Blick zum Marienberg

Blick zum Marienberg

Im Rahmen einiger Wanderungen der Pattenser Initiative „Wanderbares Calenberger Land“ kam uns auch der Marienberg, den wir schon seit etlichen Jahren vor uns hergeschoben hatten, wieder in den Sinn. Jetzt haben wir die damals erstaunlich interessante Wanderung wiederholt, wobei wir die kurze Strecke durch einen Abstecher um den Schulenburger Berg noch etwas verlängert haben. Leider gibt es bis heute hier keinen ausgewiesenen Wanderweg, aber das kann auch bedeuten, dass man hier etwas mehr seine Ruhe hat. Wir sind auf beiden Touren keinen Hikern begegnet und hatten somit alle Pausenbänke für uns allein. Als ÖPNV-Nutzer ist der Weg von und nach Nordstemmen definitiv eine gewisse Durststrecke, auch wenn man sich für alles Mögliche am Wegesrand interessieren und begeistern kann. Der Rest der Strecke bietet dafür sehr viele Erlebnisse und Eindrücke und lässt das bisschen Ungemach vergessen. Wenn wir früher mit dem Auto zwei Stunden aus Nordhessen auf der A7 zurückgegurkt sind, war das auch nicht gerade angenehm oder sonderlich spannend. Da ist ein Marsch durch Nordstemmen eine wahre Wohltat. Apropos Nordstemmen! Das vielleicht nicht weltberühmte Städtchen hat gleich mehrere Wahrzeichen, die sich mehr oder weniger großer Beliebtheit erfreuen. Weithin sichtbar sind der Schornstein und die Gebäude der „Rübenschmelze“ Zuckerfabrik und das über der Leine thronende Schloss Marienburg. Etwas gedrungener, für mit der Bahn anreisende aber nicht zu verfehlen, der ehemals Königliche Empfangsbahnhof. Der ist leider mittlerweile so marode, dass man nicht einmal mehr von einem Dornröschenschlaf reden kann. Es hat schon fast Symbolcharakter für die heutige Tour, an deren Wegesrand einige fast vergessene Relikte alter, nicht unbedingt besserer Zeiten liegen.

Los geht es mit dem Auto vielleicht direkt an der Leine, für die freiwillig oder unfreiwillig den ÖPNV nutzenden am eben genannten Bahnhof. Der wurde von 1853 bis 1854 von den Architekten Conrad Wilhelm Hase und Julius Rasch als Königlicher Empfangsbahnhof für die Marienburg errichtet. Seit vielen Jahren gammelt dieser jetzt schon vor sich hin und die Deutsche Bahn wird ihr eh angeknackstes Image mit ihrer sagen wir mal passiven Verweigerungshaltung in Bezug auf eine weitere Nutzung auch nicht gerade glattbügeln können. Vom Bahnhof geht man auf beliebigem Weg zum Fuß des Marienberges. Der zur Verfügung gestellte Track vermeidet weitestgehend die ziemlich stark befahrene Kreisstraße zur Bundesstraße 3, die wir heute auch noch unvermeidlich zu hören und zu sehen bekommen. Es geht also erst einmal durch eine Unterführung und ein Stück durch den Ort, vorbei am Restaurant „Akropolis“ und am Freibad, dann ein Stück „über den Acker“ und das letzte Stück dann an der Marienbergstraße mit ihrer Lindenallee. Von hier aus hat man trotz des oft großen Verkehrsaufkommens bereits einen famosen Ausblick auf das „Hauptziel“ der heutigen Tour, das mittelalterlich romantisch wirkende Schloss Marienburg. Aber wenden wir uns erstmal dem ersten Abschnitt des Tages zu, dem Weg, den wir von der Leine gelassen, direkt an der Leine entlang gehen.

