Haha! Über 100 Kilometer Anfahrt für lumpige 5 Kilometer! Warum tut man sich das an? Weil es zum Langenberg geht, der auf kurzer Strecke sehr viel liefert und ziemlich isoliert in seiner umtriebigen Umgebung liegt. Der östliche Teil des kleinen und schmalen Höhenzuges, der von der Straße zwischen Göttingerode und Harlingerode geteilt wird, ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der westliche ist zwar “nur” Landschaftsschutzgebiet, ist aber ebenfalls ein mindestens ebenbürtiges Naturrefugium. Drumherum befinden sich hauptsächlich ältere und jüngere Wohnsiedlungen und (ehemalige) Industrie. Was einem hier auf engstem Raum geboten wird, ist aller Ehren und für uns immer mal wieder einen Besuch wert. Bis auf die letzten fünf Fotos in der Galerie sind alle neu aus dem Juni 2019. Die letzten zeigen einige erstaunliche Beispiele der Flora und Fauna des Westlichen Langenberges aus anderen Jahren und Jahreszeiten. Bis in die 1980er Jahre dauerte es, bis die Ausweisung des Östlichen Langenberges als Naturschutzgebiet und ein Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes den Plänen der ehemaligen Steinbruchbetreiber (hoffentlich) endgültig ein Ende setzten. Die hatten im Einverständnis mit den Gemeinden Harlingerode und Göttingerode beschlossen, sozusagen den kompletten Höhenzug abzubauen. Als ob das Viereck Oker, Harlingerode, Schlewecke und Göttingerode durch den jahrhundertelangen Bergbau nicht schon landschaftlich gebeutelt genug wäre.

Blick zum Sudmerberg

Blick zum Sudmerberg

So bleibt uns ein kleines, aber wirklich feines Stückchen kulturell geformter Natur zumindest vorerst erhalten. Für den Besuch hier empfiehlt sich die Zeit von Mai bis August, am besten mehrfach. Parken kann man sehr gut an dem Wasser-Hochbehälter an der Straße zwischen Harlingerode und Göttingerode, direkt an der scharf abknickenden Straße. Wir gingen entgegen dem Uhrzeigersinn erst über den Westlichen Langenberg, der ganzheitlich gesehen einfach mehr zu bieten hat als der Östliche Langenberg. Also wäre es, wenn man das “Sahnehäubchen” am Ende haben möchte auch durchaus sinnig, zuerst durch das NSG Östlicher Langenberg zu gehen. Natürlich gibt es auch hier viel zu sehen in einer schönen Landschaft. Bevor es losgeht und ich es vergesse: Viele Infos zum Langenberg bekommt man auf der tollen “Harzburger Wanderseite”. Der Günther ist einheimisch, hat einen tollen Schreibstil, viel Humor und ist ein wesentlich besserer Kenner der heimischen Flora und Fauna. Hier mal der Direktlink zu einem Spaziergang am Langenberg. Nach dem mütterlichen Motto “Du kannst alles essen, aber nicht alles wissen”, ist unser Wissen über Flora und Fauna und vieles mehr recht begrenzt und nach einigen selbst gefundenen Fehlern beschränke ich mich, wenn ich mir unsicher bin, nur noch auf die Nennung der Gattung. Vielleicht beschäftige ich mich irgendwann noch näher damit, aber momentan geht das reine Erleben der Kultur und Natur noch vor. Den Pflanzen ist es wahrscheinlich eh egal, wie der Mensch sie nennt und klassifiziert. Witzigerweise habe ich gerade eben bei der Recherche bemerkt, dass ich anscheinend nie einen Unterschied zwischen Witwenblume und Skabiose gemacht habe. Da die beiden Kardengewächse noch relativ “einfach” zu unterscheiden sind, werde ich da jetzt wohl mal drauf achten müssen.

