Ein kurzer Wanderurlaub bescherte uns eine Tour auf den nordhessischen Premiumwegen, mehrere Tage durchwachsenen Wetters, drei Tage wandern bei Blankenburg am Nordharz und zum gefälligen und gechillten Abschluss eine sehr kurze Tour bei Lamspringe, die wir schon mehrfach, aber auch seit längerem nicht mehr gemacht hatten. Die abseits der heutigen Route liegenden Wege haben wir in früherer Zeit auch schon erkundet, als nicht allzu wanderbar kategorisiert, so dass sich die heutige Route mit ihrer Wegeführung nach und nach “herausgeschält” hat. Ansonsten findet man in der Gegend viele Forstwälder mit den charakteristischen Forstwegen, die wir ja mittlerweile zu vermeiden versuchen. Davon hatten wir die ersten Jahre, eigentlich das erste Jahrzehnt unseres Wanderlebens, mehr als genug. Heute suchen wir die kleinen Pfade und botanisch, geologisch, landschaftlich interessanten Gebiete unserer Heimat, in denen sich menschliche Kultur mit dem Rest schöpferischer Natur zu etwas verbunden hat, das zum Erleben, Erfahren, Erwandern einlädt. Die heutige Tour mit dem schönen Klosterort Lamspringe und dem für diese Gegend erstaunlich anderen Naturschutzgebiet ist ein Paradebeispiel dafür. Bei Blankenburg waren die Wälder fast schon gruselig trocken. Vertrocknete Bäume, hauptsächlich Fichten, sieht man in der Mitte Deutschlands wohl mittlerweile überall. Am östlichen Nordharzrand war es trockener, als wir es jemals anderswo erlebt hatten, inklusive ausgetrockneter Bäche und versumpfter Waldteiche. Na klar ist Hochsommer, aber das war wirklich extrem und so entschieden wir uns, am letzten Urlaubstag statt der geplanten Teufelsmauer-Runde eine kurze im Hildesheimer Raum zu machen, wo die Auswirkungen der Klimaveränderung noch nicht so krass zu spüren und zu sehen sind.

Waldrandweg am Schwarzen Holz

Waldrandweg am Schwarzen Holz

Los geht es optimalerweise am schönen Waldparkplatz Schwarzes Holz mit Rastplatz, Schutzhütte, Grillhütte, Liegewiese und Infotafeln. Was will man mehr? Auf den Tafeln kann man schon mal lesen, dass der Flecken Lamspringe mehr zu bieten hat, als man auf den ersten Blick denkt. Lamspringe hat es aber auch nicht leicht im “Kreuzfeuer” zwischen Anziehungspunkten wie Bad Salzdetfurth, Bad Gandersheim, Alfeld und dem nahegelegenen Harz. Ein etwas breiter, netter Waldrandweg macht den Anfang. Von diesem hat man immer wieder mehr oder weniger barrierefreie Ausblicke in Richtung Lamspringe und Umgebung und zum Heberberg am nördlichen Ende des Höhenzuges Heber, dessen Naturschutzgebiet wir nachher ja noch erwandern. Der Wald ist von unterschiedlicher Qualität, der Weg wird nach und nach immer schmaler und verläuft irgendwann direkt am Ackerrand. Solche direkten Waldrandpfade kann es gar nicht genug geben, wenn auf den angrenzenden Feldern nicht gerade ein Maiswald angepflanzt wurde. Nach dem mütterlichen Motto “Du kannst alles essen, aber nicht alles wissen”, ist unser Wissen über Flora und Fauna und vieles mehr recht begrenzt und nach einigen selbst gefundenen Fehlern beschränke ich mich, wenn ich mir unsicher bin, nur noch auf die Nennung der Gattung. Vielleicht beschäftige ich mich irgendwann noch näher damit, aber momentan geht das reine Erleben der Kultur und Natur noch vor. Den Pflanzen ist es wahrscheinlich eh egal, wie der Mensch sie nennt und klassifiziert. Witzigerweise habe ich gerade eben bei der Recherche bemerkt, dass ich anscheinend nie einen Unterschied zwischen Witwenblumen und Skabiosen gemacht habe. Da die beiden Kardengewächse noch relativ “einfach” zu unterscheiden sind, werde ich da jetzt wohl mal drauf achten müssen. So, jetzt aber langsam los.