An der Leine entlang

An der Leine entlang

Auf der Karte, aus der Vogelperspektive, sieht das erstmal nach nichts aus. Aber Vögel sollen ja auch nicht die Landschaft bewundern, sondern Ausschau halten nach verwertbarer Nahrung. Am Fußboden gehend, den Blick in ungefähr 1,5 bis 2 Meter Höhe, wirkt die Landschaft schon viel strukturierter und ist es auch. Wenngleich die zumeist breit und gemächlich dahinfließende Leine zumindest für uns nicht den Charme einer Innerste oder einer Oker versprühen kann, fließt sie unterhalb des Bergzuges der Marienburg durch eine freundliche Landschaft. Hier beginnt auch ungefähr der Unterlauf des ungefähr 280 Kilometer langen Flusses, der in Leinfelde im Eichsfeld entspringt und bei Schwarmstedt in die Aller mündet. Wir können jetzt direkt am Fluss gehen oder auf dem getrackten Weg am Waldrand des Maßberges. Beides hat seine gleichwertigen Reize. Der Waldrandweg ist schön und führt an einem der Steinbrüche vorbei, deren entnommenes Material zur Errichtung des Schlosses Verwendung fand. Den riesigen Aufwand, der hier betrieben wurde, kann man im umfangreichen Wikipedia-Eintrag zur Marienburg gut nachvollziehen. Dort kann man zum Beispiel sehen, dass ungefähr von der Leinebrücke eine gewaltige hölzerne Rampe in Serpentinen auf den Berggipfel verlief, um das in den Steinbrüchen gewonnene Material hinaufzuschaffen. Wir nehmen aber den wesentlich weiteren, aber auch etwas bequemeren Weg um den Bergzug herum.

Ein Stück geht es auf jeden Fall am Ufer der Leine entlang. Wir haben einen guten Ausblick auf die immer wieder auftauchende Zuckerfabrik, wobei eigentlich immer nur der Schornstein zu sehen ist. In der ersten Kurve der Leine ist am anderen Ufer ein altes Pumpwerk zu sehen, mit dem wohl das Wasser des Flusses dem Klärwerk und das entstehende Abwasser wieder dem Fluss zugeführt wurde. Ebenfalls am anderen Ufer eine recht schön strukturierte Landschaft, die an alten Kiesteichen entstanden ist. Linkerhand sehen wir die Reste einiger Altarme der Leine, von denen einer noch gut erkennbar und sogar mit Wasser gefüllt ist. Der Fluss besitzt, zum Beispiel im Raum Elze/Gronau, glücklicherweise noch viele solcher alten Flussarme, die bei der Begradigung der deutschen Flüsse ja oft verschwunden sind. Wir wollten die Wanderung eigentlich beim ersten Mal bis nach Schulenburg durchziehen, entschieden uns aber an dieser Stelle dagegen. Wer möchte, kann hier aber an der Leine weitergehen bis kurz vor den Ortsrand, biegt dann nach links und gleich wieder nach links ab und kommt über die Verlängerung der Kampstraße zu der Nurdach-Schutzhütte, die wir auf dem kurzen Weg quer durch die Feldmark erreichen. Hier gibt es diese zeitlos designeten Stapelstühle, wie ich sie aus meiner Schulzeit kenne, so dass man sich zur rechten Zeit auch gerne den wärmenden Strahlen der Sonne aussetzen kann. Hinter der Hütte geht es durch den Wald des Schulenburger Berges hinauf, der hier noch durch eine offene Landschaft geprägt ist. Auf Höhe der Kreisstraße haben wir einen schönen Ausblick in die Landschaft zwischen Hildesheim am Rand der Mittelgebirge und Hannover, das bereits deutlich in der Norddeutschen Tiefebene liegt.

