Bauerngarten, Friedhof und Klosterkirche

Bauerngarten, Friedhof und Klosterkirche

Na endlich! Nach unglaublich faulen dreieinhalb Monaten ohne eine einzige Wanderung, was wahrscheinlich einen persönlichen Minusrekord darstellt, ging es endlich wieder los. Coronabedingt? Haha! Zu viel Arbeit, zu wenige gemeinsame freie Tage und wenn doch, dann waren wir zu kaputt oder hatten “mieses” Wetter als Ausrede. So spielt halt manchmal das Leben. Am Abend vor der ersten Tour des Jahres schaute meine Beste nach dem Wetter und meinte, dass es auf jeden Fall in den “sonnigen” Süden Niedersachsens gehen sollte. Da klingelte es gleich und die Gedanken schweiften automatisch ins Göttinger Land. Sofort schnell mal am PC mit dem BRouter hingeflogen und zufällig gleich in Reinhausen gelandet. Mensch, da waren wir aber auch schon lange nicht mehr. Erstaunlicherweise habe ich dann innerhalb von zehn Minuten gleich zwei Wanderungen in der Gegend geplant. Das ließ Gutes hoffen. Also am nächsten Morgen los bei gruseliger Hochnebelsuppe, rauf auf die leere Autobahn 7, bei Nörten-Hardenberg endlich der wohlverdiente Sonnenschein, hinter Göttingen bei Dramfeld wieder runter und schon fast da. Witzigerweise hatten wir die ganze Runde super Wetter und auf der Rückfahrt, dieses Mal locker über die Dörfer, wurde es auf Höhe Harz noch viel dunkler und gruseliger als auf der Hinfahrt. Schwein gehabt, dass wir uns für den manchmal wirklich “sonnigeren” Süden des Nordens entschieden hatten.

Die letzte Tour hier absolvierten wir 2011, als wir das Göttinger Land erstmals so richtig für uns entdeckten. Damals ging es von Bettenrode zu den Gleichen und über Reinhausen zurück. Eine etwas ruppige Tour wegen fehlender oder schlechter Wege, auf der wir aber das faszinierende Felsendorf entdeckten und gleichzeitig, dass die Gegend um Göttingen in allen vier Himmelsrichtungen eine sehr spannende und wanderbare ist. Reinhausen bekommt heute ein sehr kleines Extra, später hoffentlich noch einen eigenen Beitrag unter der Rubrik Kostbar. Leider ist es mir dieses Mal das erste Mal in meinem Leben passiert, dass ich bei der Übertragung der Fotos vom Smartphone zum PC wohl einen Übertragungsfehler hatte. Nach stundenlanger Recherche und Bastelei ist es mir gelungen, etwa ein Drittel der Bilder wiederherzustellen. Darum sind es dieses Mal weniger Fotos und ich habe, wo sich die Touren von heute und die von 2011 in Reinhausen überschneiden, einige Fotos aus dem Jahr 2011 übernommen. Trotzdem gibt es von einigen schönen Orten, wie zum Beispiel dem Lauf der Garte in Diemarden, keine Bilder. Wichtig sind aber sowieso die Bilder, Eindrücke und Gefühle, die sich während einer Wanderung ins Gedächtnis, ins Herz und in die Seele einbrennen. Die heutige Tour bringt einige kleine “Härten” mit sich, die aber Jammern auf hohem Niveau sind und in den ersten Wochen des Erlebens der erwachenden Natur keine große Rolle spielen. Die ersten Schneeglöckchen, der erste Bärlauch, der erste Aronstab und das allererste Scharbockskraut wischen alle das Erlebnis des Tages schmälernden oder trübenden Gedanken weg.

Felsendorf Reinhausen

Felsendorf Reinhausen

Die Gegend südöstlich von Göttingen ist erstaunlich felsenreich. Im südlichen Leinebergland, zwischen den Orten Göttingen, Nörten-Hardenberg und Heiligenstadt, gibt es zum Beispiel die meisten Abris (Felsüberhänge) in ganz Mitteleuropa. Bei vielen der 1.600 erfassten Felsen ließ sich eine menschliche Nutzung als Schutzdach oder Schutzraum durch archäologische Untersuchungen feststellen oder vermuten. An vielen Stellen kann man Felsen sogar von den Straßen aus im Wald erkennen. Im “Felsendorf” Reinhausen ist der “Steinreichtum” der Gegend überdeutlich sichtbar und wie aus dem Fels gehauen wirkt der Ort an einigen Stellen. Im südlich des Ortes gelegenen Wald gibt es zahlreiche Felsen, wie zum Beispiel die markanten Erhebungen des Jäger- und des Hurkutsteins. Das schöne Reinhausen selbst hat neben seinem markanten Erscheinungsbild noch einiges zu bieten. Auf dem Kirchberg stand einst die Burg Reinhausen, die bis zur Errichtung der beiden Gleichenburgen der Stammsitz der Grafen von Reinhausen war. 1079 wurde die Burg in ein Kanonikerstift umgewandelt, später in ein Benediktinerkloster, das bis zum Ende des 16. Jahrhunderts bestand. Die aus der Burgkapelle des 10. Jahrhunderts entstandene Stifts-, Kloster- und Pfarrkirche St. Christophorus beherrscht noch heute den Berg mit seinem imposanten Gebäudebestand. Sehenswert hier oben sind zum Beispiel das Pächterhaus, die Sandsteinscheine und der ehemalige Pferdestall. In dem im Tal gelegenen Bereich Reinhausens gibt es ebenfalls noch eine ganze Reihe unter Denkmalschutz stehender Häuser und Anlagen.

