Wenn es mir nicht fern läge, so etwas zu tun, könnte ich unsere Geschichte in Bezug auf die Bodensteiner Klippen durchaus als Trauerspiel bezeichnen. Ohne Auto unternahmen wir vor langer Zeit eine sehr lange und strapaziöse Tour von Silium aus über den Hainberg und dann zurück in die alte Hansestadt Bockenem. Da das wirklich sehr langwierig war, wiederholten wir diese Strecke nie wieder. Mit dem Auto waren wir sehr oft im Hainberg, aber fast immer nur zum Pilze suchen beziehungsweise finden. Ab und zu machten wir kleine Runden rund um das Jägerhaus. Damals fiel uns schon auf, dass etliche Wege durch Verkrautung und/oder Forstwirtschaft immer mehr in Mitleidenschaft gezogen waren und zu verschwinden drohten. Nach über 20 Jahren waren wir also jetzt das erste Mal wieder dort und wagten eine Erkundung. Was soll man sagen? Der Wald ist im brutalen Wandel. Der von vielen Fichten und Kiefern bestandene Hainberg hat arg gelitten in den letzten Jahren. Etliche Kahlflächen, an einigen Stellen massiver Einsatz von Waldterminatoren, die Wanderwege sind seit Jahren oder Jahrzehnten nicht beschildert und brauchbare Schutzhütten, Rastplätze oder Bänke sucht man vergeblich. Aber – der Faszination des Hainbergs, insbesondere der Bodensteiner Klippen und Felsen im Südteil, sind wir wieder voll und ganz erlegen. Es gibt größere Klippenzüge, beeindruckendere, aber diese Felslandschaft versprüht trotzdem einen einmaligen, etwas maroden Charme. Durch die Schwierigkeiten, die sich ergeben, begegnet man hier wenigen “handelsüblichen” Wanderern. Viele zieht es wohl eher in den mittleren und nördlichen Teil des Hainbergs. Dort erwarten den Wanderer und Spaziergänger das Jägerhaus mit Hubertuskapelle oder die Burgruine Wohldenberg, der wir ja auch vor einigen Jahren einen Wanderbesuch abstatteten. 

Die Sofaklippe

Die Sofaklippe

Nur fünf Kilometer lang ist der Weg, wobei es sich um eine erste Neuerkundung handelt, die wir garantiert wiederholen und ausweiten werden. Vielleicht sogar das nächste Mal schon vom Jägerhaus, das man mit seiner Umgebung erkundet haben sollte. Einige Klippen konnten wir dieses Mal nicht begehen, weil durch Holzeinschlag die Wege dorthin komplett “zugemüllt” waren. Auf der anderen Seite hatten wir echtes Schmuddelwetter und es war eisig kalt, sodass wir am Ende sogar abkürzten. Sei’s drum – das nächste Mal wird auf jeden Fall umfangreicher und jeder kann die Tour sowieso selbst gestalten. Am Parkplatz an der Landstraße geht es los und erst einmal asphaltiert zum Rand des Hainbergs. Rechts liegt der zu dieser Jahreszeit und durch Verschilfung nicht gerade beeindruckende Schmiedeteich. Ein Abstecher zum pittoreskeren Boketeich lohnt sich. Am Fuße des Hainbergs, stellvertretend für alles Weitere, was uns heute erwartet, steht die altbekannte, Jahrzehnte alte und handgemalte Wanderkarte. Wie in anderen Gegenden des Innersteberglandes ist der Hainberg wandertechnisch in die Jahre gekommen und lange Zeit ist hier nichts erneuert worden. Wir werden vielen maroden und desolaten Bänken und Schildern begegnen, was aber, zumindest für uns, auch seinen Reiz haben kann. Für Schickeria-Baudenhiker ist das hier eher nichts. Direkt an der Karte geht es auf einem schmalen Pfad hinauf, an der nächsten Kreuzung kurz links und dann noch ein wenig steiler hinauf zur Osterklippe. Oben angekommen, hat man die meisten Aufstiege des Tages dann aber auch schon hinter sich. Die Osterklippe ist gleich zu Anfang ein recht beeindruckendes und interessantes Exemplar. Solches “Kramenzelgestein” eignet sich ganz hervorragend zur Bepflanzung im eigenen Garten oder wie bei uns auf der Dachterrasse. Leider liegt hier nichts in der passenden Größe herum und abschlagen darf man natürlich nichts.