Die Marienburg auf dem Marienberg

Die Marienburg auf dem Marienberg

  • Durch Hügelgräber und Funde nachgewiesene Nutzung des „Bergzuges“ seit der Mittleren Bronzezeit (1600-1200 v. Chr.)
  • Mittelalterliche Ringwallanlagen auf dem Rehberg (heute Marienberg) und eventuell auf dem Schulenberger Berg, auf dem sich auch eine Warte befand
  • 1857-1867 Errichtung und teilweise Fertigstellung der Marienburg als romantisch-mittelalterlich-gotische Höhenburg. Die Anlage wurde in die alten Ringwallanlagen hineingebaut. König Georg V. schenkte seiner Frau Marie den Berg mitsamt dem Schloss als Sommersitz und als späteren Witwensitz
  • Nach der verlorenen Schlacht von Langensalza 1866 ging Georg V. ins Exil nach Österreich. Im September 1866 annektierte Preußen das Königreich Hannover. Königin Marie zog auf die Marienburg, um das Vermögen der Welfen zu schützen, ging aber bereits im Juli 1867 auf Druck Preußens ebenfalls ins österreichische Exil
  • Ab 1869 stand das bis heute nicht komplett fertiggestellte Schloss bis auf die Aufseher leer, lediglich das Schlossmuseum konnte besichtigt werden
  • Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 zog die Welfenfamilie vom Schloss Blankenburg auf die Marienburg, die sich heute noch im Besitz der Familie befindet, teilweise besichtigt werden kann und auch anderweitig vielfältig genutzt wird.

Vom Waldrandweg, dem wir jetzt am Fuße des Berges folgen, hat man wiederum einen Ausblick ins Südliche Calenberger Land, das in den letzten Jahren, vielleicht unvermeidlich, auf jeden Fall leider, vermehrt durch Windkraftmeiler geprägt wird. Da der Weg aber nicht direkt am Rand, sondern immer einige bis etliche Meter im Wald verläuft, kann man den Blick ins Innere wenden. Das ist ein schöner Pfad und Weg durch einen schönen Mischwald mit hohem Buchenanteil. Am Anfang finden sich mehr oder weniger erkennbare Reste von ehemals neun Hügelgräbern aus der Bronzezeit. Auf dem angenehmen Weg durch verschiedene Waldstücke umrunden wir den Adenser Berg an seinem Fuß. Im Westen erwartet uns die äußerst viel befahrene Bundesstraße 3, die hier oft eher an eine kleine Autobahn erinnert. Optisch bekommen wir nicht allzu viel mit, akustisch schon. Sobald wir die Südseite des Berges erreichen, wird das schnell wieder besser. Hier stehen viele Eichen und Robinien am Wegesrand und man hat Aussichten ins Leinebergland zwischen Elze und Alfeld. Oberhalb einiger Kiesteiche geht es auf einem schönen Waldweg in Richtung des Marienberges, der vor dem Bau des Schlosses Rehberg hieß. Zwischen der „Sachsenschlucht“ und der auch als „Sachsenwall“ bezeichneten Ringwallanlage, in die die Marienburg später hinein gebaut wurde, bewegen wir uns aufwärts. Wenn man nicht weiß, dass es sich um menschliche Veränderungen im Wald handelt, würde man es wohl (wie so oft) für natürliche Veränderungen halten. Falls irgendwann Zeit sein sollte, würde ich hier gerne auch einmal eine tiefergehende Exkursion starten.

So ist man immer ein wenig angetrieben von der Tatsache, dass man ja auch noch einen Weg vor sich hat und pünktlich zum Abendbrot wieder zu Hause sein möchte. Am Parkplatz, den wir jetzt erreichen, lag früher die Gärtnerwohnung des Schlosses. Überhaupt ist hier, rund um das Schloss nahezu nichts mehr wie es einst gewesen sein muss. Das Umfeld der Anlage war durch einen ebenso wie das Schloss wohl niemals fertiggestellten Landschaftsgarten geprägt. Wie das einst ausgesehen haben könnte, ist auf die Schnelle nicht festzustellen. Wir wenden uns jetzt nicht gleich dem Prunkbau zu, sondern machen noch eine kulturhistorische Füllstrecke um den Schulenburger Berg. Auch hier soll es, ähnlich wie am Rehberg/Marienberg, eine Ringwallanlage gegeben haben, die in späteren Zeiten als Wasserreservoir genutzt wurde. Die Gräben und die dahinter liegenden Wallungen sind im Gelände noch gut erkennbar. Letztlich sicheren Aufschluss bringende archäologische Untersuchungen hat es aber wohl noch nicht gegeben. Ein kleiner Weg zweigt ab und führt nach rechts direkt über den Gipfel, auf dem im Mittelalter eine Warte stand. Dieser Weg war bei unserem Besuch 2018 komplett weg terminiert worden und wir stokelten die ganze Strecke durch die menschengemachte Naturkatastrophe. Der Track zeigt deshalb eine alternative Streckenführung. Die führt uns zu den kläglichen Überresten der ehemaligen „Waldgaststätte Marienberg“, die 1857 im Zuge des Schlossbaus von einem Schulenburger Gastwirt errichtet wurde, einst über mehr als 1.000 Sitzplätze verfügte und 1976 nach einem Brand vollständig abgerissen wurde. Von den noch vorhandenen Resten konnten wir einige Treppen und ein Hinweisschild zum Schlossmuseum ausmachen. Von hier aus führt uns der weitere Weg, endlich und unvermeidlich zum imposanten Schloss Marienburg. Als alter „Sozialist“ muss ich ja eingestehen, dass wir das Schloss Marienburg seit ungefähr 20 Jahren nicht mehr von innen gesehen haben. Die großen „Einkehrer“ sind wir auch nie gewesen, so dass ich zum Inneren des Komplexes keine persönlichen Informationen geben kann. Die gibt es aber zuhauf in der Datensphäre des Netzes.

