Nach den neun genialen Wanderungen des Rhön-Urlaubs ging es etliche Zeit etwas durchwachsen weiter. Nicht ganz so tolle Wanderungen, Wanderungen mit fehlenden oder verkrauteten Wegen und andere “Probleme” führen dazu, dass ich erst einmal eine ganze Zeit des Jahres 2022 überspringe und mit einem weiteren der zumeist tollen, nordhessischen Premiumwege weitermache. Es handelt sich um den Premiumweg P2 – Frankershäuser Karst. Der bildete einst zusammen mit dem heutigen Premiumweg P23 – Höllental den Premiumweg P2 – Meißnerland. Uns war der ehemalige Premiumweg P2 – Meißnerland schon immer zu lang gewesen. Wegen der hohen Erlebnisdichte hatten wir ihn deshalb schon vor der offiziellen Teilung selbst in zwei Rundwanderungen eingeteilt. Besonders das Gebiet der unter Naturschutz stehenden Kripp- und Hielöcher weiß zur rechten Zeit dermaßen zu begeistern, dass eine Strecke von 11 bis 12 Kilometern vollkommen ausreichend ist. Ein (nicht nur) für Nordhessen einmalige Karstlandschaft mit vielen entsprechenden Phänomenen und zahlreichen botanischen Seltenheiten, schöne Wege mit vielen Pausenplätzen und ebenso vielen Aussichten, unterwegs dazu immer wieder kleinere und größere Erlebnisse, wie das Gebiet “Auf dem Stein”, das Naturdenkmal Mühlstein oder das Dorf Wolfterode mit seiner sensationellen Wanderpause – da sollte für jeden was dabei sein.

Wanderpause Wolfterode

Wanderpause Wolfterode

Start ist für uns immer am Wanderparkplatz Frankershausen, direkt am Sportplatz des Ortes. Von hier geht es noch nicht sofort in das Naturschutzgebiet Kripp- und Hielöcher, wobei wir eigentlich später auch nur die Hielöcher erwandern. Die Kripplöcher sind nicht durch Wege erschlossen und dürfen nur mit einem ortskundigen Führer betreten werden. Das Gebiet dient erstrangig dem strengen Naturschutz, der Untergrund dort ist wohl auch wesentlich instabiler als anderswo. 1958 stürzte ein Kuhgespann in ein plötzlich aufklaffendes, 31 Meter tiefes Loch. Am Wanderparkplatz finden wir gleich einen dieser wundervollen Rastplätze der nordhessischen Premiumwege vor. Mehrere Bänke mit Tischen, eine überlebensgroße Schäfer-Figur, ein bisschen Werbung für regionale Produkte und ausgiebige Wanderinformationen finden wir hier vor. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass man auf diesen Premiumwegen sehr selten eine Wanderkarte oder ähnliches benötigt, weil die Wege weitestgehend spitzenmäßig ausgeschildert sind. Einer der Gründe, warum wir in Nordhessen eigentlich nur noch diese Wege gehen. Apropos Gehen! Wir ziehen dann mal los und nach wenigen Metern wenden wir uns nach links hinauf zum Wenkeberg. Diese Gegend zählt noch nicht zum Naturschutzgebiet, aber trotzdem wandern wir gleich in und durch eine prächtige Landschaft.

Wir waren dieses Mal im Oktober hier und alles leuchtete in allen Variationen, von Grün über Gelb bis Rot. Nicht mehr wie früher, der Goldene Oktober, aber immer noch gibt es temporär und stellenweise ein bemerkenswertes Farbenspiel. Dazu die mehr oder minder weißen Gipsfelsen in der Landschaft, die wir so ansonsten nur vom Karstwanderweg im Südharzvorland kennen. An der Schutzhütte kann man einen kurzen Abstecher zum “Gipfel” des Wenkeberges machen. Ob sich dort eine bessere Aussicht ergibt, wissen wir nicht. Es geht hinab zur Landstraße 3242, die wir überqueren und kurz darauf auch das Flüsschen Berka. Am Ortsrand von Frankershausen entlang erreichen wir das Gebiet “Auf dem Steine”. Auf schmalem Pfad wandern wir entlang von Felsen und Wacholder durch eine ähnlich schöne und reich strukturierte Landschaft wie im Naturschutzgebiet. Nach Überquerung der K40 erwartet uns zumindest im Hochsommer eine der größten “Attraktionen” der Premiumwege in Nordhessen: das Premium-Fußbad Wolfterode. Bislang ist das der einzige von uns besuchte Ort, an dem jemand schlauerweise eine Bank über einen Bach gebaut hat, sodass man seine müden, heißen Füße im bequemen Sitz ins kühle Nass tunken kann. Genial. Ein Abstecher zum Naturdenkmal Mühlstein mit Umrundung sollte eigentlich in die Tour integriert sein. Des Teufels Daumenabdruck, eigentlich eine Auslaugung, will bestaunt werden. Ebenso finden wir hier auch einen netten Rastplatz.

