Blick zum Kloster Wöltingerode

Blick zum Kloster Wöltingerode

Nach den Premium-Frühlingstouren im Salzgitter Höhenzug und am Ith sollte es mal ganz entspannt in den Harly gehen, den wir zu dieser Jahreszeit noch nicht erwandert hatten. Und was war das dann letztendlich für ein Wandergenuss und “würdiger” Abschluss für die Saison der Frühblüher. Da ändere ich sogar die Absicht, den bereits vorhandenen Beitrag zum Harly anzupassen und schreibe einen komplett neuen. Das Kloster Wöltingerode, im 12. Jahrhundert als Benediktinerkloster gegründet und heute auf verschiedenste Weisen genutzt, gemahnt mich immer daran, wie sehr die Automobilität seit 15 Jahren unseren Horizont auf der einen Seite eingeengt, auf der anderen aber auch erweitert hat. Das Kloster hatten wir wegen der Schwierigkeiten, die sich durch die Nutzung des ÖPNV ergeben, vorher nie besucht. Als wir es damals taten, war der Ort noch ein kleiner Geheimtipp. Es brummte hier noch nicht so sehr der Bär und etliche Teile des Klosters verströmten noch mehr das Flair des Maroden. Heute ist hier an manchen Tagen die Hölle los. In Zeiten von Covid-19 ist es wieder etwas ruhiger und die Wanderung kann entspannter angegangen werden. Der dem Harz vorgelagerte und an seiner höchsten Stelle gerade mal knapp 256 Meter hohe Harly ist ein faszinierender kleiner Höhenzug, der mit viel Natur und Kultur aufwarten kann. Ein 60-seitiges Heft mit Informationen zu zahlreichen Aspekten des Harly kann zum Beispiel beim Herausgeber BUND Westharz heruntergeladen werden.

Seinen Namen hat er von der 1203 als Reichsfeste von König Otto IV. errichteten Harliburg, die bereits 1291 erobert, geschliffen und später abgetragen wurden. Aus ihren nahezu komplett abgetragenen Steinen wurden unter anderem Teile der Wasserburg Wiedelah und der Burg Vienenburg errichtet. Erstaunlich, wie eine gewaltige Reichsburganlage wie diese komplett verschwunden ist. Auf Rekonstruktionszeichnungen kann man erahnen, wie sich diese Königsburg einst mit mehreren terrassenartig vorgelagerten Wallanlagen am Burgberg hinaufzog. Nach dem doch teilweise seit Oktober sehr durchwachsenen Wetter hatten wir an diesem Tag strahlendes April-Wetter, so wie auch schon die Wochen zuvor. Das ist natürlich oberflächlich betrachtet schön für den Wanderer, aber es lässt auch bangen, dass nach den letzten beiden Jahren auch dieses wieder ein Dürre-Jahr werden könnte. Gerade die Gegend in und um den Harz war ja schon stark betroffen, während man bei uns in Hildesheim eher weniger mitbekam. Aber der Harly, auch einer der nahezu durchgehend mit Laubwald bestandenen Höhenzüge, sieht noch relativ gut aus. Los geht es heute auf dem kleineren Parkplatz am Kloster Wöltingerode. Von hier aus gehen wir ein Stück entlang der äußeren Klostermauer oder bei Bedarf auch über das Klostergelände. Außen kommen wir an einem zurückgezogen in die Mauer integrierten Gebäude vorbei, dessen vormaliger Zweck sich standhaft der Recherche entzogen hat.

