus auf einem weichen Feldweg. Man könnte übrigens an jedem Abzweig, der zum anderen, parallel verlaufenden Weg führt, theoretisch hinaufgehen, dann ein Stück auf dem oberen Weg und wieder hinunter und so weiter und so fort. Auf dem Rückweg ginge man dann ebenso vor, würde quasi mehrere Achten gehen und auch alle Verbindungswege mitnehmen, diese dann allerdings doppelt. So hätte man aber wirklich alle Wege mitgenommen und könnte die Gesamtstrecke zwischen Hornburg und Osterwieck wahrscheinlich auf über 30 Kilometer strecken. Wir brauchen keine ewigen Kilometer mehr, um einen befriedigenden Wandertag erlebt zu haben, aber für manch einen wäre das vielleicht interessant.

Hornburg und Osterwieck

Hornburg und Osterwieck

Die beiden schönen Fachwerkstädtchen Hornburg (2.450 Einwohner) und Osterwieck (Kernstadt ca. 4.000 Einwohner) werden beziehungsweise wurden zu Unrecht touristisch etwas stiefmütterlich behandelt. Das über 1.000 Jahre alte Hornburg, Geburtsstätte von Papst Clemens II. (1005 – 1047), besitzt eine denkmalgeschützte Altstadt mit über 400 Fachwerkhäusern, eine sehr schöne Hallenkirche und eine beeindruckende Burg. Osterwieck ist ebenfalls über 1.000 Jahre alt. Bereits Karl der Große soll hier im 8. Jahrhundert eine Kirche gegründet haben. Osterwieck besitzt ein aus ebenfalls ungefähr 400 Fachwerkhäusern bestehendes und nahezu geschlossen den niedersächsischen Fachwerkstil aus 5 Jahrhunderten repräsentierendes Stadtbild. Zwischen den beiden kleinen und feinen Städten liegt der Fallstein, eingebettet sind sie in eine wunderbare Landschaft. In der näheren Umgebung gibt es viel zu entdecken, wie zum Beispiel die ebenfalls schönen und von uns schon besuchten Orte Isingerode und Lüttgenrode. Selbst für einen abseits des Wanderns oberflächlichen Besuch der Gegend um Hornburg und Osterwieck sollte man mindestens einen ausgedehnten Tag einplanen.

Mindestens zwei, vielleicht dreimal waren wir schon in beiden Vorharzstädtchen und trotzdem habe ich keine Bilder mehr von Osterwieck und kaum welche von Hornburg. Das prangere ich an, da muss in den nächsten Jahren etwas geschehen. Jetzt erstmal weiter am Fallstein, denn weit sind wir ja noch nicht gekommen. Unterhalb vom Turm geht es also erstmal durch die Feldmark zum Naturschutzgebiet Kleiner Fallstein. Dieses schützt ein kleines Waldgebiet, das durch Buchenwald und Traubeneichen-Hainbuchenwald geprägt wird. Hier im Süden bekommen wir davon noch nicht viel mit, später auf dem Rückweg im Nordteil schon. Wir gehen zuerst auf einem äußerst netten Waldrandweg am Schutzgebiet entlang, dann erreichen wir die Offenlandschaft, in der sich unter anderem das Frühlings-Adonisröschen massenhaft tummelt. Später im Jahr wird es wohl noch viel mehr zu erleben geben. Der Hügel oder Berg hat bestimmt einen Namen, ich konnte nirgends einen finden. Nenne ich ihn halt einfach Adonisberg. Hier wachsen hunderte Exemplare der in unseren Breiten sehr seltenen, im Harzvorland nicht ganz so seltenen Pflanze, die ursprünglich aus Sibirien stammt. Ebenfalls sind zur Blütezeit bei passendem Wetter auch hunderte Exemplare der Gattung Mensch in diesem Bereich unterwegs. Natürlich besteht hier Naturschutz, aber trotzdem liefen etliche Leute wieder einmal für einen Schnappschuss mitten über den Hang, obwohl ausreichend viele, schöne Exemplare direkt am Wegesrand stehen. Was will man machen? Nach ausreichendem Genuss des prächtigen Hahnenfußgewächses, man kann hier übrigens auch den oberen Hangweg nehmen, geht es zur Kreisstraße und dann kurz ins Dorf Hoppenstedt, das wir aber nicht wirklich betreten.

