Wow, ein überraschend geiler Weg. Rübeland war schon immer ein Sehnsuchtsziel für uns und vor fast 16 Jahren waren wir auch schon einmal in der Gegend, hatten aber Probleme mit den Wegen. Dieses Mal war es an einigen Stellen ebenfalls etwas durchwachsen, aber das konnte das Erlebnis nicht schmälern. Start war für uns der Blaue See, den wir auf dieser Wanderung das erste Mal auch von oben kennenlernten. Dieser ist der Überrest eines Kalksteinbruchs, der bis 1945 betrieben wurde. Im Frühling tritt kalziumhaltiges Wasser im See zutage und scheidet Kalziumkarbonat ab. Dieses bindet Algen und Schwebstoffe, die eine Schlammschicht aus Kalk am Boden bildet. Das Wasser des Sees wird dadurch sauber und nährstoffarm und reflektiert die blauen Anteile des Sonnenlichts besser. Dann macht der Blaue See seinem Namen alle Ehre. Vom Parkplatz geht es ein paar Meter zu einer Sohle des ehemaligen Tagebaus. Von hier sieht man die Felsen, die dieser hinterlassen hat. Es geht in ein faszinierendes kleines Waldgebiet, in dem man immer wieder erkennt, dass man sich in einem ehemaligen Steinbruch befindet. Hier gibt es unter anderem Massenvorkommen der Breitblättrigen Stendelwurz, die im Juli meistens in vollster Blüte steht. Wir umrunden den See oberhalb und steigen dann hinab. Selbst an einem Sonntagmorgen bei strahlendem Sonnenschein hat man hier noch seine Ruhe. Als wir am Nachmittag zurückkamen, war hier buchstäblich die Hölle los. Hunderte Menschen mit Hunden und Kinderwagen bevölkerten das Areal des Sees und stritten sich um Parkplätze. Ehrlich gesagt, erscheint mir solches Verhalten völlig absurd und kurios, vor allem, da der See nicht sonderlich groß ist und das Baden eh verboten. Na ja, verstehe einer die Sterblichen.

Durchblick zum Schornsteinberg

Durchblick zum Schornsteinberg

Vom See, der im Sommer nicht mehr allzu blau ist, geht es in Richtung Rübeland. Ein netter Pfad und Weg durchs Grün, parallel zur Straße. Am beeindruckenden Viadukt der Rübelandbahn, zur Zeit der Errichtung das Höchste in Norddeutschland, betreten wir die Vororte von Rübeland. Ein wenig kurios, das auf dem Ortseingangsschild Neuwerk stand, auf der Karte allerdings Kreuztal und beide Vororte von Rübeland sein sollen. Egal, schön hier. Etliche Häuser hier stehen leer oder befinden sich in mehr oder weniger marodem Zustand. Lediglich die Kreuzmühle ist in einem guten Zustand. Wir wandern ein paar Meter durch den spärlich besiedelten Ort, überqueren die hier nicht gerade wild-romantische Bode und gehen wieder in den Wald. Wieder ein netter Weg, immer in respektvollem Abstand oberhalb der Bode, führt uns nach Rübeland. Der Name des Ortes leitet sich nicht von Rüben ab, sondern bedeutet vermutlich Räuberland oder raues Land. Von der Straße Bergfeld haben wir nette Ausblicke in die teils felsige Umgebung, die Rübeland so faszinierend macht. Auf einem schönen und schmalen Weg geht es hinauf zum Hohen Kleef. Hier erwarteten uns zuerst etliche (natürlich längst verblühte) Türkenbundlilien und Leberblümchen, was darauf hindeutet, dass es hier auch im Frühling sehr nett ist. Der Name Kleef soll Klippe bedeuten, was sinnig erscheint, wenn man bedenkt, dass es (nur?) in dieser Gegend mehrere Felsen mit diesem Namen gibt. Direkt am Felsen, der Abstecher lohnt sich, befindet sich ein schöner Pavillon mit der wohl schönsten Aussicht auf Rübeland. Etwas davor befindet sich ein ebenfalls netter Rastplatz mit Aussicht auf den Tagebau Kleines Tiefenbachtal und einem ungewöhnlichen Bienenstock in einem Holzbären. Leider war dieser nicht bevölkert.