Oberhalb der Okerbrücke

Oberhalb der Okerbrücke

Dann erreichen wir das imposante Eingangsportal des Klosters und werfen einen kleinen Blick in das schöne Innenleben. Auf der anderen Straßenseite folgen wir an Gärten vorbei dem Hercyniaweg, der an der Siedlung am Schacht II des ehemaligen Kaliwerks Vienenburg endet. Diese und auch die andere Siedlung am Schacht I bekommen wir heute nicht zu Gesicht. Nicht nur für Interessierte an Geschichte und Bergbau ist eine Exkursion zu diesen beiden außergewöhnlichen Waldsiedlungen durchaus zu empfehlen. Wir biegen jetzt nach rechts ab und erklimmen kurz den Hang oberhalb der Oker, um schon mal ein wenig durch die Randgebiete des Harly zu streifen. Ein feiner Weg durch feinen Mischwald, in dem zu rechten Jahreszeit schon das Maiglöckchen die “Charakterpflanze” darstellt. Schmal und freundlich geht es also erst einmal bis auf Höhe der ersten Okerbrücke, über die man zum Westufer des Vienenburger Sees gelangen kann. Hier an dieser Stelle sei erwähnt, dass es einige Möglichkeiten gibt, vom Kloster Wöltingerode zur Straße zum Schacht I zu gelangen, die man natürlich frei wählen kann. Wir kennen sie mittlerweile (fast) alle und der im Track verfolgte ist für uns der “schönste”, weil er weitestgehend entfernt vom zeitweilig vorhandenen Trubel am See ist. Es gibt aber auch schöne Partien direkt an der Oker und direkt am Waldrand des Harly, die man auf diesem Weg nicht so richtig zu Gesicht bekommt. Da hat jeder seine individuelle Qual der Wahl.

Vienenburg - Nicht im Abseits des Harzes

Der Goslarer Stadtteil Vienenburg hat auch neben den heute besuchten Orten – Wöltingerode, Harly, Naturschutzgebiet Oker- und Eckertal und Vienenburger See einiges in und um sein Stadtbild zu bieten. Da kann man sich dann natürlich teilweise streiten, ob dieses oder jenes noch dem Ort oder einem anderen zugewiesen werden könnte, aber das muss man nicht. Wer mit der Bahn anreist, steigt am Bahnhof Vienenburg zum Beispiel am ältesten noch erhaltenen Bahnhofsgebäude Deutschlands aus, das ein kleines Eisenbahnmuseum beherbergt. Gleich daneben der Wartesaal des Bahnhofs, der Kaisersaal, der so benannt wurde, nachdem Kaiser Wilhelm I. hier einst verweilt hatte. Heute finden dort Veranstaltungen der “Kulturgemeinschaft Vienenburg” statt. Weiter südlich im Ort findet man die Reste der Burg Vienenburg, die 1306 aus den Steinen der 1291 geschliffenen Harliburg erbaut wurde. Das Burggelände kann jetzt wieder betreten werden. Es finden Veranstaltungen statt, es gibt ein Burgcafé und der Bergfried kann an Wochenenden bestiegen werden. In Sachen Natur bestimmen die Harzflüsschen Ecker, Radau und Oker das Geschehen um Vienenburg. Hier hatten wir ja auch schon einige Touren gemacht, die wir hoffentlich bald mal wiederholen können. Von Wiedelah zum Beispiel kann man sehr gut an der Oker entlang bis Höhe Wülperode und dann an den “Okerterassen” am Hausberg zurückgehen. Eine Rundwanderung von Vienenburg ins Radautal ergibt auch durchaus Sinn, für uns war die Runde im Okertal, am NSG Okertal südlich Vienenburg, allerdings noch etwas spannender. Das ist doch schon mal eine Menge, was Vienenburg zu bieten hat und es gibt bestimmt noch jede Menge mehr.

