Der Drakenberg ist ein kleiner Geheimtipp im Göttinger Land. Dass dieses einiges zu bieten hat, haben wir erst recht spät vor ungefähr zehn Jahren entdeckt. Seitdem zieht es uns immer wieder in die Gegend der altehrwürdigen Universitätsstadt. Den Drakenberg haben wir bislang dreimal erkundet, davon zweimal in Verbindung mit dem Bratental nördlich der Bundesstraße 27. Da uns die zweimalige Überquerung der sensationell stark befahrenen Straße etwas gestört hat und man beiden Gebieten, dem Drakenberg und dem Bratental, nicht wirklich gerecht wird, wenn man sie gemeinsam “abläuft”, haben wir uns dieses Mal entschieden, beiden Gebieten eine eigene Wanderung zu gönnen. Relativ wenige Bilder, wenige Marker auf der Karte und vermeintlich wenige Erlebnisse habe ich angegeben – aber das täuscht sehr darüber hinweg, dass diese elf Kilometer nahezu durchgehend ein tolles Erlebnis waren. Irgendwo las ich mal in den schier unendlich erscheinenden Weiten des Netzes, dass der Bergzug einst für seinen Orchideenreichtum bekannt war. Einige wird es wohl in den Trocken- und/oder Magerrasengebieten noch geben, wobei wir bislang immer zur dafür falschen Zeit hier wandern waren. Die beiden ersten Male starteten wir von dem Parkplatz an der Knochenmühle. Früher nannte man seinen Arbeitsplatz so, wenn man einer körperlich harten Arbeit nachging, die dazu führte, dass die eigenen Knochen “zermahlen” wurden. Dass es entsprechende Mühlen wirklich gibt, erfuhr ich erst später. Hier wurden also früher die Knochen geschlachteter Tiere zermahlen, das austretende Öl in der Feinmechanik genutzt und das entstehende Mehl als organischer Dünger verwendet. Dieses Mal starteten wir allerdings vom Parkplatz im Hollandsgrund. Ein Stück weiter gibt es dann am Ende der Ombornstraße noch einen Wanderparkplatz.

Ein nettes Aussichtsplätzchen

Ein nettes Aussichtsplätzchen

Als wir ankamen, war der Platz noch leer, als wir zurückkamen, war er völlig zugeparkt. Trotzdem begegneten wir wenigen Menschen, sodass ich davon ausgehe, dass viele Menschen eher die Wege in den Göttinger Wald und zum Kerstlingeröder Feld nutzen, das wir ja auch von mehreren Touren kennen. Der Hollandsgrund ist ein nettes Fleckchen Erde, wir streben die uns umgebenden Hänge hinauf, um ein wenig die Aussicht von oben zu genießen. Wer übrigens die “Sehenswürdigkeiten” des Tages lieber in der zweiten Hälfte des Tages genießen will, dem sei ans Herz gelegt, die Runde andersherum zu machen. Wir gehen vom Parkplatz aus den Hollandsgrund ein Stück zurück, queren die Ombornstraße und gehen hinaus in die grüne Landschaft. Ein grasiger und strauchiger Weg führt uns in Richtung Herberhausen, dann machen wir eine scharfe Kehre und gehen zurück bis zum Kühlacker. Auf diesem Abschnitt haben wir schon tolle Aussichten zum herbstlichen und ungefähr zur Hälfte als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Göttinger Wald. Mit den Jahren bekommt man auch ohne forstwirtschaftliche Ausbildung einen Blick für Wälder mit wanderbarem Potenzial. Ein homogen dastehender Laubmischwald wie dieser ist kein Garant für schöne Wege und einen schönen Wandertag, aber er erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür schon merklich. Es geht gemächlich weiter hinauf bis zu einer schönen Aussichtsbank, dann durch ein Waldstück nach links, um auf die Anhöhe des Drakenberges zu gelangen. Um dem sehr freundlichen Berg ein paar Kilometer mehr abzutrotzen, geht es heute ein wenig hin und her. Kaum oben angekommen, wenden wir uns wieder nach links und machen an einer Bank einen Abstecher fast hinab nach Herberhausen. Dieser kleine Schnuffelpfad ist bei feuchtem Untergrund eine kleine Herausforderung, die aber zu meistern ist. Wir gehen oberhalb des Ortes entlang mit netten Ausblicken, bevor wir uns langsam in Richtung Hasenknüll bewegen.

