Der Karstwanderweg! Wo beginnen? Wir “entdeckten” ihn auf ersten Touren in der Südharzer Gegend gegen Ende der 1990er Jahre. Damals war er in den drei Landkreisen Göttingen, Nordhausen und Mansfeld-Südharz noch unterschiedlich ausgewiesen, beschildert und obwohl erste Teile Anfang der 1980er Jahre entstanden, von unterschiedlicher Qualität. Als wir uns mit ihm beschäftigten und auch mal ein paar Karstphänomene erleben durften, verliebten wir uns natürlich unsterblich in den Weg und die Landschaft, die er erschloss. Irgendwann, ich weiß nicht mehr wann, damals noch mit Zug und Bus unterwegs, nahmen wir uns vor, ihn einmal in ein oder zwei Jahren in gesamter Länge auf selbst zusammengebastelten Rundwanderungen zu bewältigen. Das ist uns, obwohl wir bis auf wenige Kilometer die gesamte Strecke einmal oder mehrfach gegangen sind, niemals ganz gelungen. Jetzt starten wir den vielleicht letzten Versuch unserer “Wanderlaufbahn”, das mal zu schaffen. Viele Fernwanderwege hatten wir schon im Auge für ein solches Vorhaben, aber irgendwie war uns das immer zu aufwändig oder erschien bei vielen Wegen auch nicht wirklich lohnenswert. Der Karstwanderweg, auch wegen des Hauptaugenmerks auf geologische Phänomene und trotz etlicher Härten, ist es aber wirklich wert, dass man ihn ausgiebig erkundet, denn er erschließt eine in Deutschland einzigartige Landschaft, die ihresgleichen sucht. Der Karstwanderweg wurde vor einigen Jahren am Westende verlängert bis zur Iberger Tropfsteinhöhle. Diesen Teil lassen wir weg und beginnen den Weg quasi an seinem alten Startpunkt am Mühlenteich in Förste.

Am Reinickenberg

Am Reinickenberg

Man kann auch den hinzugefügten Teil in Rundwanderungen einteilen, aber es wäre sehr schwierig und an vielen Stellen nicht wanderbar, denn der westliche Harz hat etliche unschöne, forstwirtschaftlich dominierte Ecken. Bei Gittelde und Willensen sind die Wälder momentan in einem katastrophalen Zustand, wie wir auf unserer Hochzeitswanderung letztes Jahr feststellen mussten. Für Bad Grund empfiehlt sich die König-Hübich-Route mit eventueller Verlängerung im WeltWald Harz. Die sind wir vor etwa einem Jahr gegangen, ich habe leider bis heute keinen Beitrag eingestellt. In der westlichen Hälfte bis nach Nordhausen ist der Karstwanderweg parallel geteilt, wodurch sich tolle Möglichkeiten ergeben, die Abschnitte des Weges zu einer Runde umzugestalten. In der östlichen Hälfte gibt es nur einen Weg. Da man hier aber vom landschaftlichen Potenzial her durchaus auch drei bis vier parallele Wege legen könnte, ist es auch dort ein Leichtes, sich entsprechende Runden selbst zusammenzubasteln. Wir werden die Wege wahrscheinlich so gehen, wie wir es vor ungefähr sechs Jahren getan haben, da nach Hunderten von Wanderungen seitdem eh keine großen Erinnerungen mehr an unschöne Abschnitte des Weges existieren.

P.S.: Bevor ich es vergessen kann: Für tiefergehende Informationen ist die Site www.karstwanderweg natürlich Heilige Pflicht. Immer noch die allererste Adresse mit einer gewaltigen Hülle und Fülle an allen erdenklichen Informationen zu allen Aspekten der Gipskarstlandschaft im Südharz.

