An der Oker

An der Oker

Die Mai-Urlaubswoche war regnerisch, am Wochenende sollte es windig bis stürmisch werden. Also mal besser nicht in die Wälder, dachten wir uns. Der Sturm war zwar für den Niedersachsen nur ein laues Lüftchen am Sonntag, aber wir waren nicht traurig, dass wir endlich mal wieder das schöne Okertal außerhalb des Harzes besuchen konnten. Vom Austritt des Flusses aus dem Gebirge bis ungefähr Höhe Börßum sind wir schon an der Oker gewandert, aber es ist auch schon wieder lange her. Zwischen Oker und Vienenburg haben wir zuerst 2012 eine Rundwanderung vom Kloster Wöltingerode aus gemacht, dann mangels fahrbaren Untersatzes 2016 das Ganze als Streckenwanderung. Da uns die Strecke besser gefallen hat, haben wir es dieses Mal auch wieder so gemacht. Wer möchte, kann zuerst wandern und dann Zug fahren. Wir nehmen eigentlich immer lieber erstmal den ÖPNV, weil wir dann am Ende nicht rennen oder warten müssen, sondern wieder am Auto ankommen. Wer möchte, kann die Runde auch in Vienenburg starten. Dem steht nichts entgegen, außer vielleicht, dass die Partie am Vienenburger See schon etwas erlebnisreicher ist. Dafür ist da dann bei Kaiserwetter auch entsprechend Party angesagt. Was wir heute erleben, ist eine schöne Flusslandschaft, nämlich die der Oker. Ähnlich wie die ebenso schöne Innerste kommt die Oker aus dem Hochharz und ist durch den Bergbau der vergangenen Jahrhunderte immer noch mehr oder weniger mit Schwermetallen belastet.

Die Innerste entspringt am Entensumpf nahe der Berg- und Universitätsstadt Clausthal-Zellerfeld, einem der Zentren des ehemaligen Oberharzer Bergbaus. Die Oker entspringt nur wenige Kilometer entfernt am Bruchbergmoor südöstlich der (Ehemals Freien) Bergstadt Altenau. Den Bergort durchfließt sie, füllt dann den bekannten Okerstausee, um das von ihr erschaffene und wildromantische Okertal zwischen dem Königreich Romkerhall und der Stadt Oker zu durchqueren. Den folgenden Abschnitt zwischen der ehemaligen Hüttenstadt und Vienenburg begehen wir heute. Danach geht es für den Harzfluss weiter über Wolfenbüttel und Braunschweig, bis er schließlich bei Müden in die Aller mündet. Unsere heutige Tour ist eigentlich recht vielgestaltig. Wir wandern durch Oker, wobei wir aber nicht viel mitbekommen, dann geht es entlang einiger umgenutzter, ehemaliger Hüttenwerke, von denen wir auch nur recht wenig sehen. Hinter der Bundesstraße 6 kommen wir dann in das Naturschutzgebiet Okertal südlich Vienenburg, das von zahlreichen ehemaligen Kiesteichen geprägt ist. Auch diese erleben wir nur, wenn wir das wollen. Bei Vienenburg, von dem wir auch nicht allzu viel zu Gesicht bekommen, erleben wir trotz der Nähe zum Ort im Naturschutzgebiet Oker- und Eckertal in den Landkreisen Goslar und Wolfenbüttel (sperriger Name!), ebenfalls eine teils erstaunlich naturnahe Oker. Dabei bewegen wir uns am Rande des Harly und nehmen einen Weg, den wir auch schon von unserer Harly-Wanderung kennen. So, auf los geht’s los!