Der Hainberg und seine Umgebung

Der Hainberg selbst hat mit den Bodensteiner Klippen, dem Jägerhaus mit Hubertuskapelle und der Burgruine Wohldenberg einiges zu bieten. Die direkte Umgebung des Hainbergs lädt aber ebenfalls zu Wanderungen und Exkursionen ein. Besonders reizvoll finden wir zum Beispiel die Gegend zwischen dem Wohldenberg und Henneckenrode. Fährt man über das alte Rittergut Nienhagen nach Henneckenrode mit seinem Schloss, fühlt man sich in eine andere Gegend versetzt. Im benachbarten Sottrum gibt es einen außergewöhnlichen Familienpark, den wir als Kinderlose leider noch nicht besucht haben, von dem aber viele schwärmen. Am südlichen Ende des Hainbergs ist es ähnlich, wie zum Beispiel im dreigeteilten Langelsheimer Stadtteil Wallmoden. In Neuwallmoden zeugt nur noch ein Straßenname von einer eingeebneten Burg, im schönen Alt Wallmoden befindet sich ein Gutshof der Familie von Wallmoden und in Bodenstein gibt es ein altes Klostergut. Lutter am Barenberge ist bekannt für seine “alternative” Burg und die gleichnamige Schlacht, in der die Truppen von Tilly die des dänischen Königs Christian IV. besiegten und eine Wende im Dreißigjährigen Krieg herbeiführten. Etliche andere Orte, wie zum Beispiel die Hansestadt Bockenem, Ringelheim mit seinem Schloss, Baddeckenstedt und Holle bieten eine Fülle an Natur- und Kulturerlebnissen. Überhaupt gibt es an vielen Orten vieles zu erleben, wenn mit offenem Sinn und etwas Begeisterung für fast alles durchs Leben zu gehen weiß.

Zurück zu den Bodensteiner Klippen, die für einen Tag ausreichend sind. Von der Osterklippe geht es auf freundlichen Wegen erst einmal hinunter zum Waldrand und an diesem entlang. Wir kommen am Buchenborn vorbei und gelangen in das Gebiet des Gersfelsen, den wir gut einsehen konnten, weil hier der erste gewaltige Holzeinschlag stattgefunden hatte. Eine Tafel am Wegesrand informiert, dass man an den Felsen im Landkreis Wolfenbüttel nur mit Genehmigung klettern oder bouldern darf. Im Moment wäre das Erreichen der Felsen stellenweise wohl auch gefährlicher als das anschließende Klettern. Unterhalb der Sofaklippe sieht es dann wieder besser aus und an der Klippe selbst, die wir nach einem kurzen Anstieg erreichen, scheint die Waldwelt weitestgehend in Ordnung zu sein. Der Felsen ist nicht unbedingt der beeindruckendste der Bodensteiner Klippen, aber trotz mittlerweile fehlender Aussicht ist er immer noch das Hauptziel einer jeden Wanderung hier. Das Sofa, wohl weitestgehend natürlichen Ursprungs, ist zumindest die am besten erhaltene Sitzgelegenheit im nahen Umfeld. Als wir hier ankamen, fing es ein bisschen an zu schneien, sodass wir alles, was wir in die Finger bekamen, unter die Ärsche legen mussten. Ein schönes Fleckchen Erde, das am besten genossen werden kann, wenn man ganz alleine hier eine Zeitlang verweilen darf. Nach dem Verweilen geht es auf einem schönen Weg weiter, der allerdings nach kurzer Zeit wieder auf eine Großrodungsfläche führt. Kaum noch zu erkennen ist der weitere Weg, wobei wir hier glücklicherweise abbiegen.