Los geht es also in diesen wahrlich verrückten Zeiten. Die kleine Parkbucht an der Bundesstraße 241 ist unser “traditioneller” Einstieg in die erste Etappe des Karstwanderweges. Auf den Karten der Preußischen Landesaufnahme, die man auf der Interaktiven Karte des NLWKN abrufen kann, sind hier oben auf der Höhe keine Gehöfte eingezeichnet, sodass man eventuell davon ausgehen kann, dass es sich um Aussiedlerhöfe handelt, die vielleicht sogar im Rahmen des sich ausbreitenden Gipsabbaus entstanden. Die ersten Meter offenbaren einen prägnanten Aspekt des Karstwanderweges. Der Weg wandelt sich nämlich immer mal wieder und wurde auch hier offiziell irgendwann verlegt. Trotzdem sind noch die alten Schilder an dem Weg, den wir anfangs nehmen, vorbei an dem kleinen Gehöft am Waldrand. Von der Höhe, kurz bevor wir den Wald der Kalkberge betreten, hat man schon einen guten, vielleicht etwas “flachen” Blick auf die Landschaft, die uns erwartet. An dem Gelände der 1982 abgerissenen Sedanwarte haben wir einen kleinen Ausblick auf Osterode, der schon arg zugewachsen ist. Die seltene Honigorchis, die hier in der Gegend im Juni/Juli blühen soll, haben wir noch nicht erblickt. Vielleicht hat jemand anders da mehr Glück. Am Rand der noch vorhandenen Kalkberge, die (noch) nicht dem Bergbau zum Opfer gefallen sind, geht es weiter. Überhaupt werden wir heute dem in diesen Breiten noch rege stattfindenden Gipsabbau immer wieder begegnen.

Wasserreiches Föhrste

Wasserreiches Föhrste

Entlang der Kante geht es also über die Kalkberge. Die fotografierten Infotafeln geben beredt Auskunft über die zahlreichen Aspekte des Karstwanderweges. Wir mussten ein wenig “rennen”, da wir spät dran waren und einen relativ weiten Weg vor uns hatten. Wenn man die Gegend noch nicht kennt, ist es sowieso am besten, man liest sich das Ganze vor Ort durch. Auf Höhe der Pipinsburg hat man einen schönen Ausblick zu den Gipsfelsen bei Katzenstein und in die weitere Landschaft. Schaut man in Richtung Gittelde und Umgebung, sieht man die verheerenden Auswirkungen, die Trockenheit und/oder Borkenkäfer in den letzten Jahren gehabt haben. Eigentlich eine freundliche Wandergegend, die sich bedauerlicherweise für uns erst einmal erledigt hat. Am Reineckenberg geht es hinab, zuerst entlang einer Obstbaumreihe, an der wir uns mit extrem leckeren Riesenäpfeln und perfekten Pfläumchen vollstopften. Mit vollem Bauch geht man gerne bergab und so erreichen wir durch die recht magere Feldmark mit Ausblick den asphaltierten Hohlweg, der uns nach Förste führt. Hier erwartet uns ein parkähnliches Gelände, das wohl im Zusammenhang mit einem ehemaligen Gut der Förster Linie derer von Oldershausen in Zusammenhang steht, die 1956 erlosch. In dem Wäldchen am Mühlenteich steht noch eine Kapelle, die Zeugnis von der Vergangenheit ablegt. Der Mühlenteich selbst ist ziemlich groß und an etlichen Stellen kann man das Wasser aus dem karstigen Untergrund sprudeln sehen. Hier ist die größte der insgesamt 35 Karstquellen im Ortsgebiet von Förste. Das Wasser lässt uns in Förste nicht los. Straßennamen wie Wasserstraße, Auf dem Bruch, Am Wasser, Fischerbucht, Mühlenanger, Sülte oder An den Rotten verweisen mehr oder weniger auf den Reichtum des Ortes an dem kostbaren Nass. Aber wir begegnen dem flüssigen Element auch selbst auf unserem Weg durch den Ort und im Bereich des Schwarzen Bären fließen gleich mehrere Bäche zusammen. Ausreichend Spannung ist also vorhanden, bis wir den Ort an der Sültebreite auf einem Grasweg zwischen den Häusern verlassen.

Gips doch gar nicht...

