Der Spelunkenturm

Der Spelunkenturm

Im Jahr 2017 war ich sieben Monate in Bad Pyrmont (meine nett gemeinte Abkürzung Bad Pü) und nahm an einer recht interessanten, aber letztendlich erfolglosen INN3-Maßnahme teil. Da ich im Internat wohnte, hatte ich viel Zeit, die nähere Umgebung zu erkunden, wenn die Zeit und gutes Wetter vorhanden waren. Meistens zog es mich ins schöne Emmertal, in den Kurpark oder nach Lügde. Ein paar Mal erkundete ich aber auch ansatzweise die Berge nördlich der Stadt. Nach fünf vergangenen Jahren schafften wir es jetzt endlich, eine damals bereits geplante Runde in Angriff zu nehmen. Da mir gerade eine meiner beiden Foto-Festplatten abgeraucht ist, ich fatalerweise seit drei Monaten keine Synchronisierung durchgeführt hatte und ich nur ein Drittel der darauf enthaltenen Fotos retten konnte, fehlen in der Galerie etliche Aufnahmen. Es sind aber ausreichend Bilder vorhanden und ich habe einige aus dem Jahr 2017 mit übernommen. Start für unsere heutige Runde ist direkt an einer der “Sehenswürdigkeiten” der Stadt, der ehemaligen Bomberg-Klinik, die als Fachklinik für Rheumatologie und Innere Medizin in den 1970er Jahren erbaut und später erweitert wurde. Über den Zeitpunkt und die Umstände der Schließung ranken sich schon die ersten Mythen. Die Zeitangaben schwanken zwischen 1996 und 1998. Die Gründe der Schließung bewegen sich zwischen einer Insolvenz und dunklen Machenschaften der Betreiber. Sogar spuken soll es hier heutzutage. Da ich natürlich, selbstverständlich, ohne Frage niemals selbst in der Klinik war, kann ich eigene Eindrücke nur aus den zahlreichen Videos im Netz wiedergeben. Am Anfang stand auf jeden Fall eine sehr schnelle Räumung, denn in den ersten Aufnahmen sieht man, dass alles noch in komplett tadellosem Zustand war, dass zum Beispiel Teller auf den Tischen standen und sogar die Patientenakten sich an Ort und Stelle befanden. Wegen im Laufe der Zeit nachlassender Überwachung des Objekts kam es vermehrt zu Vandalismus und 2013 schließlich zu einem Brand. Heute ist der Komplex in einem maroden Zustand, die Innenräume sind weitestgehend verwüstet und eine immer wieder hoffnungsvoll verkündete Nachnutzung ist mehr als fraglich geworden.

Der Parkplatz ist auf jeden Fall in einem ganz guten Zustand und wird anscheinend häufig genutzt. Hier starten wir gleich in den Wald und folgen einem schmalen Weg, der uns etwas gemächlicher auf den Bomberg bringt als die direkte Route. Der Weg wird zum Pfad durch den hier trotz der widrigen Umstände der letzten Jahre netten Wald und wir kommen an einem kleinen, ehemaligen Steinbruch vorbei. An der Straße angekommen, die zum Berggasthaus Sennhütte führt, kann man sich entscheiden, ob man einen Abstecher zur Einkehr macht oder gleich weiter zum Spelunkenturm geht. Etwas knackig geht es noch ein paar hundert Meter weiter hinauf, dann haben wir den Spelunkenturm erreicht. Der 27 Meter hohe Aussichtsturm wurde 1896 im Auftrag der Bad Pyrmonter Spelunkengesellschaft erbaut, einer Vereinigung “trinkfester, humoriger und fröhlicher” Bürger der Stadt, die wahrscheinlich auch nicht gerade arm waren, weil sie immer wieder Projekte in der Stadt großzügig unterstützten. Der Turm erstrahlt nach der Sanierung seit 2020 in neuem Glanz und bietet eine grandiose Sicht. Da die aktuellen Fotos meiner Besten verschollen sind, habe ich nur welche eingestellt, die von mir auf halber Höhe gemacht wurden. Am Turm laden Bänke zum Verweilen ein und die Theodor-Hütte, an der es Informationen zur Gesellschaft der Spelunken gibt. Hinter dem Spelunkenturm geht es auf einem freundlichen Weg durch ebenso freundlichen Wald weiter zur Bombergstraße, an der uns ein weiterer Parkplatz und der Einstieg in einen Waldlehrpfad, der in einem sehr guten Zustand ist und sehr interessant aussieht. Wir begegnen diesem aber erst später, da wir uns für einen etwas schmaleren Parallelweg entschieden. Dieser bringt uns in den Langen Grund zur gleichnamigen Gaststätte am Waldrand. Schön hier. Ein paar Meter wandern wir auf der Schellenstraße in den Wald, dann erreichen wir einen weiteren Waldparkplatz und unseren kurzen Einstieg in den Waldlehrpfad.