Oker - Liebe auf den zweiten Blick

Oker - Hütten, Berge und wilde Romantik

Als wir dieses Mal in Oker starteten, begegneten wir einem Spaziergänger aus dem Ort, mit dem wir kurz ins Gespräch kamen. Er sagte, dass Oker zu Unrecht einen etwas “schmuddeligen” Ruf hat. Da waren wir vollkommen einer Meinung. Als wir hier vor über zwanzig Jahren herkamen, brachten wir dieses Vorurteil mit – und begruben es auch hier. Mittlerweile sind wir rund um Oker oft laufen gewesen und haben faszinierende Landschaften kennengelernt, die es im zentralen Harz so nicht gibt. Natürlich ist der Ort durch den Bergbau und das Hüttenwesen geprägt und keine Schönheit wie Rothenburg ob der Tauber. Aber rund um den Ort, der bestimmt auch schöne Fleckchen hat, gibt es etliches zu erleben und zu erwandern. Bisher nicht eingestellt sind der Sudmerberg, der nördlich an den Ort grenzt und die Gegend des Bollrich, westlich von Oker in Richtung Goslar gelegen. Hier haben wir jeweils mehrere Touren in den letzten zehn Jahren absolviert. Ersterer ist ein kleiner, aber feiner und aussichtsreicher Berg, zweiteres ein ehemaliges, weitestgehend renaturiertes Bergbaugelände mit faszinierenden Landschaften, die man nicht erwarten würde. Eingestellt habe ich eine sehr kurze Wanderung am östlich gelegenen Langenberg, die sich über ein ehemaliges Bergbaugelände und ein Naturschutzgebiet erstreckt. Südlich von Oker findet man dann noch eines der bekanntesten Ziele des Harzes, das wildromantische Okertal zwischen Oker und dem Königreich Romkerhall. Wer diese vier Gebiete und vielleicht noch mehr kennengelernt hat, der kann und darf Oker gerne mit anderen Augen sehen.

Fügen wir also heute dem “Wanderparadies” Oker eine weitere Tour hinzu. Von Vienenburg sind wir eine Station weit mit der Bahn gefahren und am Bahnhof Oker gestartet. Premiere: Zum ersten und hoffentlich zum letzten Mal mussten wir uns im Rahmen einer Wanderung den Papierfetzen vors Gesicht kleben. Am Bahnhof gibt es erstmal nicht allzu viel zu sehen, darum gehen wir die paar Meter bis zur Siedlerstraße, die uns flugs zur Oker führt. Die lassen wir jetzt auch erstmal mehrere Kilometer nicht aus den Augen, in der Nähe bleiben wir fast bis zum Schluss. Die Promenade zieht sich eine ganze Weile, sie zieht sich übrigens in der anderen Richtung etwas “tiefergelegt” mitten durch den Ort. Dort kann man recht entspannt laufen, wenn man eine Tour ins Okertal nach Romkerhall macht und vom Bahnhof startet. Wir gehen in die andere Richtung und erreichen die Promenade an der Eisenbahnbrücke. Das haben die Verantwortlichen doch sehr schön hinbekommen und diese Partie stimmt gut auf spätere Erlebnisse ein. Der Weg ist im direkten Umfeld parkähnlich bepflanzt und mit mehreren Sitzgelegenheiten ausgestattet. Erst gehen wir am linken Ufer, dann wechseln wir einmal die Seite. Dass wir uns zwischen einem metallverarbeitenden Betrieb und den Halden einer der ehemals in Oker ansässigen Hüttenwerke befinden, lässt sich kaum feststellen. Hinter der zu überquerenden Landstraße 518 wird es dann noch ruhiger, obwohl wir uns weiterhin zwischen Halden und dem Wohngebiet Steinfeld am Fuß des Sudmerberges bewegen.

An der wilden Oker

An der wilden Oker

Hier kann man zur rechten Zeit die typische Vegetation der hier vorkommenden Schwermetallrasen finden, die uns an einigen Stellen entlang der Oker erwartet. Wegen Wind und mangelnden fotografischen Fertigkeiten konnten wir noch nicht viele anständige Fotos während der bereits absolvierten Touren produzieren. Typische Bewohner sind zum Beispiel Galmei-Veilchen, die Galmei-Grasnelke und die Galmei-Frühlings-Miere. Begleitende Pflanzen, die sich ebenfalls den harten Bedingungen anpassen konnten, sind unter anderem das Sonnenröschen, verschiedene Leimkräuter, der Sandthymian und Gewöhnlicher Natternkopf. An (mindestens) einem Teich an der Grillo Zinkoxid GmbH wächst unter anderem auch die Schwanenblume. Die Landschaft ist parkähnlich, kann zu mancher Zeit karg wirken, hat aber Charme, eben auch, weil man diese Landschaften nicht überall finden kann. Einige Gebäudereste zeugen von der einstmaligen Nutzung, die Beseitigung der überall vorkommenden Altlasten des Bergbaus wird wohl noch lange Zeit andauern. Wir bewegen uns hier durch das sogenannte Steinfeld, ein grundwasserreiches Gebiet, das wir die ganze Zeit live erleben dürfen. Genau in diesem offenen Bereich erreichten uns dann die ersten, aber leider nicht letzten Regenschauer beziehungsweise kurzen Platzregen der ersten Hälfte des Tages. Da kam kurzzeitig aber auch heftig was runter. Also mussten wir immer wieder den Wanderstock gegen den Schirm tauschen und kurz die Dusche abwarten. Die auf einer Brücke das Okertal überquerende Bundesstraße 6 unterqueren wir an einer landschaftlich reizvollen Stelle und gelangen schließlich in das erste von zwei Naturschutzgebieten des Tages, in das “Okertal südlich Vienenburg”.

