Mit diesem Beitrag, der zum Zeitpunkt der Erstellung der neuen Site aktuellsten Wanderung, läute ich die neue Website und die neue Domain “hi-king.de” ein. Die Umgebung der als Universitätsstadt bekannten, südniedersächsischen Metropole Göttingen hat in Sachen Wandern eine ganze Menge zu bieten. Gerade die Waldgebiete westlich und östlich des Leinetales sind äußerst wanderbar. Wir haben das für uns erst relativ spät entdeckt, aber seitdem zieht es uns immer wieder hierher. In einer der Göttinger “Paradegegenden” rund um die weithin sichtbare und bekannte Burg Plesse, haben wir bereits einige Wanderungen absolviert, aber alle hatten bislang einen No-Go-Abschnitt, der einen Beitrag verhinderte. Auch dieses Mal wurden uns Steinchen in den Weg gelegt, die wir aber mehr oder weniger geschickt umgehen konnten, sodass ich jetzt endlich eine in der Länge etwas eingedampfte Tour einstellen kann, die es durchaus in sich hat. Parken kann man sehr gut direkt an der Burg oder am Mariaspring, wobei letzterer Platz vielleicht etwas ruhiger daherkommt. An der Plesse ist nämlich in der Regel jede Menge los, aber um die kümmern wir uns erst am Ende der Runde.

Im Wald des Wittenberges

Im Wald des Wittenberges

Erst einmal lassen wir den Trubel hinter uns und verschwinden am Parkplatz im Wald. Nach wenigen Metern war niemand mehr da außer uns, da es die meisten auf die breiteren Wege und die im Friedwald Plesse zieht, die wir heute vollkommen meiden. Der Pfad an der teils felsigen, westlichen Kante des Wittenberges ist sehr freundlich und führt uns durch einen ebenso freundlichen Laubmischwald. Im Plessforst hat die Rotbuche einen Anteil von über fünfzig Prozent, die restlichen Laubbaumarten sind zum Beispiel Ahorn, Esche, Eiche und etliche Exemplare der seltenen Elsbeere. Nadelbäume wie Fichten, Kiefern, Lärchen und Douglasien sind in geringeren Mengen vorhanden. Hier ist der hohe Anteil an der Europäischen Eibe bemerkenswert, die mit über 800 Exemplaren auf engem Raum den größten Bestand in Nordeuropa haben soll. Vereinzelt stehen die “Schattenparker”, leicht erkennbar durch ihre einzigartig dunkelgrüne Silhouette, überall im Wald. Auf schmalen Pfaden und Wegen erreichen wir das Gelände der Fliehburg Wittenburg, das nicht sonderlich ausgewiesen oder erklärt ist. Hier nutzten die Bewohner der Gegend, nachweislich seit dem ersten Jahrtausend vor Christi Geburt, die natürlichen Begebenheiten, um sich in Notzeiten in leicht zu verteidigendes Gelände zurückzuziehen.

Ein Stück weiter erreichen wir dann am Krummen Altar das Ende des Bergsporns am Wittenberg, an dem sich ein momentan sehr eingeschränkter Aussichtspunkt befindet. Im blattlosen Frühjahr mag man noch einen besseren Durchblick haben, jetzt im Sommer war trotz meiner Körperhöhe nicht viel zu erhaschen. Auf netten Wegen geht es weiter durch den ebenso netten Wald zum Frankenberger Weg. Vor einigen Jahren wollten wir noch bis zur eisenzeitlichen Wallanlage der Ratsburg und dann über den schmalen Pfad an der Grenze zwischen Bovenden und Göttingen weiterwandern. Erstere erreichten wir aufgrund schwieriger Wege nicht, der einst sehr schöne Grenzweg war weitestgehend verkrautet und verwuchert. Vielleicht sieht es da heute wieder besser aus. Wir durchwandern jetzt ein Stück des Friedwaldes an der Plesse, kommen am Friedwald-Pavillon vorbei und folgen dem schönen Waldweg in Richtung Hainberg.