Bad Pyrmont - Ein kurzer persönlicher Eindruck

Bad Pyrmont - Ein kurzer persönlicher Eindruck

Sieben Monate verbrachte ich hier im Jahr 2017 und etliche Male zog es mich in und um den Ort. Kaum ein Ort, den ich etwas kennenlernen durfte, hat ein so wandelbares Gesicht. Eine Fachwerk-Schönheit ist “Pü” eher nicht, da muss man einen Ort weiter, ins nicht minder bekannte Lügde. Aber wo es schön ist in Bad Pyrmont, da ist es dann schön im großen Stil. Manchmal läuft man durch eine Gegend, in der Häuser aus verschiedenen Jahrzehnten wie willkürlich durcheinandergewürfelt stehen. Ein anderes Mal gibt es gefühlt an jeder Ecke Lost Places, wie zum Beispiel leerstehende Kliniken, Pensionen, Hotels und Gaststätten. Dann wieder zeigt Bad Pyrmont sein mondänes Gesicht mit herrlichen Häusern aller Epochen und edlen Kurkliniken. Hoch spannend ist es für den Interessierten fast überall und berühmt ist der Ort für sein Wasserschloss mit dem angeschlossenem Kurpark, in dem sich unter anderem die größte Freianlage für Palmen nördlich der Alpen befindet. Aber zahlreiche kleinere Sehenswürdigkeiten gibt es an fast jeder Straßenecke. Der Bergkurpark, der Tierpark mit den überall hörbaren Brüllaffen, die unter Naturschutz stehenden Emmerauen, die zahlreichen Quellen, die Dunsthöhle und vieles mehr erwarten den entdeckungslustigen Besucher des altehrwürdigen Staatsbades Bad Pyrmont.

Ob die in der Galerie vorhandenen Fotos alle von dem kurzen Abschnitt des Lehrpfades sind, kann ich nicht genau sagen. Dieser Lehrpfad ist für Interessierte auf jeden Fall empfehlenswert, da er spannende Stationen bereithält, auf netten Wegen durch netten Wald führt und sich in gutem Zustand befindet. Auf jeden Fall ist der Pfad der breiten Straße im Langen Grund vorzuziehen. Nach ein paar hundert Metern gelangen wir kurz auf diese Straße, biegen aber gleich wieder rechts ab und streben der Bergstraße entgegen, die uns zum Schellenberg bringt. Diese ist wieder barrierefrei, führt aber durch einen ebenfalls schönen Wald. Als Erstes bemerken wir links am Wegesrand Strukturen, die man recht eindeutig als Graben-Wallsystem ausmachen kann. Wir befinden uns dann bereits an der äußeren Befestigung der ehemaligen Spornburg Schell-Pyrmont. Diese bestand wohl schon, als sie nach Auflösung des sächsischen Stammesherzogtums 1184 an den Kölner Erzbischof übergeben wurde. Um 810 soll Peremunt, ein Sohn des Sachsenherzogs Widukind, hier eine germanische Burg errichtet haben. Der Erzbischof von Köln betrieb ein systematisches Burgenbauprogramm, um die Region zwischen Weser und Rhein zu befestigen und zu besiedeln und gab sie als Lehen weiter. Nach mehreren Streitigkeiten mit den belehnten Grafen wurde die Burg in Fehden zwischen 1276 und 1284 zerstört. 1824 ließ Georg Heinrich von Waldeck-Pyrmont aus den noch vorhandenen Resten der Burg den Schellenturm errichten, der 2009 saniert wurde. Diesen erreichen wir kurz darauf und dürfen von seiner Aussichtsplattform einen schönen Blick in das Emmertal zwischen Bad Pyrmont und Lügde genießen. Als wir hier saßen, erlebten wir ein kleines Spektakel, das man wahrscheinlich auch nicht allzu oft erlebt. Ein warmer Wind strich am Turm nach oben und löste verwelkte Blätter von den umliegenden Buchen, die langsam, aber sicher der Schwerkraft trotzten, nach oben schwebten, so weit, dass sie sich irgendwann unserer eingeschränkten menschlichen Optik entzogen.