Nun aber langsam mal los. Vom Parkplatz vor der imposanten Kirche geht es zum Gelände der ehemaligen Domäne. Hier befindet sich heute ein “Regionales Umweltbildungszentrum” der Niedersächsischen Landesforsten. Im ehemaligen Pferdestall und Getreidespeicher befinden sich Seminar- und Veranstaltungsräume, im Außenbereich finden sich zum Beispiel ein Bauern- und Kräutergarten und eine Streuobstwiese. Da gibt es für den Interessierten schon einmal etwas zu stöbern, bevor es weiter- bzw. losgehen kann. Die erste Wanderung im neuen Jahr, die ersten Meter und schon das erste Mal verlaufen. Statt geradeaus hinabzugehen in das kleine Tal, gingen wir kurzzeitig auf den nach rechts führenden Mönchweg. Nach erfolgter Korrektur geht es dann in dem Tal gleich wieder rechts hinauf auf den herrlichen Pfad zum Kleinen Knüll. Der Pflanzenreichtum hielt sich bei unserem Besuch noch in Grenzen, aber später wird das hier durchaus spannend werden. Teilweise tunnelartig geht es hinauf, an einem ersten Rastplatz vorbei zur Aussichtsbank am Kleinen Knüll, der einen trockenrasenartigen Charakter hat. Von hier oben hat man einige schöne Aussichten. Auf der Bank sitzend schauen wir hinab ins liebliche Leinebergland. Aufgrund fehlender Landmarken ist für den Ortsunkundigen immer etwas schwierig, die Höhenzüge und Berge auseinanderzuhalten. Hinter uns schauen wir zu einer der markantesten Erscheinungen des Göttinger Landes, fast schon einem natürlichen Wahrzeichen des Leineberglandes, den beiden Gleichen(bergen). Auf ihnen thronten einst die gleichnamigen Burgen Alte Gleichen und Neue Gleichen. Beide sind nie erobert worden, wurden aber bereits im 16. Jahrhundert aufgegeben worden. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, finden sich an der Neuen Gleichen nur noch unterirdisch erkennbare Reste, an der Alten Gleichen stehen noch einige Mauerreste. Irgendwann müssen wir da auch noch einmal hin. Hinter dem Kleinen Knüll wollten wir einen schmalen Pfad nehmen, der aber nicht mehr auffindbar war. Darum mussten wir dem breiten Forstweg nach Diemarden folgen, der durch massive Abholzung und Abfuhr nicht so prickelnd war. Später im Jahr und in darauffolgenden Jahren mag es hier wieder besser aussehen. Dafür bekamen wir immerhin als kleines Schmankerl den ersten Bärlauch des Jahres zu Gesicht, der von mir auch gleich verköstigt werden musste.

An der Garte

An der Garte

Weiter unten, nach dem Verlassen des Waldes befindet sich rechter Hand ein langgezogener, ehemalig als Steinbruch genutzter Felsenzug, der wieder für etwas spannende Abwechslung sorgt. Dann sind wir auch schon in Diemarden angekommen und damit auch im Gartetal. Die kurze Partie an dem Flüsschen durch den Ort ist sehr schön. Überhaupt haben sich die kleinen Ortschaften im Göttinger Land vielfach noch ihren ländlichen Charakter bewahren können. Abseits der Hauptstraße gehen wir am Mühlendamm entlang zum Thieplatz und zur St. Michaelis-Kirche. Einen ersten, nicht zu übersehenden Hinweis auf die Gartetalbahn erlangen wir in der Bahnhofstraße, die uns aus dem Ort geleitet. Am ersten Abzweig, der Schulstraße, besteht eine gute Möglichkeit, die Tour zur Diemardener Warte zu verlängern. Diese wurde 1409 errichtet und ist heute der letzte komplett “erhaltenen” Turm des mittelalterlichen “Warnsystems” der Stadt Göttingen. Man könnte dann z.B. über die Hirsebreikuhlen, einige 1968 entstandene Erdfälle, wieder ins Gartetal einsteigen, ohne etwas vom Tal zu verpassen. Mit einigen anderen Verlängerungen, z.B. um den Wendebachstausee und in Reinhausen, lässt sich die Runde noch sinnvoll auf knapp 20 Kilometer verlängern. Wir gingen bei der Erstbegehung aber am Friedhof von Diemarden vorbei in einen wirklich schönen Abschnitt des Gartetals. Auf der Trasse der ehemaligen Göttinger Kleinbahn oder Gartetalbahn, die Göttingen mit Rittmarshausen und zeitweilig auch mit Duderstadt verband, gehen wir bis zum sogenannten Garteknick. Ein wanderbarer Talabschnitt mit teils terassenartigen Hängen auf der anderen Flussseite. Am Weg selbst zahlreiche Gehölze, die streckenweise fast einen Tunnel bilden. Einfach schön, wenngleich teilweise als schmaler Radweg mit gepflastertem Untergrund. Ein als Naturdenkmal ausgewiesener, ehemaliger Steinbruch kann kurz erkundet werden, dann sind wir am Garteknick mit der Holzbrücke über die Garte angelangt. Ein schönes Fleckchen. Der am Ufer verzeichnete Rastplatz ist wohl leider weggeschwemmt worden (Stand Februar 2021). Über die Gartebrücke verlassen wir langsam aber sicher das an dieser Stelle sehr liebliche Gartetal.