Die Burg Plesse

Die Burg Plesse

Die Burg Plesse, vermutlich kurz zuvor im Auftrag der Grafen von Reinhausen-Winzenburg erbaut, wurde 1015 erstmals urkundlich erwähnt, als sie in den Besitz des Bischofs von Paderborn überging. 1150 zog das Adelsgeschlecht de Huckelem (Höckelheim) als Verwalter auf die Burg und änderte den Familiennamen kurz darauf in Plesse. Ab 1200 entzogen sie sich dem Bistum Paderborn, gründeten ihr eigenes Herrschaftsgebiet, unterstellten sich in der Mitte des 15. Jahrhunderts den Landgrafen von Hessen und blieben bis zum Erlöschen der Linie im Jahr 1571 im Besitz der Burg, die dann in den Besitz des Landgrafen von Hessen-Kassel überging. 1627 wurde die Burg im Zuge des Dreißigjährigen Krieges von kaiserlichen Truppen belagert, ab 1660 wurde sie aufgegeben und von den Einwohnern umliegender Ortschaften als Steinbruch genutzt. 1816 fiel die Plesse an das Königreich Hannover und nach einem Besuch des hannoverschen Königspaares im Jahr 1853 wurde sie bis 1864 restauriert. Seit 1946 ist die Burg im Besitz des Landes Niedersachsen und seit 1978 steht sie unter Denkmalschutz. Mit ihren beiden sehenswerten Türmen, dem allgemein guten Erhaltungszustand, der guten Gastronomie und der schönen Umgebung zählt die Plesse heute zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten im südlichen Niedersachsen.

Am Hainberg wollten wir einige schmale Pfade ausprobieren, von denen zwei nicht “funktionierten”, sodass wir etwas abkürzen mussten. Das ist aber nicht weiter schlimm und jeder kann nach Herzenslust andere Wege ausprobieren. Denn schön ist der weitestgehend aus der wirtschaftlichen Nutzung genommene Wald eigentlich überall. Auf freundlichen Wegen geht es also frohgemut durch den an Exemplaren der Europäischen Eibe reichen Wald. An welcher Stelle im Eibenwald am Hainberg jetzt die meisten Vertreter dieser faszinierenden Baumart stehen, vermag ich nicht zu sagen. Wir hatten auf dem von uns begangenen Weg eine mehr als ausreichende Menge des unseren Vorfahren noch als heilig geltenden Baumes direkt am Wegesrand. Heute sieht man die Europäische Eibe meistens als in Form geschnittenen Strauch oder als Hecke in Vorgärten, Gärten und Parks. Da stellt sich dem einen oder der anderen vielleicht manchmal die Frage, was den Menschen von heute noch “heilig” ist. Im Volksmund hieß es einst: “Vor den Eiben kein Zauber kann bleiben”. Vielleicht liegt das an dem ganz eigenen Zauber, der von diesen ungewöhnlichen und mittlerweile streng geschützten Waldbewohnern ausgeht.

Aussicht zur Burg Plesse

Aussicht zur Burg Plesse

Ein toller Pfad führt uns schließlich vom Hainberg hinab ins Innigetal. Hier erhaschen wir einen kurzen Ausblick zum Schweineberg (nicht der mit den Märzenbechern), den wir später erreichen werden. Zuerst müssen wir allerdings noch einmal ein Stück den Osterberg hinauf. Bei unserem Besuch war die gerade hinaufführende Abkürzung ziemlich zugewachsen und der Weg dorthin auch relativ steil. Wer es gemütlicher mag, kann dem breiteren Serpentinenweg folgen. Oben angekommen, gehen wir ein kurzes Stück barrierefrei, dann wieder auf einen schmalen Weg, der uns wunderbar noch einmal ins Innigetal führt. Hier haben wir die erste, aber nicht die letzte Aussicht zur Burg Plesse, bevor wir diese am Ende unserer Tour erreichen. Der Weg am Fuß des Schweinebergs ist ein sehr schmaler und erinnert deshalb im Sommer etwas an einen Zwergentunnel. Den kurzen Aufstieg zum Schweineberg kann man als Abstecher anlegen und wieder hinuntergehen oder ein Stück am Rand durch Eddigehausen weitergehen. Oben auf dem Schweineberg wartet eine Wiese, die botanisch im Laufe des Jahres bestimmt etwas zu bieten hat, eine Bank, die Max-und-Moritz-Linde und weite Aussichten in die Umgebung.