Am Rand des Schwarzen Holzes schleichen wir uns langsam von der Seite an Lamspringe heran. Am Anfang ein bisschen im Wald, dann am Waldrand auf einem tollen Wiesenweg, der hoffentlich niemals “versehentlich” weg geackert wird. Kurz vorm Abstieg befindet sich ein spannendes, schön gelegenes Waldgrundstück, das wohl von mehreren Waldbesitzern gemeinschaftlich genutzt wird. Meterhoch türmen sich die Holzstapel vor einer der hübschen Hütten. Vorsicht ist geboten, falls sich die frei laufenden Kampfhühner nähern. An der Pausenbank am kleinen Gedenkstein wenden wir uns nach links, ein paar Schritte rechts hinauf soll es einen Rastplatz geben. Der Wald tritt zurück und der Blick schweift über den recht malerisch gelegenen Flecken Lamspringe. Hinter dem Ort “thront” die Hohe Schanze des Südlichen Sackwaldes im Leinebergland. Das ist ebenfalls ein spannendes Wanderrevier mit allerdings eingeschränkter Auswahl an wanderbaren Wegen. Jetzt endlich wieder mit einem fahrbarem Untersatz versehen, werden wir Neuerkundungen fürs nächste Frühjahr ins Auge fassen. Aber erstmal nach Lamspringe! Auf schönen Feldwegen geht es in den Ort zu der aus der Ferne noch recht gedrungen wirkenden Klosterkirche. Wir überqueren die noch junge Lamme und gelangen durch die Wiesen in den Klosterbezirk, in dessen Gärten, heute ein kleiner Park, sich die Quelle des kleinen Flüsschens befindet. Wir nähern uns der Klosterkirche durch die Dammstraße und den Kirchweg. Von hier aus bietet die aus der Ferne noch recht schmucklos wirkende Klosterkirche einen wahrlich imposanten Anblick. Einen Besuch des Inneren der Kirche, ausgestattet im barocken Stil der westfälischen Nachgotik, sollte man sich auf jeden Fall nicht entgehen lassen. Die recht spärlichen Öffnungszeiten kann man den Seiten des Fleckens Lamspringe entnehmen. 

Lamspringe und sein Kloster

Lamspringe und sein Kloster

Für die Treue, die der sächsische Graf Ricdag Kaiser Ludwig dem Frommen im Streit mit seinen Söhnen hielt, wurde er mit umfangreichem Königsgut beschenkt. Mitte des 9. Jahrhunderts gründete er, wahrscheinlich mit Hilfe des Hildesheimer Bischofs, ein Kanonissenstift in Lamspringe und setzte seine Tochter Ricburga als erste Äbtissin ein. Mitte des 12. Jahrhunderts wurden die benediktinischen Ordensregeln in Lamspringe eingeführt. Durch Schenkungen vergrößerte sich der Besitz des Klosters im Laufe der Zeit erheblich und der wahrscheinlich schon vor der Gründung des Klosters vorhandene Ort blühte ebenfalls zusehends auf. Nach den religiösen Wirren, die der Hildesheimer Stiftsfehde (1519-23), dem Schmalkaldischen Krieg (1546-47) und dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48) folgten, fiel das mittlerweile leerstehende Kloster 1643 an den Hildesheimer Bischof, der es an englische Benediktinermönche übergab, die 1628 als Glaubensverfolgte aus ihrer Heimat geflüchtet waren. Ende des 17. Jahrhunderts wurde das baufällig gewordene Kloster neu errichtet. 1681 wurde der Primas von Irland, Oliver Plunkett, in England hingerichtet. Der mit Plunkett befreundete Abt Lamspringes ließ dessen sterbliche Überreste 1683 ins Kloster überführen. 1881 wurden diese in seine Heimat rücküberführt, ein kleiner Teil verblieb in Lamspringe. 1803 wurde das Kloster säkularisiert, die Kirche weiterhin als Pfarrkirche genutzt. Der Ort, attraktiv besonders für Tagelöhner durch das Vorhandensein mehrerer Gewerke (Waldwirtschaft, Glashütte, Brauereien, Flachsspinnereien, Leinewebereien), erfuhr in dieser Zeit einen erheblichen Bevölkerungszuwachs. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte der Höhenflug leider ein Ende und der Ort versucht seitdem nicht ohne Erfolg, seine Attraktivität für Bewohner und Besucher zu erhalten. Eine malerische Umgebung, ein gut erhaltenes Fachwerkzentrum, ein Mix aus dörflichem und städtischem Charakter, das Kloster mit Kirche und Park, das Kulturprogramm des Lamspringer Septembers, der Radweg zur Kunst ins nahegelegene Bad Gandersheim – Lamspringe hat schon etliches zu bieten…