Die Naturschutzgebiete im Okertal

Zwischen Oker und Schladen liegen in zwei Bundesländern drei Naturschutzgebiete im Verlauf der Oker. Auf dieser Tour durchwandern wir zwei von ihnen.

Das Naturschutzgebiet “Okertal südlich Vienenburg” ist 205 Hektar groß und erstreckt sich zwischen Oker und Vienenburg im Steinfeld. In diesem Überschwemmungs- und Geschiebeablagerungsbereich finden sich zahlreiche ehemalige und noch in Nutzung befindliche Kiesteiche. Diese bieten bedrohten Vogelarten, die am und auf dem Wasser leben, einen geeigneten Lebensraum. Dazu zählen unter anderem Hauben- und Zwergtaucher, Eisvogel und Mittelsäger. Andere Vogelarten sind der Neuntöter, Uhu, Rohrweihe und Rot- und Schwarzmilan. Auch der Fischotter soll in den naturnahen Bereichen im südlichen Teil des Gebietes leben.

Das Naturschutzgebiet “Oker- und Eckertal in den Landkreisen Goslar und Wolfenbüttel” ist 385 Hektar groß und erstreckt sich von Vienenburg bis nach Schladen. In dem von uns begangenen Abschnitt an der Oker steht der mäandrierende, schnell fließende Flusslauf der Oker mit seinen Schotterbänken, Flutmulden und Altwässern unter Schutz. Weichholzauenwälder prägen einige Teile des Naturschutzgebietes, das eine ähnlich reiche Vogelwelt unter Schutz stellt wie das oben genannte. Zusätzlich genannt werden auf den Seiten des NLWKN noch weitere Arten, wie der Schwarzstorch, mehrere Spechtarten, der Wendehals, der Pirol und etliche andere.

Beide Naturschutzgebiete dienen auch als Wanderkorridor, zum Beispiel für die Wildkatze oder den Fischotter, die hier über den Harly das weitere nördliche Harzvorland erreichen können.

Flusslandschaft aus zweiter Hand

Flusslandschaft aus zweiter Hand

Das Naturschutzgebiet Okertal südlich Vienenburg erstreckt sich hauptsächlich über das Gebiet ehemaliger Kiesteiche und umfasst somit wohl mehr Wasserfläche als Landfläche. Somit sind auch am, auf dem und im Wasser lebende Tiere einer der Hauptschutzzwecke. Zahlreiche Wege, unter anderem an beiden Uferseiten der Oker, durchziehen das Gebiet und viele der Teiche lassen sich zudem umrunden. So sind der eigenen Fantasie hinsichtlich der Route nur lockere Grenzen gesetzt. Wir sind zumindest in der Hinsicht etwas konservativ beziehungsweise gehen heute wegen des Genusses eher kürzere Strecken. Darum wählten wir bislang immer einen der Wege direkt an der Oker. Trotz des kanalartigen Ausbaus des Harzflusses in diesem Bereich ist das eine schöne Flusslandschaft, die mit zahlreichen und abwechslungsreichen Begegnungen in Sachen Flora und Fauna aufwarten kann. Verschiedenste Gehölze lassen teilweise den Eindruck einer von einem Wasserlauf durchzogenen Parklandschaft entstehen. Auf den durch kurze Abstecher erreichbaren Teichen kann man zur rechten Zeit die reichhaltige Wasservogelwelt beobachten. So ist dieser Mittelteil des heutigen Tages, die Beschreibung kann der Realität eh nie das Wasser reichen, sehr schön. Zwei Brücken über die Oker lassen verschiedene Wege zu, der von uns getrackte führt auf den schmaleren, freundlicheren Wegen durch das Gebiet. Hinter der zweiten Okerbrücke verlassen wir das Naturschutzgebiet “Okertal südlich Vienenburg” und betreten auf der anderen Straßenseite sofort das Naturschutzgebiet Oker- und Eckertal in den Landkreisen Goslar und Wolfenbüttel.