Schutzhütte am Königsberg

Schutzhütte am Königsberg

Wir biegen gleich wieder ab und wandern einen freundlichen Pfad zum beeindruckenden, ehemaligen Kalksteinbruch Hoppenstedt. Dieser ist als nationales Geotop ausgezeichnet und bietet hervorragende Aufschlüsse an Kalk und Mergel. Einmal dürfen wir ihn durchwandern, dann geht es wieder weiter durch die tollen Landschaften des Fallstein. Hinter dem Steinbruch wird es wieder etwas ruhiger, wenngleich auch hier noch zahlreiche Adonisröschen zwischen den Obstbäumen leben. Ah, diese Landschaft hat was, wenngleich wir hier etwas gruseliges Wetter hatten. Das ist das nördliche Harzvorland, wie wir es lieben. Durch eine Senke geht es jetzt für uns hinauf. Der Weg ist hier mit Pfählen markiert, vielleicht auch, um übermotivierte Landwirte daran zu hindern, den Weg „versehentlich“ wegzuackern. Das haben wir leider schon sehr oft erleben müssen. Hinauf, dann am Waldrand entlang, wieder hinab zu einem kleinen Feuchtbiotop und wieder hinauf zum Königsberg. Der Königsberg mit Schutzhütte, kleiner Heidelandschaft, herrlicher Aussicht, ehemaligem Beobachtungsturm der Grenztruppen und der ehemaligen innerdeutschen Grenze, ist schon ein zentraler Anlaufpunkt am Kleinen Fallstein. Wer möchte, kann den Abstecher bis zum ehemaligen Grenzzaum machen oder eben auch nicht. Wir sparten uns das dieses Mal, aber ich habe zumindest die Fotos aus 2012 eingestellt, so als hätten wir es getan. Auf jeden Fall ein sehr interessanter Hin- und Rückweg zur ehemaligen Grenze zwischen den alten und neuen Bundesländern, die ja im (im wahrsten Sinn des Wortes) Wahnsinnsjahr 2020 kurzzeitig wieder geschlossen war – zumindest theoretisch für die, die sich an solche Repressalien hielten. Der Blick fällt auch immer wieder auf Rhoden, das irgendwie schön im Tal liegt und dessen Umgebung einen Abstecher wert wäre, wenn da nicht ein anderer Wahnsinn vor Jahren seine Früchte beziehungsweise Rotoren getragen hätte.

Zurück an der Schutzhütte geht es weiter auf dem Höhenweg des Kleinen Fallstein und wir können den Weg und die Aussichten genießen. Kleine Birkenwäldchen, immer mal wieder ein paar übriggebliebene Obstbäume, ein „Party-Bunker“, es bleibt spannend und erlebenswert. Hinter der Kreisstraße 1342 geht es wieder ein Stück durch die Felder, dann dahinter in ein umso schöneres Waldstück mit schmalem Pfad. Auf diesem erreichen wir den nördlichen Rand des Naturschutzgebietes Kleiner Fallstein, in dem uns unter anderem zahlreiche Frühblüher erwarten. Ein wirklich herrliches Waldstückchen einfach nur zum Hören, Sehen und Genießen. Kurz geht es durch die Feldmark um das Gehöft Hohenberg, dann in den als lebensgefährlich gekennzeichneten Wald am Stuckenberg. Dass es in diesem bei unserem Besuch recht friedlichen Wald mit tollem schmalem Wanderpfad durchaus ungemütlich werden kann, haben wir etwas weiter drin sehen können. Auf einigen Dutzend Metern mussten wir am Feldrand entlang, da etliche umgestürzte Bäume den Weg versperrten. Der Wandel des Klimas, der an anderen Stellen des nördlichen Harzvorlandes noch schlimmere Spuren hinterlassen hat, zeigt sich auch hier. Weiter am Waldrand entlang gelangen wir zur Fallsteinklause. Ein Käffchen wäre nett gewesen, aber die Masken tragende Schlange ermunterte uns dann doch eher zum Weitergehen.

