Östliche Stadtmauer in Lügde

Östliche Stadtmauer in Lügde

Jau! Das war es erst einmal mit über sieben Monaten am BFW Bad Pyrmont! Letztendlich ist bisher immer noch kein “leidensgerechter” Job dabei herausgekommen aber ich bin trotzdem um einige Erfahrungen reicher zurückgekehrt. Einige davon sind in diese Wanderung eingeflossen, die ich alleine (und mit meiner Maus auf Besuch) in Etappen oder im Ganzen mehrfach gegangen bin. Leider kam mir dann der Winter dazwischen (was eigentlich nur eine Ausrede ist), so dass ich nicht in der Lage war, noch weitere Wege in der Umgebung Pyrmonts, von mir im weiteren Verlauf des Öfteren (nicht respektlos) als “Bad Pü” bezeichnet, ausreichend zu erkunden. Der Höhenzug nördlich von Bad Pü wird von uns aber garantiert in den nächsten Jahren in Angriff genommen, weil ich dort einige tolle Wege “entdeckt” habe. Ostwestfalen-Lippe ist wunderschön … aber! Es war für uns schon immer eines der Hauptprobleme bei Touren in den erreichbaren Gegenden Westfalens, dass dort aufgrund der wohl noch historischen Siedlungsweise mit vielen kleinen Gehöften und Einzelhöfen, nahezu alle Wege, auch Feld- und viele Waldwege, “barrierefrei” befestigt bis asphaltiert sind. Wir sind damals ohne Auto mit dem Zug durchs Emmertal zwischen Emmerthal und Steinheim gefahren und waren begeistert von dieser schönen Landschaft, die sich dann manchmal als schwierig begehbar erwies.

Gesehen, getan! Wir liefen also von Emmerthal nach Pyrmont/Lügde, von dort nach Schieder, von dort nach Steinheim und machten etliche Wanderungen bei Vinsebeck, Blomberg, Altenbeken, Schwalenberg und in anderen Gegenden. Wir waren betäubt von der Landschaft, von den schönen Orten, aber auch teilweise enttäuscht von den Wegen und Wäldern. Auch hier bei Lügde haben wir mehrere Wanderungen absolviert, von denen ich dann nur eine einzige auf der alten Site eingestellt hatte. “Mein Gott, wenn das wirklich so ist, warum sollte ich dann hier wandern gehen?”, wird sich jetzt der ein oder andere fragen. Weil wir keine profunden Kenner der Gegend sind und es vielleicht noch kleine Pfade und schnufflige Ecken gibt, die wir nicht kennengelernt haben, weil wir vielleicht damals zu verwöhnt waren und mittlerweile die Dinge mit anderen Augen sehen. Weil jeder die Welt mit seinen eigenen Augen sieht und es manch einem halt weniger ausmacht oder er es sogar als angenehm empfindet, auf befestigten Wegen zu gehen. Fazit: Diese Wanderung verläuft nahezu durchgehend auf befestigten und oft auf asphaltierten Wegen und doch bietet sie mehr als ausreichend Sinnesreize und geistige Nahrung für ein wanderbares Erlebnis einer Landschaft unserer Heimat…

Blick zum Osterberg

Blick zum Osterberg

Los geht es am Bahnhof Lügde, der gleich mit dem schönen Café “Tender” aufwarten kann. So kann erfolgversprechende Bahnhofsgastronomie aussehen. Ein paar Meter in Richtung Innenstadt, dann biegen wir bereits nach links auf den Weg an der historischen Stadtmauer ab. Ein kleines Kuriosum am Rande: Mit einer Kollegin vom BFW saß ich hier nach einem Spaziergang auf der ersten Bank. Als ich ein paar Tage später dann noch einmal alleine dort war, war die Bank gegen eine neue ausgetauscht worden. Das ist mir dann am Osterberg noch einmal passiert. Alleine auf einer Wanderung saß ich auf einer alten Bank unter einem Baum. Als ich eine Woche später mit meiner Freundin dort entlang kam, war auch diese gegen eine neue Bank ausgetauscht worden. Was soll uns das sagen? Keine Ahnung! Lügde ist auf jeden einen Besuch wert, einen eigenen Beitrag irgendwann einmal, darum nur eine kurze Beschreibung des Anfangs unserer Tour. An der im Süden begrünten Befestigungsanlage mit schönen Einblicken in die Altstadt geht es los. Für die gut erhaltene Stadtbefestigung und seine historische Altstadt ist Lügde bekannt und berühmt für den alljährlich hier stattfindenden Osterräderlauf. Dieser sich wahrscheinlich aus germanischen Zeiten herleitende Brauch ist offiziell seit 1743 bekannt, als ein umtriebiger Generalvikar erfolglos den Lügdern das Kokeln zu Ostern verbieten wollte. Informationen zum Osterräderlauf findet man z.B. auf der Site des Dechenvereins Lügde, weitergehende Infos auch im Heimatmuseum mit angeschlossenem “Museumscafé”.