So wie die Südharzer Karstlandschaft für den Wanderer ein Augenschmaus ist, so ist sie, wie soll es auch anders sein, für andere eine Möglichkeit, sich die Taschen zu füllen – äh, ich meine natürlich, aufs Famoseste dem allgemeinen Wohle der gesamten Menschheit dienlich zu sein. Seit dem Mittelalter finden Gips, Dolomit und andere Rohstoffe als Baumaterial zum Beispiel für Gebäude und Straßen ihre Verwendung. Der Abbau hat sich im Laufe der Zeit immer mehr verstärkt und man findet heute auf fast jeder Wanderung im Karst ein mehr oder weniger großes Abbaugebiet. In der strukturschwachen Südharzer Region haben die Unternehmen natürlich auch bei den örtlichen Politikern, die sich um das Wohl ihrer Wähler kümmern müssen, ziemlich gute Karten. Wie überall, wo Ökologie und Ökonomie aufeinandertreffen, kommt es zu Interessenkonflikten und nur wenige sind wohl an einer vernünftigen und für alle verträglichen Lösung interessiert. Ich aus meiner Erfahrung muss sagen, dass die Ausweisung der östlichen Karstgebiete als “Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz” wohl ein Segen sein kann. Wo im Westteil des Karstwanderweges das Wandern immer weniger spannend wird und man immer mehr “optische Härten” hinnehmen muss, bleibt vielleicht wenigstens der Ostteil unberührter von großflächigen Verwüstungen. Ich bin gespannt, wie sich die Landschaft dieses Mal, nach ungefähr sieben Jahren, wieder verändert hat und hoffe, dass sie uns allen noch lange in ihrer Schönheit erhalten bleibt.

Blick zurück vom Lichtenstein

Blick zurück vom Lichtenstein

Es geht in Richtung Lichtenstein, zuerst an einem Wäldchen entlang der Salza zur Alten Söse, dann durch die Feldmark. Infotafeln findet man hier wie immer wieder am ganzen Weg. Sie geben glücklicherweise nicht nur Auskunft über geologische Aspekte, sondern ab und zu auch über Historisches. Am Waldrand des Lichtenstein betreten wir das Naturschutzgebiet Gipskarstlandschaft bei Ührde, das den Mittelteil der Tour dominiert. Hier tritt das “weiße Gold” immer wieder zutage und manchmal ist sogar der Weg damit gepflastert. Oberhalb der Alten Söse gehen wir am Waldrand zur Lichteinsteinhöhle. Die 1972 entdeckte und 115 Meter lange Höhle, ganz unscheinbar gelegen, ist ein bedeutender archäologischer Fund und einer der ergiebigsten bronzezeitlichen Fundplätze Deutschlands. Der Zugang über eine Treppe ist marode und an der verschlossenen Höhle kann man nichts bestaunen. Da kann man die Zeit sinnvoller nutzen, indem man die Infotafel am Fuß des Hangs studiert. An dem Weg steht auch noch eine der alten braunen “Drehtafeln”. Finde ich klasse, dass man am Karstwanderweg die alten Tafeln und Schilder stehen lässt und sich die neuen einfach dazugesellen. Kurz darauf geht es hinauf zum Gipfel des Lichtenstein. Das ist eines der Highlights des Tages, denn hier erlebt man den Karst von seiner besten Seite. Es geht mitten durch ein Erdfallgebiet und am Grund des ein oder anderen kann man den sich dunkelgrün von den anderen Farnen abhebenden Hirschzungenfarn bestaunen. Das sind die Flecken, die sich ins Gedächtnis einbrennen und die bei mir dazu geführt haben, dass ich diesen Weg, der durchaus seine “Durststrecken” hat, immer wieder gehen will. Wer weiß, vielleicht habe ich sogar Verwandtschaft in der Lichtensteinhöhle.

Oben angekommen, kann man einen Abstecher zur Ruine der Burg Lichtenstein machen, von der wahrlich nicht viel übrig ist. Hügel, Graben und ein Stück Mauer aus Gipsstein sind im Gelände auszumachen. Die von der Familie Grubenhagen Anfang des 15. Jahrhunderts errichtete Höhenburg ist bereits spätestens im 16. Jahrhundert verlassen worden und danach verfallen. Wir sparten uns den Aufstieg dieses Mal. Das recht schlechte Foto in der Galerie ist deshalb von 2013. Weiter geht es durch den schönen, “durchlöcherten” Wald zum Steinbruch am Lichtenstein. Von einer Stelle hat man einen tiefen Einblick in das Gelände und darüber hinaus. Am dahinter liegenden Grubenwerk treten wir aus dem Wald und überqueren die Bundesstraße. Hier war der Weg einst weiter links, musste aber wegen der Erweiterung des Gipsabbaus verlegt werden. Durch die recht offene Landschaft geht es in Richtung Ührde, an der Hopfenkuhle und an den Sieben Kammern vorbei, einer Erdfallreihe, von der wir leider nicht viel mitbekommen. Überhaupt muss man sich auf diesem Abschnitt des Weges, auf späteren Wegen wird das besser, vieles vorstellen, weil man es nicht selbst in Augenschein nehmen kann. Das liegt einerseits am sinnvollen Naturschutz der Karstflächen, andererseits am fortschreitenden Gipsabbau. Genießen wir also die ohnehin schöne Landschaft und den Ausblick auf Ührde und Umgebung, bevor wir in das kleine Dorf absteigen.