Landmarken sind der Fernmeldeturm auf dem Osterberg und die Burg Plesse hinter dem sich ins Tal schmiegenden Eddigehausen. In Richtung Norden und Westen reicht der Blick weit ins Leinebergland hinein. Bei unserem Besuch wurde es gerade hier immer regnerischer, sodass wir das Plätzchen nicht allzu lange genießen konnten. Bei Nässe ist der Abstieg nicht ohne Tücken, aber es lohnt sich, dem Waldrandweg am Fuß des Schweinebergs zu folgen. Heraus kommen wir an der Hellerbreite, die uns am Rand von Eddigehausen entlangführt und auch gleich wieder hinaus. Im alten Kern des Ortes, der im Zusammenhang mit der Plesse einen Aufschwung erlebte, finden sich unter anderem noch die Gebäude der alten Domäne der Burg. Nach Überquerung der Kreisstraße 1 sehen wir rechter Hand ein nicht eingezäuntes Privatgrundstück, auf dem sich eine markante Felsformation findet, in deren Umfeld einige imposante Eichen stehen. Es wird sich aber wohl um die Reste eines kleinen Steinbruchs handeln. Vom Waldrand aus hat man eine schöne Aussicht auf die Umgebung und auch der Fernmeldeturm Bovenden und die Burg erscheinen im Blickfeld.

Das steinreiche Göttinger Land

Wer die Wälder im östlichen Umfeld Göttingens besucht, kommt nicht umhin, die vielen Felsen im Wald zu bemerken. Im südlichen Leinebergland und im Eichsfeld zwischen Göttingen, Nörten-Hardenberg und dem Heilbad Heiligenstadt gibt es zum Beispiel mit ungefähr 1.600 Exemplaren die größte Anzahl an Abris (Felsdach, Felsvorsprung) in Mitteleuropa. Sie entstanden durch Auswaschung und Verwitterung bestimmter Buntsandsteine. Bei einer Untersuchung zwischen 1979 und 1992 fanden Göttinger Archäologen an über 100 Abris Spuren einer Nutzung als Basislager für Jäger und Sammler der letzten Kaltzeit. Bekannte Abris sind am Bettenroder Berg bei Bettenrode, am Allerberg bei Reinhausen oder am Stendel bei Groß Schneen zu finden. Weitere markante Felsformationen findet man in der Ortslage des “Felsendorfes” Reinhausen, im südlich angrenzenden Reinhäuser Wald befinden sich unter anderem die Jägersteine und der Hurkutstein. Wer auf Entdeckungsreise in dieser schönen Gegend geht, wird noch zahlreichen Vertretern dieser Felsenlandschaft begegnen.

Die Felsen des Göttinger Landes verstecken sich heute weitestgehend und wenn, dann sind es meistens alte Steinbrüche, denen wir begegnen. Über einen kleinen Kamm geht es jetzt durchaus spürbar ein paar Meter hinab nach Mariaspring. Der Weg hat, ebenso wie das Gelände an der Quelle, bessere Zeiten erlebt und bei Feuchtigkeit kann es hier durchaus tückisch werden. Irgendwie kommen wir nach Mariaspring, wo eine Tafel uns darüber in Kenntnis setzt, dass das hier entspringende Rauschenwasser aus Spalten im Kalksandstein sprudelt und einst bis zu neun Mühlen antrieb. Von der alten Herrlichkeit, lange existierte eine viel besuchte Gaststätte, ist nicht mehr viel zu sehen. Heute hat hier unter anderem die “Ländliche Heimvolkshochschule Mariaspring” ihren Sitz. Direkt an dem ebenfalls netten und etwas abgelegeneren Parkplatz geht es in den Wald und ein wenig hinauf.

