Es sollte ein Jahr dauern, unsere fünf Rundwanderungen im und am Ith zu wiederholen, es hat vier Jahre gedauert. Die letzte und kürzeste Runde wurde immer wieder aufgeschoben. Jetzt fanden wir einen Tag, an dem wir unbedingt wandern wollten, es aber zu ungemütlich für eine lange Tour war. Da kam uns der südlichste Abschnitt des Ith gerade recht. Natürlich sollte man auch diesen Weg nach Möglichkeit an einem sonnigen und warmen Frühlingstag absolvieren, weil man dann, wie bei allen anderen Touren im Höhenzug, aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Urige Pfade und naturnahe Wege, faszinierende Felsen mit den entsprechenden Bewohnern aus Fauna und Flora, im Frühjahr zahllose Frühblüher und mehr erwarten den Wanderer auf allen Etappen, auch auf dieser fünften und letzten. Abstriche muss man aber auch immer wieder machen, weil bestimmte Passagen zwischen den Felsen zu bestimmten Zeiten des Jahres gesperrt sind. Ich habe bis jetzt keine Quelle gefunden, bei der man die Zeiten und genauen Wege erfahren kann, sodass ich dazu leider keine allgemeingültigen Informationen geben kann. Wir mussten auch dieses Mal wieder ein ganzes Stück Weg zurückgehen, weil wir auf einmal vor einem Schild standen, das den weiteren Weg wegen Vogelschutz sperrte. Mangels Alternative mussten wir fünfzehn Minuten denselben Weg zurück und einen anderen wählen. Wer schlauer ist als wir, versucht sich vorher über diese Sperrungen zu informieren. Viele Wege in diesem Bereich des Höhenzuges werden auch hauptsächlich noch von Kletterern benutzt und sind teilweise mehr oder weniger “verkrautet”. Diese kleinen Unannehmlichkeiten am Rande werden aber ausgeglichen durch oben genannte Aspekte und ich werde nicht müde zu behaupten, dass der Ith zur rechten Zeit das “Beste im Norden” ist.

Das Naturschutzgebiet Ith

Das Naturschutzgebiet Ith

Fast schon ein Kuriosum, vielleicht aber mehr ein Politikum oder Ökonomikum, dass das 2.715 Hektar große Naturschutzgebiet Ith erst im Jahr 2008 ausgewiesen wurde, obwohl es bereits 100 Jahre vorher dementsprechende Bestrebungen gab. Geschützt wird der gesamte Höhenzug, der eines der größten naturnahen Kalkbuchen- und Schluchtwaldgebiete Niedersachsens darstellt. Dominierend ist hier der Waldmeister-Buchenwald, in dem es zahlreiche Bachtäler, Quellbereiche, Hangmischwälder und Felsbiotope und Offenbodenbiotope gibt. Hier fühlen sich Tiere wie die Wildkatze heimisch, ebenso wie das Große Mausohr, Uhu, Wanderfalke, Grauspecht oder der Schwarzstorch. Die Flora wartet nicht nur mit der immer wieder beworbenen Frühjahrspracht von Lerchensporn und Buschwindröschen auf. Viele andere Frühblüher, wie das Gelbe Windröschen, Märzenbecher, Seidelbast, Lungenkraut, Goldstern, Veilchen, Schlüsselblumen, Scharbockskraut und gerade der in sagenhaften Mengen vorkommende Bärlauch, gestalten den Lenz kräftig mit. Später kann man dann hier weitere “Hingucker” bestaunen, wie verschiedene Fetthennen, das Silberblatt, den Hirschzungenfarn oder einige Orchideenarten, wie zum Beispiel die Mücken-Händelwurz. Nicht vergessen darf man, dass der Ith dazu noch der längste zusammenhängende Klippenzug Norddeutschlands ist, mit vielen als Naturdenkmal ausgewiesenen Felsen, wie z.B. Mönchstein, Adam und Eva, Garwindelstein, Teufelsküche, Krokodil, Umgestülpter Pferdehuf, Pfaffenstein und Kamel.