So, jetzt aber langsam los. Jeder kann hier laufen wie er will, eine richtige Wanderung ist das sowieso nicht. Wir starteten am Parkplatz an der Göttingeröder Straße, gingen ein Stück die Straße hinauf und dann nach rechts in das Gebiet des westlichen Teils des Langenberges. Wer sich den “Alpenpfad” am Steinbruch nicht antun kann oder will, geht die Straße stattdessen hinab und in der nächsten Kurve nach links in die Ellernwiesen. Dann kann man den von uns jetzt zurückgelegten Weg als Rückweg zur Straße nehmen. Nach einem kurzen Stück im Wald öffnet sich die Landschaft für uns und gibt erste Blicke ins nördliche Harzvorland preis. Ein wenig ärgerlich sind die sich immer stärker vermehrenden Biotom-Meiler, aber die übersehen wir heute geflissentlich. Vielleicht laufen die Menschen irgendwann nur noch mit VR-Brillen durch die Gegend und können dann unangenehme Landschaftsmerkmale einfach per Sprachkommando ausblenden. “Alexa! Blende alle Windkraftanlagen aus.” Vielleicht gibt es dann aber auch keine Landschaft mehr und diese wird komplett virtuell erzeugt. Wie das hier einstmals aussah und inwieweit die Landschaft hier durch den Bergbau entstanden ist, lässt sich für den Laien nur schwer feststellen. Dass die umliegenden Bergbaubetriebe und Hüttenwerke, wie die Zinkhütte Harlingerode, keinen Einfluss genommen haben, wird eher unwahrscheinlich sein. Zahllose verschiedene Bäume und Sträucher haben sich hier angesiedelt, den eindrücklichsten Eindruck hinterließen für mich die schönen, frei stehenden Kiefern und die vielen Sanddornsträucher, denen man in freier Natur in unseren Breitengraden auch nicht allzu häufig begegnet. Unser Weg ist ein schmaler Pfad, im Sommer mehr oder weniger verkrautet. Schutz vor beißenden und blutsaugenden Insekten kann nützlich sein, wenn es denn welchen gibt. 

Gefährliches Halbwissen ist besser als nichts...

Zecken, Lausfliegen, Bremsen & Co.! Welcher Wanderer hat noch keine Begegnungen gehabt? Lästig, aber von der Schöpfung wohl einem dem Menschen nicht gänzlich verständlichen Zweck dienlich. Zecken hatten wir schon mindestens Hunderte. Bei einer Wanderung am Külf waren es mal ungefähr 60, die ich mir im Laufe des Tages absammelte oder rauspuhlte. Ich kratze mir die kleinen Racker immer gleich an Ort und Stelle ab, der Kopf bleibt dabei meistens stecken, “buttert” dann nach einigen Tagen aber von selbst raus, wie mein ehemaliger Hausarzt, der selbst lange mit Borreliose zu kämpfen hatte, es immer so nett formuliert hat. Die gefährlichen Krankheiten werden, je nach Entwicklungsstadium der Tiere, gar nicht oder in einem recht kurzen Zeitfenster übertragen. Borreliose hatte ich schon mal, glücklicherweise ist die damit einhergehende Wanderröte gut erkennbar und ich wurde rechtzeitig behandelt. Impfen hilft wohl, Zecken-Sprays vielleicht.

Mein persönlicher Gegentipp zu den allgemein verbreiteten Tipps: Bloß keine lange und/oder geschlossene Kleidung. Vor allem im Sommer holt man sich höchstens einen Hitzschlag und schlechte Laune. Auf der Haut, noch besser auf behaarter Haut, bemerkt man die kleinen Krabbler, die ähnlich dem Menschen immer versuchen von unten nach oben zu streben, viel besser. Es kitzelt, man guckt, man sammelt ab. Im hohen Gras kommen die Biester auch gerne mal über die Hände und die Arme. Also kurze Hosen und Oberteile, auf kitzeln achten und immer mal nach unten auf Füße, Beine, Hände, Arme gucken. Bei langen Hosen krabbeln die Biester außen oder innen im Hosenbein hoch und man merkt gar nichts. So schleppt man die Zecken mit etwas Pech in den Klamotten bis nach Hause. Ebenso lästig und potenziell nicht weniger gefährlich sind Lausfliegen, Bremsen, Mücken, Wadenstecher und andere. So manch harmlos aussehendes Insekt entpuppt sich als potenziell aggressiv. Letztens wurde ich sogar von einer Marienkäfer-Larve gebissen. Das Leben und damit auch das Wandern sind gefährlich und letztendlich immer tödlich. Also Augen auf und durch…

Zecken gab es keine an diesem Tag, nur ein paar Lausfliegen, die entdeckt wurden oder ihren “Irrtum” rechtzeitig selbst bemerkten. Genießen wir aber lieber wieder die schöne Landschaft, die unheimlich viel zu bieten hat. Einen derart großen Artenreichtum auf so kleinem Raum erlebt man nicht an vielen Orten. Massenbestände der Flockenblume, die bis in den Herbst blühen. Ebenso viel Großer Ehrenpreis, dazu Natternkopf, Stockrose, Wiesen-Margerite, Färberkamille, verschiedene Karden und Disteln, Gelber Wau, Heidenelke, Baldrian, Klatschmohn, Pracht-Nelke, Fransen-Enzian, Golddistel, Thymian, Dorniger Hauhechel – um nur einige der auffälligeren Pflanzen zu nennen, die hier eine Heimat gefunden haben und im Laufe des Jahres entdeckt werden können. Sogar einige Herbstzeitlose verstecken sich hier im hohen Gras. Zahllose Insekten, wie zum Beispiel Widderchen und Schmetterlinge, darunter auch der prächtige Schwalbenschwanz, bevölkern die artenreichen Wiesen. Hier verweise ich noch einmal auf den Bericht auf der Harzburger Wanderseite, der in dieser Hinsicht wesentlich mehr zu bieten hat. Es ist auf jeden Fall eine Pracht und ein Erlebnis, das man hier so nicht erwarten würde. Dazu kommen dann noch die Aussichten in die weitere Umgebung und die Einsichten in den teils “renaturierten” Steinbruch. Das ist ein Erlebnis.