Wir stromern also an der Stadtmauer entlang bis zur südlichen Spitze der alten Stadtbefestigung und stürzen uns dann ins “Getümmel” der Stadt. Unser Weg führt durch einige der schönen Ecken der Stadt, aber beileibe nicht alle. Jede Menge Fachwerk-Dielenhäuser gibt es zu bestaunen, bevor wir über den Marktplatz den Ort wieder verlassen. Das tun wir dann über die Emmerbrücke, an der wir den zweiten erhaltenen Turm der Stadtmauer, den Brückentorturm passieren. Links und rechts der Brücke lädt der 2011 angelegte Emmerauenpark mit Bänken oder Hängematten noch einmal zum kurzen Verweilen ein. Auf dem Rambergsweg, links eine von zwei Naturdenkmalen eingerahmte kleine Kapelle, geht es zu den Hängen des Osterberges im Eschenbachtal. An einer netten “Eckbank” geht es dann nach rechts auf den Osterberg, von dem aus heutzutage der Osterräderlauf stattfindet. Am Osterkreuz mit seiner antifaschistischen Geschichte haben wir eine schöne Aussicht, finden Informationen, eine Schutzhütte und eine dieser höchst empfehlenswerten Liegebänke. Wir nennen sie manchmal heute noch “Rothaarbänke”, weil wir solch famose Ruheplätze das erste Mal im Urlaub 2001 am Rothaarsteig genießen durften.

Blick ins Naturschutzgebiet Emmertal

Blick ins Naturschutzgebiet Emmertal

Weiter geht es in die jetzt immer deutlicher werdende Wiesenlandschaft am Osthang von Oster- und Ramberg. Bei unserem Besuch im September war hier nicht allzu viel zu “holen”. Lediglich letzte Überreste des hier wohl häufig vorkommenden Echten Dost säumten immer wieder den Weg. Auf den Wiesen tummeln sich allerlei freundliche Viecher wie Kühe und Schafe. Auf einigen Feldern am Hang steht leider der nicht sehr wanderfreundliche Mais. Trotzdem gibt es sehr schöne Aussichten über das Emmertal mit seinem Naturschutzgebiet bis in die Gegend um Bad Pyrmont. Am schön gelegenen Hotel “Kempenhof” mit seinem tollen Außenbereich kann man die Tour auch noch bis nach Hagen verlängern. Von der Hochfläche dort hat man teils erstaunliche Aussichten ins Weserbergland bis hin zum Köterberg. Ich habe diese Streckung einfach mal weggelassen, weil der (zu) breite Weg am Golfplatz teils (zu) gut befahren ist.

Hinter dem Kempenhof geht es weiter aussichtsreich durch die Wiesenlandschaft. Rechterhand am Weg liegen die nahezu unzugänglichen Naturschutzgebiete “Winzenberg” (NRW) und später “Nagelbrink” (NS) mit ihren Halbtrockenrasen, Mager- und Fettwiesen. Hier kann man zur rechten Zeit bestimmt das ein oder andere außergewöhnliche Tier oder die ein oder andere ungewöhnliche Pflanze antreffen. Unser Bergweg endet an einem herrlichen Sichtbänkchen unter einem alten Baum. Hier war ich einige Male vom BFW aus und habe den schönen Blick auf Bad Pü und seine umgebende Landschaft genossen. Der Weg ist allerdings ein kurzer Lungenprüfer. Da haben wir (ausgenommen vielleicht die Kniegelenke) es jetzt besser, weil wir ihn bergab gehen dürfen. Unser Weg führt uns an einem einsam gelegenen Gehöft vorbei, an dem noch ein wunderbares Plätzchen zur aussichtsreichen Rast einlädt. Dann geht es unvermeidbar hinab ins Flachland, kurz an der Straße entlang, vorbei am Wasserwerk von Bad Pü zur Hamborner Mühle. Auf dem wahrscheinlich uralten Mühlenplatz in einer kleinen, grünen Oase, wurde 1912 die letzte Wassermühle in eine Gastronomie umfunktioniert. Auch ein schönes Plätzchen zur Einkehr am alten Mühlteich.

Hinter der Mühle führt uns ein Birkenpfad vorbei an der Kompostanlage der Stadt zum Berufsförderungswerk Bad Pyrmont. Das BFW Goslar liegt für meinen Geschmack noch einen Tick netter am Rande des Harzes, aber auch hier war ich bei der Anreise erfreut, wie naturnah das Gelände gelegen ist. Ausflüge in die Emmerwiesen bis nach Lügde oder zum Hamberg gehören da zum Standardprogramm für den naturbedürftigen “Geförderten”. Das machen wir dann auch gleich mal. Am Parkplatz des BFW und an einem Pferdehof vorbei geht es durch den Höpperbrückenweg hinaus aus Bad Pü, bevor wir überhaupt richtig angekommen sind. Bei Hochwasser ist es hier im “Bermuda-Dreieck” von Hambornbach, Mühlenbach und Emmer während meines Aufenthaltes einige Male zu Überschwemmungen der Straße gekommen. Im Bach kann man oft früh morgens und spät abends zutrauliche Graureiher aus nächster Nähe beobachten. Sollte man übrigens irgendwo in Bad Pyrmont ein seltsames Tiergeräusch hören, das sich immer gleich weit entfernt anhört, egal an welchem Ende der Stadt man gerade ist, so handelt es sich höchstwahrscheinlich um die Siamang des nahen Tierparks Bad Pyrmont.

