Als wir vor etlichen Jahren das Felsendorf Reinhausen “entdeckten” und ich Recherche betrieb, stieß ich natürlich unweigerlich auf Hinweise auf die zahlreichen Felsen im Göttinger Raum. Natürlich fielen dann auch die Namen Jägerstein(e) und Hurkutstein. Es sollte fast zehn Jahre dauern, bis ich endlich auf die Idee kam, eine alte Runde mit etwas Neuem zu kombinieren. Die Gleichen hatten wir nämlich 2011 bereits besucht, waren damals allerdings von Reinhausen gestartet, auf einige verschwundene Wege gestoßen und haben diese Tour nie wiederholt. Jetzt lag die Lösung auf der Hand: Die Gleichen mit dem Reinhäuser Forst verbinden. Gesagt, getan. Einen Parkplatz im Wendebachtal zu finden, das wir ja bereits von einer Tour bei Reinhausen kannten, war nicht so einfach. Die dritte und letzte Möglichkeit am Friedhof Bremke erwies sich dann als brauchbar. Hier gibt es auch eine Infotafel für das Klettern und Wandern im Tal. Dass sich auf der Rückseite der Tafel die Wanderkarte befindet, sah ich allerdings erst beim Betrachten der Fotos zu Hause, sodass es von der Wanderkarte kein Foto gibt. Wer Südniedersachsen mehr oder weniger kennt, aber diese Gegend zwischen Reinhausen und Bremke noch nicht besucht hat, der wird vielleicht ein wenig erstaunt sein, wie wir beim ersten Mal. Reinhausen präsentiert sich als für unsere Gegend ziemlich ungewöhnliches Felsendorf und auch im ganzen Wendebachtal sieht man links und rechts der Straße immer wieder kleinere und größere Felsen. Auch rund um den Parkplatz lassen sich besonders im blattlosen Frühjahr schon einige Felsen erkennen. Das macht Lust auf mehr. Darum fackelten wir auch nicht lange, sondern marschierten los. Zuerst geht es ins Leuchtetal unterhalb der Hohen Leuchte. Rechts von uns sind einige Felsen erkennbar, von denen zwei für das Klettern freigegeben sind.

An den Jägersteinen

An den Jägersteinen

Bereits hier sind Kahlschläge vorhanden, sodass wir recht gute Durchsicht zu den Felsen haben. Im weiteren Verlauf des barrierefreien, aber durchaus noch angenehmen Weges sehen wir immer wieder mehr oder weniger große Freiflächen, wo Trockenheit, Schädlinge und die Forstwirtschaft zugeschlagen haben. Immer wieder sind kleinere und größere Felsen im Gelände sichtbar. An der Mühltalstraße liegt im weiteren Verlauf ein großer Fels auf zwei kleineren, was uns zuerst an einen etwas eingewachsenen Rastplatz denken ließ. Ein Blick auf die Karte offenbarte dann, dass es sich wohl um eines von mehreren Steingräbern handelt. Wie alt diese sind und wer sie errichtet hat, ließ sich leider nicht herausfinden. Kurz darauf verlassen wir den breiten Weg und wandern auf einem schmalen Waldweg und später Pfad zu den Jägersteinen. Die präsentieren sich als eine Gruppe von Felsen aus Buntsandstein, die auf den ersten Blick gar nicht so außergewöhnlich daherkommen. Wandert man zwischen den Felsen herum, erliegt man aber der Faszination, die von ihnen ausgeht. Vielfältig sind die verschiedenen Formationen mit ihren sehr unterschiedlichen Verwitterungen aller Art. Alte Bäume klammern sich mit ihren Wurzeln an den Fels. Das hat auf jeden Fall etwas. Anhand von Funden geht man davon aus, dass bereits die Menschen der Steinzeit diese Felsen nutzten, allerdings hatten sie eher Praktisches im Sinn. Die überhängenden Felsen (Abris) dienten als Unterstand, die Felsen allgemein, um Tiere in Fallen zu locken. Ein Rastplatz lädt zum Verweilen nach der ausgiebigen Erkundung des Areals ein, dann geht es weiter. Freundliche Pfade und Wege bringen uns von den Jägersteinen zu dem gar nicht so weit entfernten Hurkutstein.