Gesamtansicht des Steinbruchs

Gesamtansicht des Steinbruchs

Im Kalksteinbruch Langenberg wurden übrigens 1999 die Überreste des Europasaurus und anderer Saurier gefunden. Die bislang einzig hier entdeckte Sauropoden-Art war im Gegensatz zu vielen ihrer Artgenossen verzwergt, vielleicht wegen der Isolation auf einer wegen des steigenden Meeresspiegels kleiner werdenden Insel mit abnehmendem Nahrungsangebot. Am Steinbruch wenden wir uns nach links und gehen an der Kante des Steinbruchs zurück. Auch für nicht Schwindelfreie ist der geeignet, der Aufstieg zum “Gipfel” ist allerdings eine Nummer. Bei unserem Besuch war der in der OpenStreetMap verzeichnete Weg verkrautet und wir gingen ein Stück weiter auf einer breiten Schneise hinauf. Die war so steil und rutschig, dass wir irgendwann nahezu auf allen Vieren hinaufklettern mussten, immer eine Hand in ein Grasbüschel am Rand geklammert. Die Aussicht von dort oben belohnt die Mühe. Nahezu der gesamte Steinbruch ist von hier einzusehen. Nach einem kurzen, wieder blütenreichen Abstieg geht es auf einem etwas schwer erkennbaren Weg, der ebenfalls auf der OpenStreetMap eingezeichnet ist, durch ein Wäldchen hinab zur Straße und schließlich hinüber zum als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Östlichen Langenberg. Das NSG Östlicher Langenberg wirkte jetzt Ende Juni dagegen recht karg und artenarm, was natürlich auch an den vor kurzem gemähten Wiesen lag.

Unter Schutz stehen hier Halbtrockenrasen, Grünlandgesellschaften sowie wärmeliebende, Trockenheit ertragende Krautsäume der Gebüsche und Wälder und die an diesen Standorten natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenarten. Zur rechten Zeit, die wir hier leider noch nicht wirklich erwischt haben, ist wohl jede Menge los. Da auch wieder der Verweis auf die Harzburger Wanderseite. Eine einzige Herbstzeitlose konnten wir hier bisher entdecken, der Günther hat ganze Wiesen voll dokumentiert. Aber die Landschaft an sich ist prächtig, die Ausblicke zum Harz, nach Bad Harzburg, zur Harzburg und zum Brocken sind schön und etliche Pflanzen bevölkern die Hänge des Berges. Die genehmigten Wege sind hier oft nicht leicht erkennbar, der gesunde Menschenverstand muss in diesem Fall die Schritte lenken. In den kleinen Wäldchen am Wegesrande findet man wohl die Überreste von Steinbrüchen. Wir haben sie aus Rücksichtnahme noch nicht betreten. Man muss nicht auf Teufel komm raus alles gesehen haben. Auf der Premium-Aussichtsbank kann man nach dem Durchstöbern der Landschaft eine letzte Rast mit herrlicher Aussicht, unter anderem nach Bad Harzburg einlegen, bevor es zurück zum Parkplatz geht. 

Am Ende eines Tages...

Wer Zeit hat, kann Ende Juni bis in den August noch locker vorbeischauen. Viele Pflanzen sind in der Hauptblüte, etliche wie die Flockenblumen haben ihren Zenit noch nicht überschritten und einige, wie der Fransen-Enzian und die Herbstzeitlose, kommen erst noch. Wegen der tollen Wege und der vielen Aussichten ist der Langenberg fast immer einen Besuch wert und auch uns wird er dieses Jahr vielleicht noch einmal rufen. Eng verbunden ist der kleine Höhenzug mit der ihn umgebenden Bergbaugeschichte, die unübersehbar ist und über die ich dieses Mal nichts erzählt habe. Trotz des Hauptaugenmerk auf die touristischen Großziele des nahen und sich rasch entwickelnden Bad Harzburg, trotz der direkten Nähe zu ehemaligen Hütten, Gruben, Brüchen und den ihm von allen Seiten auf den Leib rückenden Menschen, ist und bleibt der Langenberg hoffentlich ein erstaunliches Fleckchen Erde im nordwestlichen Harzvorland…

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