Ein Abstecher zur Hauptstraße von Lamspringe lohnt sich allemal. Hier an einer ehemaligen Heer- und Handelsstraße befindet sich der eng an die Klostermauer geschmiegte, sehenswerte Fachwerkkern des Ortes. Danach durchqueren wir den seit den 1970er Jahren zum Bürgerpark umgestalteten ehemaligen Klosterpark. Ein kleiner, aber feiner Park mit einer alten Wassermühle, der Quelle der Lamme und altem Baumbestand. In den Sommermonaten kann man sich am Imbiss beim Minigolf zum Beispiel noch einen “Coffee to hike” gönnen und auf einer schattigen Bank eine angenehme Rast einlegen, bevor schließlich der “Aufstieg” zum Heberberg erfolgt. Dafür verlassen wir dann schließlich den Park, folgen noch ein paar Meter der Straße und biegen auf einen angenehmen Grasweg ab, der uns durch einen kleinen Heckentunnel erst zur Hebergasse und dann zum Klausbergweg führt. Kurz darauf erreichen wir bereits den Wald, der schon nach wenigen Schritten als Naturschutzgebiet Heberberg ausgewiesen ist. Der Clausberg und der Heberberg sind auf Betreiben der BUND-Ortsgruppe Lamspringe, die sich auch um die Pflege des Gebietes kümmert, auf einer Fläche von 15 Hektar seit 1989 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Hier tritt Kalkstein zu Tage und im Schutzgebiet befinden sich zahlreiche alte, wohl weitestgehend selbständig renaturierte Steinbrüche. Wer die Wälder um Lamspringe bereits kennt, hier aber noch nicht war, wird wohl einigermaßen erstaunt sein. Der urige, von wunderschönem Niederwald und ebensolchen Halbtrockenrasengebieten geprägte Wald gehört ohne Zweifel zu den schönsten Waldgebieten des Landkreises Hildesheim. Leider waren wir bislang nur zu früh bzw. zu spät unterwegs, um die hier vorkommende Pflanzenvielfalt in vollem Umfang genießen zu können.

Wiese im NSG Heberberg

Wiese im NSG Heberberg

Zu den Besonderheiten gehören zum Beispiel der Gefranste Enzian, der Deutsche Enzian, der Kreuz-Enzian und mehrere Orchideenarten. Im Endsommer beherrschen die Flockenblumen das Geschehen auf den immer noch bunten Wiesen des Schutzgebietes. Es gibt einen aussichtsreicheren Waldrandweg, aber aufgrund des hervorragenden Erlebnisses sollte man den Weg im Wald des Heberberges nehmen. Der führt durch eine reich strukturierte Waldlandschaft mit einem herrlichen Bestand alter knorriger Bäume. Beherrschend sind die alten Buchen, aber auch zahlreiche andere Baum- und Straucharten sind im Wald angesiedelt. Grenzsteine markieren den ehemaligen Verlauf der Grenze zwischen dem Herzogtum Braunschweig und dem Bistum Hildesheim bzw. dem Königreich Hannover. Da gibt es nichts zu meckern im Naturschutzgebiet. Das ist Walderlebnis pur. Wunderbar schlängelt sich der schmale Pfad durchs Gehölz, dass es ewig so weitergehen könnte. Immer wieder tauchen alte Steinbrüche auf, kleine Waldwiesen finden sich am Wegesrand. So geht es bis zum Ende des Heberberges, wo der Austritt aus dem Naturschutzgebiet schon deutlich auffällt. Denn auch wenn der Wald hier immer noch ziemlich nett ist, ist ihm vielerorts die wirtschaftliche Nutzung anzusehen. Der Trompeterbusch ist noch ausgewiesen, eine vor einigen Jahren neu errichtete Infotafel und der anschließende Waldpfad fehlen allerdings mittlerweile, wohl wieder mal nach “sorgfältigen” Waldarbeiten. “Männer und ihre Spielzeuge” gilt wohl auch für Waldarbeiter und ihre Terminatoren. Am Trompeterbusch soll der Lamspringer Henning Eggers 1626 marodierende Söldner beider Fraktionen, die sich nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge in der Gegend Lamspringes herumtrieben, mit einem Angriffssignal aus seiner Trompete in die Flucht geschlagen haben. Beide Fraktionen glaubten starke Verbände des Gegners im Anmarsch und ergriffen angeblich die Flucht. Auf einem schmalen Parallelpfad zum Forstweg und auf einem Pfad am Waldrand des Schwarzen Holzes geht es schließlich die letzten Meter zurück zum schönen Ausgangspunkt an der Wiese am Schwarzen Holz. 

Am Ende eines Tages...

Lamspringe liegt malerisch und von außen wirken auch die Wälder rings um den Flecken wanderbar. In der Realität ist es vielerorts im Wald durchaus durchwachsen bis gerade so erträglich. Breite Forstwege dominieren leider immer mehr. Kleine Touren bzw. Exkursionen kann man noch zur Süntelbuche bei Gremsheim, zur Burgruine Wohlenstein oder nach Mechtshausen unternehmen, wo Wilhelm Busch seinen Lebensabend verbrachte. Der von uns immer wieder mal erwanderte Weg stellt darum einige der schönsten Wege der Umgebung des Fleckens in den Vordergrund. Leider sehr kurz, dafür aber auch leider sehr geil, erschließt die Runde aufs Feinste den Ort und seine direkte Umgebung mit einem wahrlich wanderbaren Naturschutzgebiet, das in seiner Art im weiteren Umkreis seinesgleichen sucht. Immer eine Fußbreit festen Boden unter den Füßen…

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