Der südliche Göttinger Wald

Der südliche Teil des Göttinger Waldes, zwischen Roringen im Norden, Lengden im Süden, Mackenrode im Osten und Göttingen im Westen, ist schon ein naturnahes Kleinod. In weiten Teilen, auf über 1600 Hektar Fläche, wird von engagierten Forstamtsmitarbeitern seit über 100 Jahren zunehmend naturnah gewirtschaftet, auch damit der Wald den Göttingern als ein Naherholungsgebiet erster Güteklasse dienen kann. Neben etlichen Kleinbiotopen und Naturwaldzellen ist auf einer Fläche von ungefähr 1193 Hektar der nördliche Teil des Gebietes seit 2007 als Göttinger Stadtwald und Kerstlingeröder Feld unter Naturschutz gestellt. Dieser Teil stellt den größten zusammenhängenden Kalk-Buchenwald-Komplex der Region dar. 200 Hektar umfasst dabei das zentrale Kerstlingeröder Feld mit seinen Freiflächen. Hier befand sich einst eine Siedlung, nach deren Aufgabe ein Gutshof, sodass hier mehrere Jahrhunderte lang eine extensive Landwirtschaft betrieben wurde. Auch die Nutzung des Feldes als Truppenübungsplatz bis 1992 kann im Nachhinein als Segen angesehen werden, da der Zustand des Geländes dadurch weitestgehend konserviert wurde. Der westliche Teil des Waldes unterliegt der stärksten Nutzung durch die Göttinger. Hier findet man unzählige schmale Wege und Pfade, die zum Beispiel den Bismarckturm, das Sengersfeld, den Hainholzgraben, die Tonkuhlenwiesen am Hainberg oder das Wildgehege erschließen. Zwischen dem Kerstlingeröder Feld und der Mackenröder Spitze liegt das große Naturschutzgebiet mit mehreren Naturwäldern, unter anderem am Wedehagen und an den Fuchslöchern. Hier finden sich wenige schmale Wege, aber das herrliche Naturerlebnis kann dadurch nicht getrübt werden. Der südliche Teil ist wohl den Niedersächsischen Landesforsten unterstellt, deren modernes Wirtschaften uns schon sehr oft an vielen Stellen sauer aufgestoßen ist. Trotzdem findet man auch hier noch schöne Wege und mehr oder weniger naturnahe Wälder. Da die Fülle an Informationen zu Fauna und Flora und weiteren Aspekten des Göttinger Waldes schier unglaublich ist, verlinke ich hier lieber nur auf einige externe Sites, bei denen ich mich auch damit versorge.