VLos geht es am Parkplatz Holzen, im Wald am Ende der Hüttenstraße. Etwas weiter unten an der Straße befindet sich das Gelände der ehemaligen Glashütte Holzen, die von 1744 bis 1768 hauptsächlich Flaschen und Flachglas herstellte. Anfang der 2000er Jahre wurden Relikte der Hütte ausgegraben und für die Besichtigung zugänglich gemacht. Wir bekommen am Parkplatz und in der direkten Umgebung erst einmal etliche Informationen zum Ith, zum Wandern und zum Klettern. Die erste Felswand ragt vor uns auf. Passend der Name Parkplatzwand für Kletterer, die ungern lange Fußwege in Kauf nehmen wollen. Auch die weiteren Felsen haben mehr oder weniger fantasiereiche Namen wie Drachenwand, Obiwand, Däumling oder Baumschulenwand. Alle Felsen und Felswände, denen wir heute begegnen, werden zusammengenommen als Holzener Klippen bezeichnet. Der erste langgezogene Felszug des Tages war wie gesagt gesperrt. Ungefähr an der Drachenwand mussten wir zurückkehren. Die dahinter gelegenen Höhlen, die Nasensteinhöhle und die Kinderhöhle, in der prähistorische Kinderskelette gefunden wurden, haben wir auch in früheren Jahren nie besucht, weil wir sie nie wirklich gesucht haben. Höhlen sind zwar immer spannend, unser Hauptaugenmerk liegt aber immer auf den oberirdischen Bestandteilen der Schöpfung. Von dem etwas weiter entfernt und parallel verlaufenden Weg hat man im zeitigen Frühjahr noch gute Ausblicke auf die imposanten Felsen. Den noch weiter unten verlaufenden Weg, auf dem der Roswithaweg, der Ith-Hils-Weg, der Pilgerweg und der Europäische Wanderweg 11 verlaufen, kann ich nicht empfehlen. Hier sieht man gar nichts mehr. Auf dem Zwischenweg liegen zumindest noch von oben herabgestürzte Felsbrocken im Gelände und man hat in der blattlosen Zeit gute Durchblicke. Am nächsten Abzweig gehen wir dann wieder rechts hinauf zum Höhenweg, der uns zu den Felswänden des Rothestein führt. Das ist wie fast überall im Ith ein genialer Höhenpfad, wie man ihn nicht allzu häufig antrifft.

Faszinierende Felsen und ihre Bewohner (2015)

Faszinierende Felsen und ihre Bewohner (2015)

Immer wieder tauchen dazu am Wegesrand oder in einiger Entfernung bizarre Felsgebilde auf, die den Jahrtausenden und Jahrmillionen getrotzt haben. An die Einschränkungen bezüglich der Begehbarkeit der Felsen sollte man sich ruhig halten. Erstaunlich, wie oft man Leute, die sich selbst wohl als “Naturfreunde” bezeichnen würden, überall rumlatschen sieht, nur um ein beklopptes Selfie von irgendeiner Felsspitze zu schießen. Von den auf Karten eingezeichneten Wegen zwischen den Felsen würde ich abraten. Am besten geht man oberhalb der Rothesteinwand an den Klippen vorbei und steigt dann unterhalb ein. Hier kann man die Felsen des Ith und die hier vorkommende Vegetation aus nächster Nähe bewundern. Ein kleines Paradies für Liebhaber von Moosen, Flechten, Farnen und anderen Felsbewohnern. Die höher im Fels der Rothesteinwand gelegene Rothesteinhöhle, benannt nach dem unterhalb gelegenen, wüst gefallenen Ort Rothe, ist temporär zugänglich. Etwas weiter gibt es noch die Soldatenhöhle, in der sich im Siebenjährigen Krieg Soldaten versteckt hatten. Wie ich gerade bei den Recherchen las, soll es im Ith sogar an die 60 Höhlen geben, in denen etliche prähistorische Funde gemacht wurden, die auf Menschenopfer und eventuellen Kannibalismus hindeuten. Auf dem Wilhelm-Raabe-Wanderweg geht es jetzt hinab zum breiten Hauptweg, den man auch nehmen kann, um zu den Ithwiesen zu gelangen. Wir bogen bei erster Gelegenheit ab, um den kürzeren Weg zu nehmen, der zwar nicht mehr im allerbesten Zustand ist, der uns aber näher an den Felsen bleiben lässt. Wir kommen am Eingang der Bärenhöhle vorbei, der eigentlich nur ein durch Felsblöcke markiertes und vergittertes Loch im Boden ist. Die Höhle selbst soll sehr tief in den Fels führen. Wir ziehen weiter und erreichen kurze Zeit später bereits die Ithwiesen mit dem gleichnamigen Naturschutzgebiet zwischen der ehemaligen Reichssegelschule Ith (heute unter anderem Bildungszentrum) und dem Flugplatz am Ith.