Blick vom Bismarckturm

Blick vom Bismarckturm

Jetzt kommen wir von hinten rum zum Osterwiecker Bismarckturm. In einem Steinbruch unterhalb des Turms, dessen abgebautes Gestein vielleicht dem Bau des Turms selbst diente, stehen drei Häuser. An solcher Stelle fragen wir uns oft, wie solch ungewöhnliche Bauplätze zustande kommen. Leider war darüber, ebenso wie über die zwischen der Fallsteinklause und dem Turm gelegenen Schuppen online nichts herauszufinden. Wir steigen zum Osterwiecker Bismarckturm auf, der von 1901 bis 1904 entstand und in den 1960er Jahren knapp dem Abriss entging. Vom knapp 20 Meter hohen Turm hat man schöne Aussichten in die nähere und weitere Umgebung. Vom Bismarckturm geht es auf den letzten, kleinen Abschnitt des Wandertages, der uns in das Naturschutzgebiet Waldhaus führt. Das ungefähr 50 Hektar große und seit 1961 unter Schutz stehende Gebiet ist durch zwei Erosionstäler gegliedert und ist geprägt durch naturnahe Waldgesellschaften mit botanischen Kostbarkeiten. Auch etliche Greifvogelarten und Spechte sind nachgewiesen. Wieder führt uns ein schmaler, weicher Waldweg durch das Waldhaus, in dem es auch noch einmal einen nennenswerten Bestand an Bärlauch gab. Schließlich kommen wir nahe dem Hotel & Restaurant Waldhaus mit angeschlossenem Tiergehege heraus. Ein paar Schritte geht es noch bergab, dann sind wir schon wieder am Ausgangspunkt angelangt.

Am Ende eines Tages...

Wirklich klasse, was sich hier in der Gegend in Sachen Wandern getan hat. Vielerorts geraten Wandergegenden in Vergessenheit, weil das Hiken sich immer mehr „modernisiert“ und immer mehr versucht wird, den Wanderern „besondere Erlebnisse“ zu bieten. Für uns, die wir uns zumindest oberflächlich für fast alle natürlichen und kulturellen Aspekte interessieren, ist es hingegen fast immer spannend, weil sich am Wegesrand sehr oft, eigentlich fast immer interessante Dinge finden lassen. Nicht immer erfährt man, was genau man da entdeckt hat, aber da gilt Mamas Weisheit Nr. 38: Du kannst alles essen, Junge, aber nicht alles wissen. Genau genommen weiß ich nichts und werde wohl auch nie etwas wissen, was das Leben aber auch in vielerlei Hinsicht sehr viel leichter macht.

Das nördliche Harzvorland, ich werde nicht müde, es zu betonen, ist schon seit längerem meine „Lieblingsgegend“ (nicht nur) zum Wandern. Durch die noch nicht abgeschlossenen Neuentdeckungen und Wiederentdeckungen am Huy und am Fallstein hat sich das noch einmal etwas verstärkt. Nennen will ich dieses Mal nicht wieder die wie an der Kette aufgezogenen Perlen menschlicher Ansiedlungen, sondern die dem Erstbesucher eher unbekannteren Orte wie Zilly mit der tollen Bikerschmiede und Wasserburg, Hessen mit dem prächtigen Schloss, das mittlerweile fein restauriert wurde oder Westerburg mit der gleichnamigen Wasserburg. Fast überall gibt es hier irgendwo etwas zu entdecken und zu erleben und ich wünsche allen Besuchern dieses schönen Landstrichs viel Vergnügen.

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