Das ist doch bislang alles ganz wunderbar, so kann es bleiben und es bleibt auch so. Ein grüner Feldweg führt uns den Berg hinauf zu mehreren Bänken und, falls benötigt, einer ein paar Meter abseits des Weges gelegenen Schutzhütte. Wir machen noch einmal einen kleinen Schlenker zur Anhöhe des Drakenberges, um auf einem auf beiden Seiten schön bewachsenen Weg zu zwei herrlichen alten Linden am Waldrand zu gelangen. Hier kann man ebenfalls noch einmal ein Päuschen einlegen oder man wartet die paar Meter bis zum Hasenknüll mit seiner heiß umkämpften “Gipfelbank”. Als wir das zweite Mal hier waren, konnten wir eine Pause einlegen und den Platz, das Denkmal und die Aussicht genießen. Das erste und auch dieses Mal war der Hasenknüll als Weide eingezäunt und Schafe hatten es sich dort extrem gemütlich gemacht. Die wolligen “Hügelbesetzer” sind Teil eines Weidekonzepts der Biologischen Schutzgemeinschaft Göttingen, in dessen Rahmen seit 2015 etliche Flächen im Raum Göttingen, mittlerweile sind es 13, als schützenswerte Biotope erhalten werden. Der Kartoffelstein ist ein kleiner Obelisk aus Muschelkalk, der 1852 von der Herberhäuser Kirchengemeinde wegen einer reichen Kartoffelernte nach mehreren Missernten aufgestellt wurde. Der Hasenknüll selbst ist wegen seiner mitteleuropäischen Trockenrasen- und Steppenflora als Flächen-Naturdenkmal ausgewiesen. Hier findet man unter anderem mehrere Orchideenarten und das Hohe Windröschen. Da unsere drei Wanderungen zur “falschen” Zeit stattfanden, haben wir bislang nicht viel von den botanischen Reizen mitbekommen, die es auch anderswo am Drakenberg garantiert gibt. Aber auch abseits dieser Jahreszeit(en) macht es unheimlich viel Spaß, diese schöne Landschaft zu genießen.

Landschaft zwischen Nikolausberg und Roringen

Landschaft zwischen Nikolausberg und Roringen

Hinter dem Hasenknüll geht es hinaus in die Feldmark oberhalb der tagsüber stark befahrenen Bundesstraße 27, dann rechts hinauf zum Waldrand. Auf dem Weg bis hierher genießen wir schöne Aussichten, zum Beispiel über die Knochenmühle ins Leinetal und auf die Landschaft zwischen Nikolausberg und Roringen, wobei wir dort schon ins Naturschutzgebiet Bratental blicken, das wir hoffentlich bald auch mal wieder besuchen werden. Der Waldrandweg bzw. Waldrandpfad ist wanderbar und führt uns letztendlich zu einer Kehre, hinter der wir noch einmal auf die Hochfläche des Drakenberges zurückkehren. Einfach geil hier oben und man begegnet eigentlich immer Spaziergängern aus Roringen und Herberhausen. Bevor wir Roringen erreichen, wenden wir uns nach rechts und betreten das Naturschutzgebiet “Göttinger Stadtwald und Kerstlingeröder Feld”. In diesem nordöstlichen Teil des Schutzgebietes sind die Wege entweder verkrautet oder breit. Als Ausgleich bekommt man als Wanderer aber einen seit langem weitestgehend naturnah bewirtschafteten Wald. Die Fahlenbuschstraße führt uns durch diesen äußerst freundlichen Wald bis zum Arboretum Fahlenbusch mit angeschlossenem Parkplatz. Noch einmal wandeln wir durch den gerade im Herbst prächtigen Wald, dann erreichen wir eine weitere naturhistorische Besonderheit. In einem ehemaligen Steinbruch finden wir die versteinerten Rippel eines Muschelkalkmeeres. Diese Strukturen stammen aus einer Zeit vor ungefähr 240 Millionen Jahren, als unsere Gegend sich dort befand, wo heute der Südrand der Sahara liegt. Vor 240 Millionen Jahren tummelten sich hier zahlreiche Wasserbewohner in einem flachen Nebenmeer. Haben wir uns das Ganze zur Genüge angesehen, geht es die letzten paar Meter bergab zu unserem Ausgangspunkt im Hollandsgrund.

Am Ende eines Tages...

Das Göttinger Land – immer wieder eine Reise wert. Natürlich hat die Gegend auch kulturell etliches zu bieten, für uns sind es zahlreiche Naturschätze, die den Reiz ausmachen. Die Abris und sowieso zahlreiche Felsen in der Gegend, herrliche Wälder, schmale Pfade, botanische Besonderheiten und vieles mehr warten auf ausgiebige Erkundung durch neugierige und freundlich gesinnte Besucher. Der Drakenberg liegt zwischen bekannteren Gebieten, zwischen zwei herrlichen Naturschutzgebieten, sollte aber wirklich nicht unterschätzt werden und bietet eine ganze Fülle an wanderbaren Erlebnissen.

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