Blick vom Schellenbergturm nach Bad Pyrmont

Blick vom Schellenbergturm nach Bad Pyrmont

Von der Burg sind keine oberirdischen Gebäudereste vorhanden, sodass wir uns abwärts in Richtung Bad Pyrmont begeben können. In Serpentinen geht es hinab, erst auf einem schmalen Weg, dann auf breiteren. Hier kann man die Tour auch noch verlängern, wenn man möchte. Man könnte den Königsberg einbinden mit den Resten der Hünenburg und dem Bismarckturm, womit man alle drei Türme Bad Pyrmonts während einer Wanderung erreicht hätte. Das ist wegtechnisch eventuell etwas kompliziert, darum überlasse ich die Wegfindung jedem selbst. Ein Abstecher zum von Bad Pyrmontern immer wieder empfohlenen Gasthof Schellental sollte sich aber schon zur Einkehr lohnen. Am Waldrand ist ein auf Karten verzeichneter Weg leider als Privatweg ausgewiesen, sodass wir einen Abstecher ins Schellental machen müssen, der uns fast wieder zurück zum Langen Grund bringt. Dann geht es weiter hinab und durch die Wiesen und Felder wieder hinauf zur Schellenstraße, wobei wir zurückblickend immer wieder nette Aussichten auf den Schellenberg und seinen Turm genießen dürfen. Ein Stück folgen wir der Straße, dann geht es rechts entlang schöner Kleingärten durch den Wald zum Parkplatz am Kurzentrum Haus Weserland. Wir folgen Waldwegen, die uns ein Stück hinauf zum Bomberg bringen und dann wieder hinab zum nördlichen Ende des Bergkurparks Bad Pyrmont. Der bietet sich ebenfalls an, um die Runde ein Stück zu verlängern. Es gibt hier unter anderem einen reichhaltigen Baumbestand, eine Streuobstwiese, einen essbaren Wildkräuterpark, die prächtige historische Lindenallee und vieles mehr. Egal wie, erreichen wir letztendlich die Bombergklinik, die zumindest von außen besichtigt werden darf und dann unseren Ausgangspunkt am daneben gelegenen Parkplatz.

Am Ende eines Tages...

Wenn man bedenkt, dass wir vor langer Zeit viel im Emmertal in Niedersachsen und in Westfalen unterwegs waren, ist es umso erstaunlicher, dass wir so lange gebraucht haben, um eine seit Ewigkeiten geplante Runde bei Bad Pyrmont endlich umzusetzen. Schön war’s. Ich freue mich sowieso immer, wenn ich wieder einen Ort besuchen kann, den ich mal etwas näher kennenlernen durfte. Im Raum Bad Pyrmont und Lügde haben wir jetzt ungefähr sechs bis sieben Wanderungen absolviert und nur zwei haben hier einen Beitrag bekommen, weil es immer wieder Begebenheiten gab, die die anderen Touren eher unwanderbar machten. Erst letztens waren wir von Lügde nach Großenberg gelaufen, wo dann vor einigen Jahren noch vorhandene Wege dieses Mal praktisch unbegehbar waren. Das war schon ärgerlich, weil wir vor ein paar Jahren dort wandern und positiv begeistert waren. Aber es ist wie es ist: Bad Pyrmont und Lügde sind zwei wunderbare Städte, eingebettet in eine ebenso schöne Landschaft, die sich dem (eher ortsunkundigen) Wanderer gegenüber manchmal etwas abweisend zeigt.

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