Vorbei am Rübeländer Friedhof geht zur Kalkunterkornhalde Kleines Tiefenbachtal. Eine faszinierende Landschaft mit einem Wald im Wandel, der sich aber (hoffentlich) bereits wieder erholt vom – nein, nicht vom Borkenkäfer – sondern vom jahrhundertelangen Raubbau und ebensolcher Zerstörungswut des Menschen. Eine Infotafel informiert über die Besonderheit des Kalkunterkorns, dann sind wir schon im Naturschutzgebiet “Bielsteinhöhlengebiet bei Rübeland”. Von den Höhlen bekommen wir hier nichts mit. An einem Förderband des Tagebaus geht es für uns hinab nach Rübeland. Arg verkrautet und auch nicht ausgeschildert war dieser Weg, auf dem auf einschlägigen Karten und auch der offiziellen Beschreibung der Fernwanderweg “Harz – Eichsfeld – Thüringer Wald” verläuft. Es bleibt zu hoffen, das dieser Weg, der tolle Aussichten auch auf die (ehemaligen) Tagebaugebiete eröffnet, nicht gänzlich verschwindet. Nicht vergessen sollte man die Blütenpracht, die einem hier oben begegnet. Besonders schön sind die Bestände des Echten Dost, die zahlreiche Schmetterlinge anlocken. Unten angekommen, geht es in eine Art Bodepark, der wohl vor längerer Zeit eingerichtet wurde und etwas in Vergessenheit geraten ist. Trotz des permanenten Lärms vom Kalkwerk Rübeland ist es besser, hier zu laufen als auf der Straße. Einen markanten Felsen am Bielstein erkennen wir hinter ein paar Häusern und eine kleine Höhle auf dem Weg an der Bode. In der Burgstraße finden sich einige interessante Häuser und am Ende führt ein fast vergessener Pfad zu einem Glockenturm aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auch hier kümmern sich nur noch wenige um das, was um sie herum ist. Aber schicke Autos haben sie fast alle. Wir steigen hinauf zur Burgruine Birkenfeld. Die ist begehbar, überschaubar und eventuell verantwortlich für den Namen Räuberland. Nach diesem Ausflug in schwindellose Höhen wandern wir auf einem kleinen Pfad hinab ins Zentrum von Rübeland.

Blick vom Schornsteinberg

Blick vom Schornsteinberg

Hier ist zur falschen Zeit, zum Beispiel an einem Sonntag bei strahlendem Sonnenschein, die Hölle los. Niemand sieht niemanden, alle hetzen von einer Höhle zur anderen und rennen alles über den Haufen, was ihnen dabei im Weg steht. Jede Fress- und Saufbude ist gerammelt voll und alle glotzen auf und texten in ihre Handys. Arme Teufel, für die aber meistens jede Hilfe zu spät kommt. Wir bahnen uns als einzige Wanderer vorsichtig einen Weg durch die Meute und erreichen hoffentlich an Körper und Geist unversehrt unseren Aufstieg an der Baumannshöhle. Ob wir in einer der Höhlen waren, weiß ich nicht mehr. Es gibt so viele davon in Deutschland, das ich den Überblick verloren habe. Am Aufstieg kommen einem noch einmal etliche Höhlenbewohner entgegen, dann ist wieder Ruhe. Uns erwartet ein weiterer schöner Weg, der mal im Wald verläuft, mal an der Wiese entlang. So erreichen wir entspannt den Schornsteinberg, an dem mehrere Bänke und Aussichten warten. Mit etwas Glück erkennt man den gemauerten Abschluss eines über 50 Meter hohen “Schornsteins”, der bis zum weiten Weltkrieg zu einer Verkohlungsanlage gehörte. Wir gehen weiter zum Peersgrund. Der Weg dorthin ist ab Betreten des Waldes teils mäßig wanderbar. Hier müssen vor einigen Jahren die Wald-Terminatoren heftig gewütet haben, was am nachwachsenden Wald gut erkennbar ist. Nach heftigen Regenfällen sind hier teils großflächige Pfützen (siehe Foto). Einen kürzeren Alternativweg über die Wiesen habe ich eingezeichnet. Durch den Peersgrund geht es zurück zum Blauen See, wo zumindest wir noch ein Blaues Wunder in Form von Massentourismus erlebten.

Am Ende eines Tages...

Eine unerwartet schöne, abwechslungsreiche und spannende Wanderung, die wir viel zu lange vor uns hergeschoben haben. Zwei etwas schwierige Passagen am Bielstein und am Ende, ansonsten sehr schöne Wege und Pfade. Viel gäbe es zu berichten, aber die neue Würze ist die Kürze. Wer Interesse an Bergbau hat und kulturhistorischen Begebenheiten, wird auf seine Kosten kommen. Aber auch für Naturliebhaber gibt es einiges zu entdecken und das nicht nur im Naturschutzgebiet. Das raue Land hat uns in seinen Bann gezogen und wir werden in der Gegend hoffentlich noch einiges erkunden dürfen.

P.S.: Man muss allerdings auch sagen, dass (vielleicht) aufgrund der Sogwirkung der massentouristischen Angebote – die ja auch für den Schotter sorgen – das Wandern hier etwas stiefmütterlich behandelt wird. Zahlreiche Schilder sind verblasst, erneuert wurde anscheinend nur der Harzer Hexensteig. Bleibt zu hoffen, dass letztendlich im Harz nur ein paar Dutzend massiv beworbene und massentouristisch ausgebaute Gebiete übrigbleiben. Viel Spaß und immer einen Fußbreit festen Boden unter den Füßen.

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