Auf dem Höhenweg des Harly

Auf dem Höhenweg des Harly

Immer hart an der ehemaligen Bahnlinie Vienenburg-Langelsheim und den Relikten des ehemals betriebenen Bergbaus entlang geht es auf einem schmalen Weg weiter durch den wunderbaren Wald. Wir befinden uns hier bereits im bürokratisch etwas sperrig benannten Naturschutzgebiet Oker- und Eckertal in den Landkreisen Goslar und Wolfenbüttel, das wir vom Hercyniaweg bis zur Autobahn bei Wiedelah durchwandern. Im blattlosen und blattarmen Frühling hat man von hier oben noch Durchblicke und kann die Oker, den dahinterliegenden Vienenburger See und den Harz erspähen. Mit etwas Glück lugt vielleicht sogar mal der Brocken durch die Äste der Bäume. Nach wenigen hundert Metern geht es hinab zur Oker, von wo aus man auch gerne einen Abstecher zum See machen kann. Der bietet auf jeden Fall ausreichend Bänke für eine erste Rast. Wir bleiben zwischen dem Fluss und dem Höhenzug und wandern durch eine nicht natürliche, aber herrlich parkartige Landschaft an der teils urwüchsig daherkommenden Oker. Wer denkt, es könne doch noch schöner sein: Wie mag es hier einst ausgesehen haben, als am Berg Kali und am See Kies abgebaut wurde und wie schön ist es heute hier? Hoffentlich vollauf befriedigt erreichen wir die ehemalige Eisenbahnbrücke über die Straße zum Schacht I. Rechter Hand liegt der alternative Parkplatz am Ostufer des Vienenburger Sees. Jetzt lassen wir Vienenburg hinter uns, das wir eigentlich nie wirklich betreten haben und gehen weiter in die Okeraue. Die erste Bank würde ich ignorieren, denn einige hundert Meter weiter ist die perfekte Pausenbank. Links am Hang liegen einige Gebäude der Siedlung am Schacht I. Hinter der Bank kann man einen kurzen Abstecher zur Mündung der Radau in die Oker machen, die bei unserem Besuch gerade von sich invasiv ausbreitenden Neophyten befreit wurde. Empfehlen würde ich für den weiteren Weg aber den im Wald, der uns am Berg der Harliburg entlangführt. Damit verlassen wir dann die schöne Oker auch für heute.

An den steil aufragenden Hängen linker Hand lag dereinst die recht gewaltige Harliburg und es wurde auch Tagebau betrieben. Auf alten Karten ist ungefähr mittig, an dem links nach oben führenden Weg, eine Gipsmühle verzeichnet. Man kann wohl davon ausgehen, dass hier in der Nähe, am Ostende des Harly, der “Wöltingeroder Alabaster” abgebaut wurde. Der Weg ist kurz, aber fantastisch und führt durch eine urwüchsige Gegend, im Frühjahr ebenfalls durch ein grün-weißes Meer aus Bärlauch und Mieren. Am Ende gelangen wir bis kurz vor die Autobahn 36 (A395/A396?). Ein rechtes Wirrwarr irgendwie oder ich bin zu doof, um das zu kapieren. Ist aber auch nicht weiter wichtig. Wegen Baumfällarbeiten war dieses Mal der Anfang des eigentlich schmal den Harly hinaufführenden Weges breit planiert. Nach wenigen Metern auf der neben der Autobahn verlaufenden “Waldautobahn” findet man aber den Einstieg in einen irgendwie unpassend gelegenen Urwaldpfad. Hat man diesen gefunden, zeigt sich auch hier der Frühling von seiner besten Seite und begleitet von Bärlauch & Co. geht es auf den nördlichen Höhenweg und Kammweg des Harly. Von Meter zu Meter wird der anfangs noch etwas breite Weg wieder schmaler und schmaler. Eine Großrodungsfläche am Wegesrand betraf wohl den letzten größeren Bestand der Fichte im Harly. Weg damit, Laubwald wächst nach. Danach geht es wieder in den puren Frühlingswald, der vieles zu bieten hat, was den Lenz so ausmacht. Dominant ist meistens das Maiglöckchen, das hier wirklich massenhaft vorkommt. Aber auch das Gelbe Windröschen, das Buschwindröschen und der Bärlauch sind immer wieder in größeren Beständen anzutreffen. Dazu kommen noch vereinzelt die letzten Leberblümchen, Löwenzahn, Schlüsselblumen, wunderschön schillernde Frühlings-Platterbsen, Veilchen und mehr. Diese Zeit ist fast schon vorüber, aber an vielen Stellen wachsen auch schon Türkenbund-Lilien, Akelei und der Blaurote Steinsame, die alle in den nächsten Wochen und Monaten zusammen mit den Maiglöckchen das Regiment im Wald übernehmen werden.