Am Alten Weidenmann

Am Alten Weidenmann

Hinter der Emmerbrücke folgt der letzte Abschnitt des heutigen Tages, das Naturschutzgebiet “Emmertal”. Fast unbemerkt haben wir bisher dreimal die Ländergrenzen zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen überquert und werden es noch zweimal tun. Dummerweise ist hier nicht, wie oft üblich, der Fluss die Grenze, sondern sie verläuft ein wenig im munteren Zickzack-Kurs durch die gefällige Landschaft. Eine solche Landschaft sind die auf beiden Seiten der in früheren Zeiten bedeutungsvolleren Grenze verlaufenden Emmerwiesen auf jeden Fall. Die Emmer als naturnahes Gewässer hat hier die Rahmenbedingungen für eine erlebenswerte und schützenswerte Landschaft geformt. Die überwiegend als Grünland genutzten, reich strukturierten Wiesen mit hohem Altbaumbestand schaffen einen Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen, darunter Silberreiher, Sumpf-Dotterblume, Weißstorch, Eisvogel, Schlangen-Knöterich oder Neuntöter. Zahlreiche Zugvögel aller Art nutzen die Wiesen und sogar der Große Brachvogel ist hier schon als Gast beobachtet worden. Nach Überquerung der Emmerbrücke nehmen wir nicht den ersten Weg nach rechts, der eindeutig der schönste Emmerwiesen-Weg nach Lügde ist. Wir nehmen auch nicht den ersten Weg nach links, der zum Tierpark und zur Tourist-Info Pyrmont führt und wir nehmen auch nicht den asphaltierten Radweg geradeaus nach Lügde, den man wandertechnisch als barrierefrei, aber auch “langweilig” ansehen darf. Wir nehmen den zweiten Weg nach links, der uns an der Bundesländergrenze zum Bahnhof Bad Pyrmont führt.

Fast ein wenig in Vergessenheit geraten scheint dieser Weg, denn wenn im Sommer der Bär brummt in den Wiesen, ist hier immer noch fast gar nichts los … obwohl dieser Weg aus meiner Perspektive der schönste zwischen “Lü” und “Bad Pü” ist. Ein auf weiter Strecke geschotterter Weg mit breitem Grünstreifen in der Mitte, rechts und/oder links mit Sträuchern und schönen Bäumen bestanden. Die wassergefüllten Gräben zeigten selbst Ende August noch eine hohe Vegetationsdichte. Ein alter Grenzstein des Fürstentums Westphalen stellt eigentlich die einzig deutliche Markierung für den Umstand dar, dass wir heute zwischen zwei Bundesländern pendeln. Am Ende des Tages erwartet uns dann, wieder hart an der Ländergrenze, die meistens gar nicht so leichte Überquerung der L429 (NS) / L614 (NRW). In der Straße “Am Güterbahnhof” steht noch eine sehenswerte Holzhandlung mit einem mit Efeu überranktem Schornstein und schönem Wohngebäude, das von der Landstraße aus gesehen noch schöner ist. Schließlich erreichen wir am Bahnhof Bad Pyrmont das Ende der Reise. Der ist zwar optisch ziemlich in die Jahre gekommen, aber in der warmen Jahreszeit ist er durch einige schöne Palmen dekoriert.

Am Ende eines Tages...

Mein Aufenthalt in Bad Pü war auf jeden Fall sehr interessant. Keine andere Stadt, die ich bisher in der Heimat kennenlernen durfte, ist derart offensichtlich im Strukturwandel wie das einstmals mondäne Staatsbad. In der Innenstadt ist der stetige Aufstieg und Fall bestens zu erleben. Hier stehen frisch renovierte Villen neben langsam verfallenden Gebäuden. In einer Stunde aufmerksamer Fotosession entdeckte ich über ein Dutzend großer Häuser, Villen und Hotels/Kliniken, die langsam ihren Geist aufgeben. Das ist traurig, aber halt auch der letztendlich unaufhaltsame Lauf und Verfall aller Dinge. Gruselig ist auch das Schicksal der am Wald gelegenen Bomberg-Klinik, von der aus man einen schönen Gang in den Pyrmonter Wald machen kann. Es gibt z.B. ein paar in Vergessenheit geratene Schnuffelwege und die lungenprüfende Rampe zum Spelunkenturm. Nach deren Bewältigung hat man sich eine Einkehr in der Sennhütte redlich verdient. Alles in allem ist Bad Pyrmont eine spannende Stadt und hat eine ebensolche spannende Umgebung, die auf jeden Fall erkundet werden will…

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