Das Naturschutzgebiet Ithwiesen und der Flugplatz

Das Naturschutzgebiet Ithwiesen und der Flugplatz

Auch das Naturschutzgebiet Ithwiesen wurde, wie das größere und angrenzende Naturschutzgebiet Ith, erst Anfang der 2000er Jahre (2007) unter Schutz gestellt. Es ist ungefähr 278 Hektar groß und erstreckt sich mit seinem größten Teilgebiet zwischen den Ortschaften Capellenhagen im Norden und Holzen im Süden. Unter Schutz gestellt wurde hier ein durch Grünland geprägtes Gebiet mit weitestgehend flachgründigen, überwiegend kalkreichen Böden. Die Wiesen sind eines der größten zusammenhängenden Grünlandgebiete im niedersächsischen Berg- und Hügelland.

Integriert in die Ithwiesen ist der Flugplatz Ithwiesen, genutzt von einem der ältesten Luftsportvereinigungen Deutschlands. Ende der 1920er Jahre wurden die ersten Segelflugzeuge in Eigenarbeit gebaut und kurz darauf entstand die ersten Flugzeughalle. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erfolgte 1934 die Gleichschaltung der Vereine. Die selbst errichtete Halle musste abgerissen werden. Ab 1939 war kein Segelflug im Vereinssport mehr erlaubt und 1942 wurde auf dem Ith eine Reichssegelflugschule eingeweiht. Alle Bestrebungen zielten darauf ab, möglichst schnell möglichst viele Piloten heranzuziehen. Nach dem Krieg bis 1950 wurde der Platz durch die britischen Besatzungstruppen genutzt. In den 1950er Jahren konnte dann wieder der alte Vereinssport die Nutzungsrechte für sich beanspruchen.

Links sehen wir die Gebäude des Bildungszentrums, während wir den Wiesen entgegenstreben. Etwas weiter dahinter, auf der anderen Seite der Bergseitenstraße, befand sich einst das Restaurant “Silbervogel”. Dieses war ansässig in einer 1969 von der Lufthansa in den Ruhestand versetzten Vickers 814 Viscount, die danach umgebaut und 1971 als außergewöhnliches Restaurant eröffnet wurde. 2002 wechselte das Flugzeug den Besitzer und dieser zog mit der Maschine nach Hannover um, wo sie heute noch ein griechisches Restaurant beherbergt. Siehe www.restaurant-silbervogel.de. Ich kann mich noch gut aus meiner Kindheit und Jugend an den immer wieder außergewöhnlichen Anblick erinnern. Heute sieht es auf dem ehemaligen Gelände eher aus wie auf einem Schrottplatz. Nur das Eingangsschild ist (noch) übriggeblieben. Für uns geht es weiter in die Ithwiesen und durch das gleichnamige Schutzgebiet, wobei wir uns anfangs am Rand des Flugplatzes bewegen. Herrlich ist bei gutem Wetter hier die Aussicht in die uns umgebende Landschaft. Da wir die Ithwiesen bisher immer zur “falschen” Zeit durchwanderten und es auch nicht gerade üppige Informationen gibt, kann ich nicht sagen, was hier blüht und wann. Da wäre es durchaus angebracht, mal zu einer blütenreicheren Zeit hier wandern zu gehen. Aber auch so macht es Spaß, hier zu gehen und es stellt auch ein völliges Kontrastprogramm zur ersten Hälfte der eh nur kurzen Runde dar. Links der deutlich durch den Bergbau geprägte Hils, der zumindest für uns nach einigen Reinfällen, abgesehen vielleicht vom Höhenweg, kein wanderbarer Höhenzug mehr ist. Aber aus der Ferne sieht er ganz nett aus. Am Ende der Wiesen geht es dann wieder in den Wald hinein und wenige hundert Meter weiter erwartet uns mit dem Parkplatz Holzen auch schon wieder unser Ausgangspunkt.

Am Ende eines Tages...

Endlich ist es wieder geschafft, wobei wir diese fünf Rundwanderungen im Ith hoffentlich noch einmal oder mehrere Male wiederholen können. Geplant ist jetzt auch noch eine Komplettbegehung des Höhenweges von Holzen nach Coppenbrügge, wobei wir dann eine Strecke ein Taxi nehmen müssten. Mal sehen, was draus wird. Der Ith, der uns im Grunde genommen zu unserer “Wanderkarriere” verholfen hat, ist für uns immer wieder “Heilige Pflicht”. Wer hier gerne war, ist und sein wird, wird nicht widersprechen, dass dieser Höhenzug wahrlich zum schönsten zählt, was der Norden unserer Heimat zu bieten hat.

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