Im Bachbett des Rendagrabens

Im Bachbett des Rendagrabens

Auf dem Rückweg vom tollen Wanderurlaub in der Rhön zurück ins Basecamp Hildesheim, sollte ja eine abschließende Wanderung nicht fehlen. Die nordhessischen Premiumwege lagen wie schon auf dem Hinweg günstig und den relativ neuen P20 – Ulfener Karst kannten wir noch nicht. Eines nehme ich vorweg: Die Wanderung war auf der einen Seite ein völliges Kontrastprogramm zu den mit “Attraktionen” gespickten Rhöntouren, auf der anderen Seite aber nicht minder schön und ein toller Abschluss für den Urlaub. Auf YouTube sah ich zufällig das Video eines anderen Wanderers, der sich etwas enttäuscht über den Weg äußerte. So verschieden können Geschmäcker sein. Wir erlebten einen unaufgeregten Weg, der allerdings zahllose, kleine Attraktionen aufwies. Schöne Wege durch eine so nicht erwartet abwechslungsreiche Landschaft mit erstaunlich vielen Orchideen. Dazu liebevoll eingerichtete Plätze, eine Karstlandschaft, ein Weg durch den Wandelwald, immer wieder Aussichten und einiges mehr. Wir würden den P20 Ulfener Karst als einen Geheimtipp unter den nordhessischen Premiumwegen einordnen und uns hat er sehr viel Spaß gemacht. Die beste Zeit ist hier, wie an vielen anderen Orten auch, der Vollfrühling oder Frühsommer. In dieser Zeit werden wir in Zukunft auch all unsere noch verbleibenden Wanderurlaube legen. Den Goldenen Herbst, wie wir ihn lange Jahrzehnte kannten, gibt es ja eh so gut wie gar nicht mehr. 

Alternativloser Start ist der geräumige, recht ruhige Parkplatz am Rande von Ulfen. Von hier aus soll es auch gleich losgehen. Nach wenigen Metern treffen wir auf den ehemaligen Jugendtreff, der heute dem Heimat- und Förderverein Ulfen als Vereinshaus dient. Diesem Verein und seinen Aktivitäten möchte ich an dieser Stelle eine kleine Passage widmen. Später auf dem Wanderweg werden wir am Heimathof Ulfen vorbeikommen, dem man, wenn geöffnet, unbedingt einen Besuch abstatten sollte. In einer mittelalterlichen Herberge, die später als landwirtschaftlicher Hof genutzt wurde, ist der Heimathof eingerichtet worden. Der begehbare Wichtelkeller soll mit den im Umfeld vorzufindenden Karsterscheinungen in Verbindung stehen. Eine im Originalzustand befindliche Schuhmacherei kann ebenso besichtigt werden wie eine für den “Pferdemaler” Johann Georg Pforr eingerichtete Stube mit Kopien seiner Bilder. Im gesamten Gebäude darf und soll alles angefasst werden. Einen Teil des Gebäudes kann man sogar als Ferienhaus mieten. In der zur “Burgbergschenke” ausgebauten Scheune kann man zu bestimmten Zeiten (siehe Website) Kuchen und Kaffee bekommen. Der Landwirt Michael Stein bietet Gruppen von 4 bis 25 Personen Fahrten mit seinem Lanz Bulldog in der Umgebung von Ulfen an, unter anderem auch zum Wanderweg P20 Ulfener Karst. Ich gehe auch davon aus, dass vieles, dem wir auf dem Wanderweg begegnen, ebenfalls vom Verein gestaltet und geschaffen wurde. So viel Engagement ist nicht selbstverständlich und darf gerne eine gewisse Wertschätzung erfahren.

Goldmarie an der Vogelherdhöhle

Goldmarie an der Vogelherdhöhle

So, jetzt aber los ins Tal des Rendagraben, einer in Nordhessen einmaligen Karstlandschaft. Durchflossen wird das Tal temporär von einem Bach, der im Volksmund Alte Weißt heißt. Von Renda kommend, verschwindet der Bach “normalerweise” kurz hinter dem Ort durch Spalten im Boden in unterirdische Höhlensysteme und tritt nur nach starken Regenfällen bei Ulfen wieder an die Oberfläche. Wir steigen auf Treppenstufen in das bei unserem Besuch ausgetrocknete Bachtal hinab. Ein schmaler Pfad führt uns entlang verwitterter Kalkfelsen bachaufwärts. Eine Infotafel gibt Auskunft über die Wichtellöcher, die sich auf Privatgrund befinden und deshalb nicht besichtigt werden können. Bei den Menschen früherer Zeiten sorgten diese Höhlenruinen, die durch Auswaschung und Zusammenbruch entstanden sind, für viel Erzählstoff. Es entstanden Sagen um mythische Wesen und vieles mehr. Der Fantasie waren wenige Grenzen gesetzt. An etlichen Stellen im Tal tritt das Wasser manchmal zutage, eine dieser Stellen erreichen wir kurz darauf. Die sogenannte Rendatalquelle I ist ein kleines, unscheinbares Loch im Boden, aus dem zeitweilig gewaltige Mengen Wasser austreten können. Im Bereich solcher Quellen kommen seltene Tierarten vor, wie der Höhlenflohkrebs und der Alpenstrudelwurm. An dieser schönen Stelle verlassen wir das Bachtal dann, wobei später einige Felsen im Grund des Seitentals, das wir jetzt betreten, darauf hindeuten, dass es sich ebenfalls um ein karstiges Bachtal handelt.