Auch von außen lässt sich die Anlage schon ausreichend bestaunen und bewundern. Durch einen beim Bau des Gebäudes in den uralten Ringwall geschlagenen Durchgang gelangt man in den inneren Bezirk. Ganz witzig, dass im Eintrag von Wikipedia in dem Zusammenhang von einer frühmittelalterlichen Wallanlage berichtet wird, gleichzeitig aber auch von bronzezeitlichen Funden während des Durchbruchs durch den Wall. Man kann wohl davon ausgehen, dass der prädestiniert gelegene Bergzug auch schon von den vorzeitlichen Vorfahren in irgendeiner Art und Weise genutzt wurde. Wir wenden uns nach mehr oder weniger ausgiebiger Erkundung des Schlosses auf einen Pfad, der uns an der Ostseite der Anlage herunterführt. Vor Jahren konnte man noch direkt an der Mauer hinabgehen, mittlerweile ist der Bauzaun, der den baufällig werdenden Teil des Schlosses sperrt, ausgeweitet worden. Königin Marie wollte beim Bau des Schlosses den romantischen Charakter erhöhen und ließ das Schloss regelrecht aus dem umgebenden Fels herausarbeiten. Das war natürlich damals schön anzusehen, hat aber auch dazu geführt, dass die Bausubstanz des Schlosses im Laufe der Zeit erheblich gelitten hat und eventuelle Abbrüche zu befürchten sind. Der Anblick des südlichen Teil des Schlosses ist von hier aber immer noch äußerst imposant. So, jetzt geht es auf frei wählbaren Serpentinenwegen hinab zur Leine, die schon sehnsüchtig auf uns wartet. Auf demselben Weg oder einem anderen geht es zurück nach Nordstemmen, zu dem auf uns und hoffentlich baldige Rettung wartenden Empfangsgebäude des Bahnhofs Nordstemmen. 

Am Ende eines Tages...

Wir hatten wieder mal eine lange Wartezeit auf den Zug, aber was manchmal nerven kann, kann bei entsprechender Haltung auch durchaus als angenehm empfunden werden. Wir schlenderten also noch ein wenig durch Nordstemmen, gingen zum nahegelegenen Netto, weil meine Freundin noch Bananen brauchte und setzten uns gemütlich auf eine Bank nahe des Bahnhofs, um dem Treiben um uns herum hinzugeben. Wenn eine Wanderung schön war und eine warme Brise weht und man einfach mal loslässt, könnte man fast meinen, das man überhaupt nirgends mehr hin muss. Das man genau hier richtig ist, das man in der Heimat ist, zuhause. Die Runde um die Marienburg gehört mittlerweile auch zur Kategorie „Heilige Pflicht“ bzw. „Heiliger Wille“. Eine Tour durch und entlang freundlicher Natur, auf meist netten Wegen und mit jeder Menge spannender Kultur. Empfehlen möchte ich diese Wanderung (nicht nur) für den Goldenen Oktober/November, wenn der Marienberg in allen Farben strahlt. Nach dem Brennesommer 2018 ist es allerdings nicht ganz so prächtig und die Zeit wird nicht nur langsam knapp. Egal, wann wie und warum … viel Spaß!

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