Rastplatz unter der alten Eiche

Rastplatz unter der alten Eiche

Am Harlyturm kann man nett rasten und vom Turm, der zur Öffnung auch bewirtschaftet wird, hat man wohl einen schönen Ausblick. Zu unserer eigenen Schande waren wir noch nie oben, weil wir die engen Öffnungszeiten nie erwischt haben. Die entnimmt man am besten der entsprechenden Seite der IG Vienenburg. Allgemein gilt: Wenn die Fahne weht, dann ist geöffnet. Hinter dem Turm wird es noch einmal richtig ruhig und ebenso urwüchsig. Das ist ein wunderbar wanderbarer Abschnitt, der ebenso wie der Ithkamm jeglicher Beschreibung spottet, weswegen ich den Versuch einfach unterlasse. Irgendwann ist auch dieser letzte Abschnitt des Höhenweges zu Ende und es folgt der nicht ganz leicht fallende und auch nicht leichte Abstieg zum Weddebach. Vor dem Erreichen der Bachfurt kommen wir noch an der kleinen Waldmänneckenhöhle vorbei, die wohl nicht allzu tief ist und als Quartier für Fledermäuse dient. Dann gehen wir durch das hübsche Weddebachtal, das vor einigen Jahren “geharvestert” wurde, sich aber mittlerweile wieder gut erholt hat. Unbemerkt kommen wir am Schacht III des Kaliwerks Vienenburg vorbei und folgen dem Bach zur Landstraße 510. Wer lieber am Waldrand des Harly zurück zum Kloster Wöltingerode gehen möchte, der kann das an dieser Stelle tun und muss sich deswegen nicht ärgern. Wir verlängerten die Tour in Richtung Immenrode, weil wir damit den schönsten Abschnitt einer anderen Runde von Wöltingerode aus in diese Tour integrieren konnten. Der weitere Teil dieser anderen Wanderung ist nämlich nicht ganz so nett gewesen und so konnten wir wenigstens diesen Teil in eine andere Wanderung übertragen.

Am Weddebach in Richtung der Landstraße ist aktuell auch viel abgeholzt worden und die Weiden am Bachrand müssen sich erst ein paar Jahre erholen. Wir folgen ein paar Meter der Kreisstraße 24 in Richtung Immenrode, dann geht es durch einen Durchlass in der Leitplanke auf einem Feldweg in den Heistern, der sich ebenfalls noch einmal frühlingshaft bunt präsentiert. Ein paar Meter geht es im Wald hinauf, dann kurz hinaus bis zu dem schönen Rastplatz unter einer alten Eiche, die an einer ehemaligen Bahnstrecke steht, der wir gleich in die andere Richtung folgen werden. Der Blick fällt von den Bänken auf Schraders Mühle im Vordergrund und das dahinter gelegene Immenrode. Nach der vielleicht letzten Rast des Tages geht es ein paar Meter zurück und in einer Rechts-Links-Kombination auf die Trasse der ehemaligen Bahnstrecke Vienenburg-Langelsheim. Das ist ein etwas breiter, fast hohlwegartiger Weg, der uns mitten durch das kleine Waldgebiet führt. Auf einmal liegt die Strecke dann weit über dem Waldboden und man kann sich kaum vorstellen, welche Mühen es gekostet haben muss, einen solchen Bahndamm ohne schweres Gerät aufzuschütten. Wahnsinn! Nach einer kurzen Strecke verlassen wir den Wald und folgen der Strecke in Richtung Wöltingerode. Zur rechten Zeit blühen die zahlreichen Bäume und Sträucher am Wegesrand und auch der Raps auf den Feldern. Mit einem strahlend blauen Himmel ist das schon ein Spektakel. Zum Ende hin hat man dann den Harly zur Rechten, den Blütenweg in der Mitte und das Kloster zur Linken, so dass man fast alle Aspekte dieser hoffentlich spitzenmäßigen Wanderung noch einmal genießen kann, bevor man dann seinen Ausgangspunkt am Kloster Wöltingerode erreicht.

Am Ende eines Tages...

Das war wieder ein recht kurzer Beitrag und vieles habe ich weggelassen, aber es soll ja auch noch Freiraum zum eigenen Entdecken und Genießen und Recherchieren bleiben. Da wir im Moment im Vergleich zu den letzten Jahren ziemlich viel wandern waren, komme ich eh nicht mehr wirklich hinterher mit dem Einstellen der Beiträge. Die jetzt eingestellten Frühlingstouren waren alle nahezu zur optimalen Zeit, sodass es sich so richtig erst wieder im nächsten Jahr lohnt. Aber natürlich bieten diese Wälder auch noch bis in den Sommer und dann im Herbst und Winter jede Menge Erlebnisse. Der Harly ist auf jeden Fall mehr als nur einen Besuch wert und gehört ohne jeden Zweifel zu den schönen Höhenzügen in Niedersachsen.

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