Auch hier erscheint erst einmal alles relativ unspektakulär, bis man sich dem Felsen nähert. Ein Stück dem schmalen Pfad folgend, gelangt man zu einer kleinen Höhle im Fels, die über eine Leiter erreichbar ist. Urkundlich überliefert ist eine Kapelle zum heiligen Grabe, die ein Mönch des Klosters Reinhausen 1385 auf dem Vorplatz des Felsens errichtet haben soll und in der er als Eremit lebte. 1488 wurden die Kapelle und die davor liegenden Fischteiche noch erwähnt. Der Sage nach gab es einen Bruderzwist auf den Gleichenburgen. Als der eine Bruder einen Sohn bekam und der andere um sein Erbe fürchtete, befahl er dem Knecht Hurkut, das Kind seines Bruders zum Sterben in den Wald zu führen. Dieser tat wie geheißen, grämte sich aber so sehr wegen seiner Untat, dass er sich als Buße dauerhaft in die später nach ihm benannte Felskammer zurückzog. Um den Fels herum gelangt man auf das Plateau, auf dem einst eine mächtige Eiche stand, von der nur ein gefallener Stamm zeugt. Nach dem Abstieg vom Felsen geht es dann weiter hinab, vorbei an zahlreichen Felsen zur “Akademie Waldschlösschen”. Hier, an diesem vermeintlichen Ort der “Humanisierung der Gesellschaft” herrscht 2G+. Gruselig, also nichts wie weg hier. Wir überqueren ein weiteres Mal den Wendebach und wenden uns den Gleichen zu. Zwischen dem Faulensee- und dem Schweiftalberg geht es hinauf. Zuerst erwarteten uns kahle Hänge, dann wieder spannende Felsen. An einem sehr großen Brocken ist eine Tafel angebracht, aber wir waren zu faul, näher heranzugehen. Vielleicht war Goethe hier? Ein Stück weiter biegen wir rechts ab und hier erwartete uns ein unerwartetes Kuriosum. Wenn unsere Erinnerung uns nicht trügt, ist der erste Waldweg unserer Wanderkarriere, der mit Pflastersteinen ausgelegt ist. Sachen gibt’s. Kurz darauf wird es besser, der Weg wird immer schmaler und wir stoßen auf den ersten Bärlauch, der nicht ohne Grund auch als Burglauch bezeichnet wird. Gleich erstmal ein Blätter reinpfeifen, um neue Energie freizusetzen und schon sind wir auf den letzten Metern zum Neuen Gleichen.

Die Gleichen und ihre Burgen

Die Gleichen und ihre Burgen

Die Gleichen heißen vielleicht Die Gleichen, weil sie den gleichen Abstand voneinander haben oder weil man sie gleich sieht, wenn man ins Göttinger Land kommt. Sie sind wohl das natürliche Wahrzeichen der Umgebung der altehrwürdigen Universitätsstadt. Auf beiden Bergen, der Neuen Gleichen (428 m) und der Alten Gleichen (430 m) standen ungefähr seit dem Jahr 1100 zwei Burgen der Grafen von Reinhausen, die ihren Stammsitz in ein Chorherrenstift (Kloster Reinhausen) umgewandelt hatten. Die Burgen Altengleichen und Neuengleichen wechselten mehrfach den Besitzer, bis sie schließlich 1270 an die Herren von Uslar abgegeben wurden, die sie mindestens seit 1318 auf zwei Linien ihrer Familie aufteilten. Trotz mehrerer Fehden und Belagerungen konnten beide Burgen nie erobert werden, waren aber schon im 16. Jahrhundert aufgegeben worden und verfielen zusehends. Während Burg Altengleichen dauerhaft im Besitz der Familie Uslar (ab 1825 Uslar-Gleichen) verblieb, befand sich die Burg Neuengleichen von 1451 bis Anfang des 19. Jahrhunderts im Besitz der Landgrafen von Hessen. 1847 erhielt die Familie von Uslar-Gleichen die Ruine der Burg Neuengleichen zurück. Heute sind auf Neuengleichen nur noch sehr spärliche Reste zu erkennen, auf der Burg Altengleichen stehen noch einige Mauerreste.