Treppenstufen führen uns hinter der zumeist trockenen Quelle hinauf in den Wald. Eines der Markenzeichen dieser Wanderung ist es, dass wir erstaunlich oft zwischen Wald, Waldrand und Offenlandschaft wechseln, was richtig Spaß macht. Wir durchwandern einen Wald im Wandel auf einem urig schmalen Hangpfad, der trotz dessen Platz für eine Pausenbank bietet. Kurz darauf erreichen wir aber noch bessere Sitzgelegenheiten in einem steinbruchähnlichen Gelände. Hier verweise ich darauf, dass die auf der OpenStreetMap eingezeichneten Wege eventuell nicht gänzlich mit dem tatsächlichen Wegverlauf übereinstimmen. Ich bin mir aber nicht mehr sicher, weil es zu lange her ist bzw. mit meinem Gedächtnis nicht mehr viel los ist. Wir folgen einfach den Wegweisern der wie immer sehr gut ausgeschilderten nordhessischen Premiumwege. Die Figur der Pechmarie begrüßt uns an den Kalksteinfelsen und die Figur der Goldmarie verabschiedet uns später. Dazwischen gibt es einiges zu entdecken. Unter anderem die nicht begehbare, kleine Vogelherdhöhle, die für den Unteren Muschelkalk eine Seltenheit darstellt. Eine Bank lädt hier zum Verweilen ein, bevor es weitergeht. Durch den schönen Wald geht es wieder zum Waldrand und in dem vorhin erwähnten Tal erkennt man weitere Felsen. Auf einer Tafel findet man Informationen zum Pferdemaler Johann Georg Pforr. Kurz darauf betreten wir wieder den Wald.

Aussichtspunkt Struth

Aussichtspunkt Struth

Erwähnenswert sind die Orchideenarten, denen wir an diesem Wandertag begegneten. Darunter waren das Weiße Waldvöglein, Waldhyazinthe, Vogel-Nestwurz, Helm- und Purpur-Knabenkraut. Solche Erlebnisse in Sachen Fauna oder Flora sind nicht zwingend erforderlich, um einen Wandertag zu versüßen, aber ein schöner “Bonus”. Durch einen weiteren, schönen Waldabschnitt mit Felsen und ein wenig “Kletterei” geht es auf die Hochfläche am Schaumelskopf. Eine tolle Landschaft, ein toller Weg, wieder jede Menge Orchideen – was will man mehr? Der Abwechslungsreichtum dieser Tour will und will nicht abreißen. Es geht wieder, ich wiederhole mich gerne, durch eine Offenlandschaft in den Wald, an den Waldrand, wieder in den Wald und wieder ins Freie. Geil! Die Wälder und offenen Landschaften wechseln auch immer wieder ihr Gesicht bzw. wir die Perspektive. Es kann nicht langweilig werden, wenn die Augen schweifen, die Ohren lauschen und der Geist sich frei bewegen darf. An den richtigen Stellen warten immer wieder Bänke, die man nicht nur besetzen kann, um sich von irgendeiner Anstrengung auszuruhen. Man kann auch einfach mal diese Landschaft in vollen Zügen genießen, die man, wenn man zum Beispiel von so weit her kommt wie wir, vielleicht niemals wiedersehen wird. Am Wendepunkt der Wanderung treffen wir auf den hier ebenfalls verlaufenden P13 Boyneburg, den wir vor etlichen Jahren das erste und bislang letzte Mal besuchten.

Eine Verlängerung des Weges auf mehr als 25 Kilometer wäre hier möglich, aber für uns nicht sinnvoll. Der weitere Weg bleibt wunderschön und am Struth finden wir schließlich einen Aussichtsplatz, an dem wir Auskunft über das erhalten, was wir sehen. Dazu zählt bei ausreichend guter Sicht der Monte Kali, wobei es sich, falls ich mich nicht täusche, um den Kaliberg bei Heringen handeln müsste. So langsam geht es bergab zurück in Richtung Ulfen. Die Wege werden etwas breiter und so können wir hier einfach mal “etwas Strecke machen”. Spätestens am Burgberg wird es noch einmal spannend. Ob es hier jemals eine Burg gab, aus deren Resten der Heimathof errichtet wurde oder ob es einen wüst gefallenen Ort gab, ließ sich nicht herausfinden. Dafür gibt es die vor nicht allzu langer Zeit errichtete Burgberghütte mit Aussicht und eine Figur der Frau Holle in der Blumenwiese. Etwas weiter unten bietet sich dann auch noch eine wunderbare Liegebank mit Aussicht über Ulfen für eine letzte Rast an. Am Ortsrand bekommen wir dann mit einem 1881 entstandenen Erdfall noch eines der typischsten Karst-Phänomene zu Gesicht. Wir durchwandern abschließend Ulfen, wobei wir noch an dem oben bereits erwähnten Heimathof vorbeikommen und auch noch einmal die Alte Weißt überqueren. Dann erreichen wir, hoffentlich wohlig ermattet und ausreichend “befriedigt” unseren Ausgangspunkt am Wanderparkplatz Ulfen.

Am Ende eines Tages...

Eine kurze, weil

Letzte Beiträge aus dem Landkreis