Als Liebhaber dieser geschützten Zonen haben wir schon viele Namensgebungen gesehen, diese ist wohl mit Abstand die sperrigste. Das tut der Schönheit der zu erlebenden Natur aber keinen Abbruch. Es geht jetzt wieder direkt an der Oker weiter und wir verlassen das Naturschutzgebiet des Tages erst kurz vor Erreichen des Bahnhofs in Vienenburg. Die Oker präsentiert sich hier noch einmal von ihrer wilderen Seite. Manche Abschnitte erwecken den Eindruck, man würde sich ganz woanders befinden. Allerdings ist rund um den Vienenburger See immer etwas los, sodass man eigentlich nie den Eindruck von Wildnis bekommen kann. Von der Oker aus ist der Kirchturm des nahegelegenen Klosters Wöltingerode zu erkennen. Dieses hat sich touristisch in den letzten Jahren sehr gemausert und ist mit Restaurant, Krug, Hotel, Lachs-Infocenter und Brennerei (mit Führung und Verkauf) einen Ausflug wert. Von hier aus geht es auch hervorragend in den schönen Harly. Da wir sie heute nicht erreichen, sei an der Stelle auch die Burgruine Vienenburg empfohlen, die mittlerweile besichtigt werden kann und deren 24 Meter hoher Bergfried zum Aussichtsturm ausgebaut wurde. Wir sind an der Oker am Rande des Harly unterwegs und im Bereich des Vienenburger Sees kann man sich wieder seine liebsten Wege selbst suchen. Um ein wenig dem Seetrubel zu entgehen, gehen wir meist an der ersten Okerbrücke auf einen der Wege am linken Ufer. Oberhalb im Wald kann man eventuell die Gebäude des Schachtes II des ehemaligen Kaliwerks Vienenburg ausmachen.

Wildromantische Oker

Wildromantische Oker

Der oberhalb unserer Pfade gelegene Hercyniaweg verläuft an einer ehemaligen Bahnstrecke, die Schacht I bis III miteinander und mit weiterführenden Bahnstrecken verband. Der beeindruckenden Anlage im Heistern bei Immenrode sind wir auf unserer Harly-Wanderung bereits begegnet. Weiter geht es durch die schöne Flusslandschaft der Oker. Die hat hier jede Menge zu bieten, sodass der weitere Weg zum Genuss wird. Letztendlich erreichen wir die Straße, die nach links zu den gut erkennbaren Gebäuden des ehemaligen Schachtes I des Kaliwerks führt. Hier stehen auch noch die Pfeiler, auf denen die ehemalige Eisenbahnbrücke ruhte. Über den großen Parkplatz am Ostende des Vienenburger Sees nehmen wir den Promenadenweg am See. Vorbei am Café Rosarium am Ufer des Sees geht es zurück zum Ausgangspunkt am Bahnhof Vienenburg. Das Bahnhofsgebäude von 1840 gilt als eines der ältesten erhaltenen Empfangsgebäude Deutschlands und beherbergt neben einem Eisenbahnmuseum auch ein Café, in dem man zum Abschluss einkehren kann.

Am Ende eines Tages...

Das ist Teil der Faszination und des großen Abwechslungsreichtums des Harzes. Das zentrale Massiv punktet unter anderem mit schönen Bergdörfern und Städten, einem wunderschönen Nationalpark, dem höchsten Bergmassiv Norddeutschlands, teils uriger Natur, alten Bergbaurelikten wie dem von der UNESCO unter Schutz gestellten Oberharzer Wasserregal, vielen Bergwerken und vielem, vielem mehr. Der Harzrand und das Harzvorland, im Süden wie im Norden, bieten aber nicht minder spannende Erlebnisse, wie zum Beispiel die bei Oker. Einen Fluss, zahlreiche Teiche, Berge und Wälder haben wir erleben dürfen und sind zahllosen kleinen “Sehenswürdigkeiten” in Sachen Natur und Kultur begegnet. Während die Welt der Menschen anscheinend immer mehr aus den Fugen gerät, kann man hier draußen die schöpferische Kraft erleben, die dieser Welt in Wirklichkeit innewohnt und die sich um die Possierlichkeiten der selbsternannten Krone der Schöpfung kein bisschen schert. Wie oft schon haben sich Menschen unter dem Deckmäntelchen von Religion, Politik oder Wissenschaft immer mehr Geld und Macht unter den Nagel gerissen? Und wozu? Immer einen Fußbreit festen Boden unter den Füßen und bleibt auch geistig gesund.

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