Zuerst kommen wir zu einem Plätzchen, das fast alles bietet, was der Wanderer so braucht. Eine Schutzhütte, einen Rastplatz, eine Bank und eine Aussicht. Eine Infotafel an der Hütte gibt (seltsamerweise) Auskunft über die Burg Altengleichen. Der Blick fällt von hier aus über Reinhausen ins Leinetal. Das sieht von hier recht unspektakulär aus, ist es aber nicht. Der Weg auf das Burgplateau der Ruine Neuengleichen ist beschwerlich, egal von wo. Bärlauch und Lerchensporn besiedeln den Hang. Ein paar kümmerliche Burgreste ragen noch knapp aus dem Fußboden, ansonsten ist nichts zu sehen. Auf dem Burgplateau ist kein Werk von Menschenhand mehr erkennbar. Es wurde und wird weiterhin von der Natur zurückerobert. Machen wir uns also an den Abstieg und wandern hinüber zur Burgruine Altengleichen. Diese Anlage umrunden wir auf unserem Weg erst einmal und genießen dabei schöne Ausblicke durch den ausgedünnten Baumbestand an den Hängen. Unser nächstes Ziel Appenrode ist auch bereits erkennbar. Von unten kann man bereits die ersten Reste der noch vorhandenen Bausubstanz erkennen. Nach dem Aufstieg auf den Burghügel wird das auch nicht viel mehr. Eine Mauer mit Tür und Fenster, in dem eine Tafel angebracht ist und der Rest eines Gebäudes, das vielleicht ein Turm gewesen ist. Mehr ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Unvorstellbar, welchen Anblick die beiden Burgen zu ihren Glanzzeiten geboten haben. Trotzdem war das eine spannende Begegnung mit zwei Zeugenbergen des Göttinger Landes. Machen wir uns jetzt an den Abstieg in Richtung Appenrode. Es geht noch einmal durch den Bärlauch, der im Mittelalter wohl eines der interessantesten Küchenkräuter gewesen ist und der in den letzten Jahr(zehnt)en eine Renaissance feiert. Noch immer scheint er bei vielen nicht so beliebt zu sein, weil er angeblich überall die anderen Frühblüher verdrängt. Das halten wir aus eigener, jahrzehntelanger Erfahrung für eine maßlose Übertreibung.

Blick zum Eschenberg

Blick zum Eschenberg

Es geht bergab und am Waldrand bekommen wir einen schönen Ausblick zum interessant aussehenden Eschenberg. Den würden wir das nächste Mal gerne noch in die Wanderung mit einbeziehen. Dieses Mal geht es aber auf einem zwar asphaltierten, aber aussichtsreichen Weg hinab nach Appenrode. Dieses ehemalige Rittergut entstand, nachdem die beiden Gleichenburgen im 16. Jahrhundert aufgegeben wurden und gliedert sich in ein Obergut und ein Untergut. Während das Obergut sich in einem hervorragenden Zustand befindet, verfällt das Untergut, das der Dichter Gottfried August Bürger einige Jahre lang erfolglos gepachtet hatte, zusehends. Wir umrunden den Komplex zur Hälfte und finden am Südende, hinter dem Gutsteich, einen netten Pausenplatz. Etwas oberhalb befinden sich noch zwei Gedenksteine beziehungsweise Stelen der Familie Uslar-Gleichen. Ein netter Weg führt hier in den Wald, aber dieser endet wohl leider wirklich an den Felsen, sodass wir für unseren Rückweg die Zufahrtsstraße nach Appenrode nutzen müssen. Auch hier finden sich immer wieder Felsen, sodass es uns nicht langweilig wird. Ein kleiner Aufstieg nach links, dann erreichen wir die Appenröder Wand, eine recht beeindruckende Felsformation. Es wird sich bei dieser Wand, ebenso wie bei der später folgenden Roten Wand, um einen ehemaligen Steinbruch handeln. Zu glatt sind die Felsen an vielen Stellen, als dass sie rein natürlichen Ursprungs sein können. Das ist zum Abschluss noch einmal ein schöner Weg an den Buntsandsteinfelsen entlang. An der Roten Wand waren auch einige Kletterer unterwegs, die wir ihrer anstrengenden Passion in Ruhe nachgehen ließen. Bergab geht es dann auf die letzten Meter zu unserem Ausgangspunkt im Wendebachtal.

Am Ende eines Tages...

Die Umgebung der Stadt Göttingen hat jede Menge zu bieten und die Gegend südöstlich der alten Universitätsstadt hat schon einen besonderen Charme. Zahllose Felsen findet man hier und zwischen den Orten Göttingen und Heiligenstadt sogar die meisten Abris (Felsüberhänge) in Mitteleuropa. Ein Besuch der Gleichen sollte für jeden hier Ansässigen zur Heiligen Pflicht zählen. Wir haben dieses Mal das Potenzial dieser Landschaft noch nicht zur Gänze ausgeschöpft und ich hoffe, dass uns noch die Zeit bleibt, hier tiefergehende Nachforschungen anzustellen. Aber letztendlich wird die Zeit nie ausreichen, alles kennenzulernen. Am Ziel angekommen, wirst du eines vermissen – den Weg dahin. Immer eine Fußbreit festen Bodens unter den Füßen wünsche ich allen und dass meine Befürchtungen hinsichtlich unser aller Zukunft sich nicht bewahrheiten mögen.

Letzte Beiträge aus dem Landkreis