Es geht hinauf zum Wüsten Berg, der heutzutage nicht allzu wüst daherkommt. In dieser Gegend, in der es einen sehr hohen Bestand des schützenswerten Rotmilans gibt, konnte wohl bislang glücklicherweise der geplante Bau etlicher Windkraftanlagen abgewehrt werden. Vom Waldrand haben wir einen “brauchbaren” Ausblick in die Landschaft bis zur Universitätsstadt Göttingen, deren schöne Lage im Leinetal man von hier gut erkennen kann. Ein Stück weiter gibt es einen schmalen Pfad am Feldrand, der direkt zur L568 führt. Diesen nahmen wir und im frühen Frühjahr ging das trotz durch die Schneeschmelze aufgeweichtem Boden noch ganz gut. Später im Jahr oder falls man sich einfach keine dreckigen Botten holen möchte, muss man vielleicht auf den von mir im Track angegebenen Weg ausweichen. Letztendlich erreicht man den Wendebachstausee, der dem Hochwasserschutz diente und heute als Badesee und Naherholungsgebiet ausgewiesen ist. Da wir das nicht wussten, erwarteten wir hier eigentlich Ruhe und Abgeschiedenheit und bekamen stattdessen “Partytime”. Hunderte von Menschen waren trotz der noch geschlossenen “Taverne am See” rund um den See unterwegs. Erfrischender Weise war aber niemand hier mit Maske unterwegs und Abstände ließen sich glücklicherweise auf den schmalen Wegen auch nicht einhalten. Das war fast schon die “gute alte Normalität” und die Menschen waren gut gelaunt und genossen einen der ersten Frühlingstage. Denunzianten des Regimes, das mit dem Loslassen funktioniert wohl doch nur bedingt, hätten hier wohl ihre wahre Freude und viel zu tun gehabt. Hier kann man die Wanderung ebenfalls um den See herum erweitern, was wir wegen des hohen “Verkehrsaufkommens” unterließen. Zahlreiche Plätze laden zum Verweilen ein und wenn die Taverne irgendwann hoffentlich wieder geöffnet hat, bekommt man hier auch was zu süppeln, wobei dann im Sommer wahrscheinlich noch mehr der Bär brummt. Vor lauter guter Laune vergaß ich sogar fast, hier ein paar Fotos zu schießen.

Partytime an der Talsperre

Partytime an der Talsperre

Wir marschieren in das teilweise renaturierte Wendebachtal. Hier wird es wieder etwas gechillter und wir können die Landschaft in vollen Zügen genießen. An dem Abzweig nach links gingen wir geradeaus auf einen kleinen Schnuffelpad, der nicht leicht erkennbar war und nicht gänzlich barrierefrei. Wer diesen nicht gehen möchte, kann links abbiegen, muss dann aber ein Stück entlang der Straße nach Reinhausen gehen. Wir erreichen schließlich wieder Reinhausen und den Rosenpark, der wohl aus einer privaten Initiative entstand und in der warmen Jahreszeit kostenlos bestaunt werden darf. Öffnungszeiten, Veranstaltungen und weitere Informationen bekommt man auf der Website des Rosengartens. Mit dem Kirchberg im Hintergrund muss das ein prächtiger Anblick sein. Jetzt geht es durch den Felsenort Reinhausen. Überall wurde auf festen Stein gebaut oder es lugt hier und da der eine und andere Felsen aus dem “Fußboden”. Wer möchte, kann die Tour hier auch noch weiter durch den Ort verlängern und dann zum Beispiel in der Straße “Hinter den Höfen” in einen der Felstreppenwege einsteigen. Auf dem Weg dorthin gibt es immer wieder für unsere Gegend imposante Felsformationen zu bestaunen. Wir waren konditionell noch nicht auf der Höhe, ich hatte mir nach langen Jahren ohne mal wieder eine große Blase auf einem kleinen Zeh gelaufen, sodass wir den kürzesten Weg wählten. Eine Tour zu Jägerstein, Hurkutstein und den Gleichenburgen ist aber schon geplant und eine ausgedehnte Begehung Reinhausens wurde auch zur “Heiligen Pflicht” erkoren. Egal wie, erreichen wir schließlich, hoffentlich ausreichend beglückt und/oder zufriedengestellt, unseren Ausgangspunkt an der ehemaligen Klosterkirche auf dem Kirchberg.

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