Der Kesselsporn

Der Kesselsporn

Auch danach geht es teils ruppig weiter und verrostete, kaum noch zu erkennende Wegzeichen hängen an abgebrochenen Bäumen. Der Zugang zum Gersfelsen war auch von dieser Seite aus nicht möglich. Danach geht es dann allerdings zu einem weiteren Schmankerl der Bodensteiner Klippen, der Kettenklippe. Diese sollte auf zwei Wegen umrundbar sein, was mittlerweile wegen des Naturschutzes nicht mehr möglich ist. Der südliche Weg durch die kleine Felsengasse reicht aber vollkommen aus, um das Wanderherz höher schlagen zu lassen. Ein paar Meter muss man sich zwischen den Felsen hindurchzwängen, dann geht es direkt am Fels entlang zum Ende der Klippe. Hier ist aus gutem Grund abgesperrt worden, der auf einer Infotafel erklärt wird. Auf den insgesamt über 100 Felsen des Gebietes sind über 60 Moosarten und mehr als 45 Flechtenarten nachgewiesen. An dieser Stelle wird besonders das Grüne Koboldmoos geschützt, das seit über 100 Jahren in Niedersachsen als ausgestorben galt und 2019 hier wiederentdeckt wurde. Da unser Besuch in die Winterruhe fiel, war für unsere Laienaugen von der Pflanze nichts zu entdecken. Weiter geht es nach der Kettenklippe zu den Strauchköpfen, an denen man einen kleinen Abstecher zur Kahlen Kuppe machen kann. Dazu geht man oberhalb der Eichkatzwand, der Honigwand und der Wabenwand und erreicht schließlich die Kuppe, die vielleicht irgendwann einmal wirklich kahl war. Es gibt in diesem Gebiet auch noch einige kleine Pfade, die nicht auf der Karte verzeichnet sind. Sicherheitshalber gingen wir aber denselben Weg zurück und nahmen dann den schmalen Durchgang an den Strauchköpfen.

Der folgende Weg führt uns zu einem weiteren bemerkenswerten Felsen, vielleicht dem bemerkenswertesten des Tages. Das Männlein im Walde macht seinem Namen alle Ehre, denn es steht ganz alleine still und stumm mitten im Wald. Wahnsinn, was die Bodensteiner Klippen, natürlich alles ein wenig im Kleinformat, so zu bieten haben. Da wir nur eine kurze Exkursion unternahmen und spät dran waren, machten wir uns hinter dem Männlein bereits auf den Rückweg. Links und rechts gibt es allerdings noch vieles zu entdecken, wie zum Beispiel das Weiblein im Walde, den Katzenkopf oder das Felsentor. Da werden wir beim nächsten Mal noch ein wenig mehr hin und herlaufen müssen und es werden dann auch einige Kilometerchen mehr, wenn uns die Forstarbeiten keinen Strich durch die Rechnung machen. Nach wenigen hundert Metern auf schönen Wegen, immer wieder sind zwischen den Bäumen kleinere und größere Felsen erkennbar, erreichen wir die noch einmal imposante Hohlwegwand mit ihren aufragenden und teils überhängenden Felsen. Dem Hohlweg folgend gelangen wir nach einer weiteren kurzen Strecke zu den Zwillingen. Auch sie sind so bezeichnend für das Gebiet der Bodensteiner Klippen, nämlich klein und fein. Nach den Zwillingen verlassen wir das zentrale “Felsmassiv” und wandern auf netten Wegen zurück zum Schmiedeteich und dann weiter zu unserem Ausgangspunkt an der Landstraße 500.

Am Ende eines Tages...

Wow! Wir kannten das Gebiet der Bodensteiner Klippen bereits, waren aber durch die lange Abwesenheit vollkommen geflasht von dem, was wir zu sehen bekamen. Die Sofaklippe war noch sehr gut in Erinnerung, alle anderen Felsen hatten wir entweder noch nie besucht oder sie schlichtweg aus dem Gedächtnis gestrichen. Hier ist alles ein wenig im Miniaturformat und wer die Sächsische Schweiz kennt oder noch grandiosere Felsformationen irgendwo auf der Welt, den werden diese Felsen nicht vom Hocker hauen. Im Bereich zwischen Hildesheim und dem Harz gibt es aber keine “steinreichere” Gegend als die der Bodensteiner Klippen. Durch den Hauch des Maroden, der hier überall weht und durch das seit längerem bestehende wandertechnische Vergessen, besitzt diese Felslandschaft aber einen besonderen Reiz und eine besondere Anziehung. Wenn uns das Leben nicht irgendeinen Strich durch die Rechnung macht, werden wir hier hoffentlich noch einige Male laufen dürfen.

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