Ostwand des Steinbruchs Mariaspring

Ostwand des Steinbruchs Mariaspring

Im Nachhinein erwartete uns hier mit dem ehemaligen Sandsteinbruch Mariaspring die “größte Überraschung” eines Tages, der nicht gerade wenig zu bieten hatte. Der wohl von selbst renaturierte Bruch ist klein, erzeugt aber durch seine Lage mitten im recht dichten Wald nahezu eine mystische Atmosphäre. Einige schmale Pfade laden zum Erkunden ein, aber Vorsicht ist geboten. Der von uns gegangene Weg war zur Zeit des Besuchs durch umgestürzte Bäume nahezu unbegehbar. Da wir keinen Bock hatten umzukehren, nahmen wir den Weg unter Flüchen und Unmutsbekundungen trotzdem. Ich ging einen anderen Weg als meine Beste, verlief mich, entdeckte dafür aber auch die Einsiedelei, die durch eine Ritzung im Sandstein markiert ist. Vielleicht wird der Weg irgendwann wieder freigeräumt. Wem das zu anstrengend ist, der muss sich einen der anderen Wege durch das Waldstück suchen. Einen Abstecher zu dem schönen Steinbruch sollte man aber gemacht haben. Egal wie man das nette Waldstück durchquert und wo man herauskommt, es geht noch einmal über die Kreisstraße 1, ein Stück an ihr entlang und dann rechts hinauf zum Wittenberg.

Auch hier sind die Wege von unterschiedlicher Qualität, aber sie werden mit jedem Höhenmeter besser. Die letzten Meter gehen wir schließlich auf der Plessestraße und können dann je nach Lust, Laune und Grad der Erschöpfung die Burg Plesse erobern, die an einem schönen Nachmittag am Wochenende allerdings schon hundertfach erobert worden ist. Während die neue Burgbesatzung in der Burgschänke die erbeuteten Vorräte plündert, können wir vielleicht etwas in Ruhe das weitläufige Gelände erkunden. Die Aussicht ist von hier unten schon beeindruckend, sodass wir zu unserer Schande gestehen müssen, dass wir uns noch nie der Anstrengung ausgesetzt haben, die Aussicht vom Großen Turm zu genießen. Nach ausgiebiger Erkundung oder der Entscheidung, der Burg einen extra Besuch abzustatten, geht es die letzten Meter zum Parkplatz. Am Ende der letzten Tour vor sieben Jahren hatten wir das Vergnügen, dass etliche Formationen von Kranichen gen Süden über die Burg flogen, die von den Glücksvögeln vielleicht schon seit der Erbauung als Landmarke genutzt wird.

Am Ende eines Tages...

Eine kurze, weil abgekürzte Wanderung im Göttinger Land, das vieles zu bieten hat, aber ebenso wie viele andere Gegenden unserer Heimat, unter dem stetigen Wandel zu leiden hat. Der Wandel des Klimas, der Gesellschaft, der Forstwirtschaft und andere setzen unter anderem den Menschen zu, der uns umgebenden Natur, den Wegen im Wald und vielem mehr. Als Ortsunkundiger oder nur alle paar Jubeljahre hier wandernder Zeitgenosse hat man es nicht leicht. Aber wie bereits erfolgte und auch weiterhin folgende Wanderungen zeigen werden, ist das nähere und weitere Umland von Göttingen höchst wanderbar. Allzeit einen Fußbreit festen Boden unter den Füßen.

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