Blick Richtung Ührde

Blick Richtung Ührde

Ührde ist sehr klein, hübsch und hat eine Einkehrmöglichkeit. Wären da nicht die beiden großen Abbaugebiete in der Nähe, könnte man es als uneingeschränkt idyllisch bezeichnen. Ein paar Schritte, mal nach links sehen, mal nach rechts, nach vorne und nach hinten, schon haben wir Ührde hinter uns gelassen. Am Gips- und Dolomitbruch vorbei wenden wir uns dem Blossenberg zu, an dessen Hang wir zum ehemaligen Truppenübungsplatz Osterode gelangen, den wir heute nur am Rande streifen. Das ist schon ein tolles Fleckchen Erde, wobei zumindest mir schon etwas sauer aufstößt, dass dieses Nationale Naturerbe von sich ausbreitenden Steinbrüchen und Fotovoltaikanlagen eingerahmt wird. Am Rande des Schießplatzes entlang, es lassen sich auch im Spätsommer/Frühherbst nach den “Mäh-Arbeiten” noch einige Tiere und Pflanzen bestaunen, wie die Dornige Hauhechel, das Kleine Mädesüß oder Thymian, durchstreifen wir die Landschaft. Wir nehmen die Überleitung zum parallel verlaufenden Karstwanderweg, auf den wir am Waldrand des Ührder Berges wieder treffen. Ein schöner Weg, der uns zum König-Georg-Pavillon mit momentan stark eingeschränkter Aussicht führt. Wer Lust hat, kann noch einen Abstecher zu einer alten Warte namens Galgenturm machen, die ihren Namen von der nahe gelegenen Richtstätte hat. Wir waren leider mittlerweile zu faul. Durch den Osteröder Stadtwald gehen wir auf einem sehr angenehmen Weg bis zu dem Gehöft an der Straße und dann das kleine, letzte Stück gefahrlos entlang der Bundesstraße 241 zurück zu unserem Ausgangspunkt.

Am Ende eines Tages...

Wir waren zur (nicht nur momentan) denkbar “ungünstigsten” Jahreszeit hier. Die trockenen Jahre fordern auch hier ihren Tribut und von der ansonsten üblichen Spätsommeratmosphäre oder Herbststimmung ist wenig zu spüren. Es ist trocken, trockener, am trockensten. Bäume verlieren ihre Früchte und Blätter vor der Zeit und viele, glücklicherweise hauptsächlich die Fichten, sind vor der Zeit verstorben. Vielerorts ist der Wald krank, tot, verschwunden. Wir werden, da es die nächsten Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte nicht besser werden dürfte, noch mehr Urlaub im Frühling nehmen. Aber der ist zu kurz, um alles in ihn hineinzustopfen. Wir waren dieses Mal vielleicht ein wenig lustlos wegen der langen Tour nach längerer Pause, wegen dieser angeblichen Krise, die das Leben der ganzen Welt zu lähmen scheint, während wir uns nicht für sie interessieren, wegen der Trockenheit der Wälder, für die sich anscheinend nur die interessieren, die plötzlich weniger Geld im Portemonnaie haben und weiß der Geier weswegen noch. Aber nichtsdestotrotz sind alle Abschnitte des Karstwanderweges spannend, besonders für die, die noch nicht hier waren oder die, die Gelegenheit haben, ständig hier zu sein und die Landschaft in allen Jahreszeiten zu erleben. Der Karstwanderweg sollte als Ganzes erlebt werden und darum werden wir es noch einmal versuchen, ohne uns verrückt zu machen. Für den ganzen Weg von West nach Ost werden wir wohl einige Jahre brauchen. Danach würde ich wohl wegen der immer schneller dahinschwindenden Zeit dazu übergehen, die schönsten Abschnitte zu einigen Rundwanderungen zusammenzufassen. Viel Spaß und bis zum nächsten Mal auf einem der wanderbarsten Wege in einer der wanderbarsten Gegenden unserer Heimat.

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