Das NSG Kripp- und Hielöcher

Das NSG Kripp- und Hielöcher

Der geologische Untergrund des 16,6 Hektar großen Naturschutzgebietes Kripp- und Hielöcher (zwei getrennte Teilbereiche) besteht hauptsächlich aus Zechstein, Dolomit und Gips. Durch Auswaschungen ist im Laufe der Zeit eine Karstlandschaft entstanden, die durch typische Phänomene, wie Felsen, Erdfälle, Mulden und Tälchen geprägt wird. Höhlenforscher haben bislang 19 Höhlen im Gebiet gefunden. Der “berühmteste” Erdfall ist das im Gebiet der Kripplöcher befindliche Kuhloch, in dem 1958 ein Kuhgespann einbrach. Beide Teilgebiete des Naturschutzgebietes wurden bis Ende der 1950er Jahre traditionell mit Schafen beweidet. Danach wuchsen die Hügel mit Wacholdern und anderen Sträuchern zu, bis 1995 viele Gehölze entnommen und wieder eine Schafbeweidung aufgenommen wurde. Die Flora ist vielfältig und so kommen hier unter anderem mehrere Orchideenarten vor, wie Fliegen- und Bienenragwurz, Stattliches Knabenkraut, Mücken-Händelwurz und Dreizähniges Knabenkraut, ebenso die beiden Enzianarten Deutscher Enzian und Fransen-Enzian. Zusammen mit weiteren Blütenpflanzen locken sie unter anderem 53 Tagfalterarten und vier Widderchenarten an. Besonders geschützte Arten sind der Kleine Eisvogel, der Silberfleck-Perlmutterfalter, der Blaugrasfalter und der Thymian-Ameisenbläuling.

Das kleine Wolfterode hat dem gewogenen Wanderer aber noch einiges zu bieten. Am Ortseingang treffen wir zum Beispiel auf den “Kindergarten”, einen für Kinder angelegten und von Kindern gepflegten Garten und eine kleine Lagerstätte für “Brennstäbe”. Im hübschen, gepflegten Ort hat der Heimatverein anscheinend auch einiges getan und am Ende von Wolfterode erwartet uns unser persönliches Highlight des Tages, die Wanderpause Wolfterode. Beim letzten Mal hier gab es sie noch nicht und so waren wir wie vor den Kopf geschlagen, als wir diese herrliche Freiluft-Selbstbedienungs-Wohlfühloase betraten. Das muss man selbst gesehen haben, denn es spottet jeder Beschreibung. Siehe Fotos. Wir trafen zufällig die Mutter der Betreiberin, die erzählte, dass es sich um ein Herzensprojekt ihrer Tochter handelt, dem sie anfangs sehr skeptisch gegenüber stand. Sie befürchtete Vandalismus und Diebstahl. Jetzt, nachdem sich diese Ängste als unbegründet erwiesen haben, weil Wanderer, ebenso wie Heavy-Metal-Fans, eigentlich nette Leute sind, unterstützt sie ihre Tochter nach Leibeskräften. Wie einfach es doch wäre, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, wenn jeder einen solchen Beitrag dazu leisten könnte. Wir wollten auch gar nicht mehr weg und spendeten kräftig für den Kaffee und zwei kleine Glückssteine, die uns noch lange an diesen herrlichen Ort erinnern sollen.     

Im NSG-Teilgebiet Hielöcher

Im NSG-Teilgebiet Hielöcher

“Leider” muss es dann weitergehen, wobei der weitere Weg den “Abschiedsschmerz” langsam verfliegen lässt. Obwohl die Wanderung noch nicht einmal richtig angefangen hat, ist die Erlebnisdichte bislang schon ziemlich groß. Auf den Seiten von Wanderinstitut.de, wo man unter anderem die nordhessischen Premiumwege findet, ist oft von Dramaturgie des Weges oder der Wanderung die Rede. Wir wandern hinaus in die schöne Landschaft, die uns umgibt. Durch Richtungsänderungen gibt es immer wieder wechselnde Ausblicke in die nähere Umgebung, zum Hohen Meißner und bis zur hessischen Schweiz. Orte wie der Dietzenröder Stein (P16), die Hörne (P4) oder das Höllental (P23) erinnern an vergangene Wanderungen auf den nordhessischen Premiumwegen. Das muntere Hin und Her, ab und zu begegnet man zur rechten Zeit mehr oder weniger freundlichen und friedlichen Wiesen- und Weidenbewohnern, führt uns schließlich erstmals zum Teilgebiet Hielöcher des Naturschutzgebietes. Nach einer weiteren Überquerung der Landstraße 3242 können wir auf einer netten Bank die letzten Kilometer noch einmal in der Rückschau betrachten. Wenn man es genau nimmt, bekommen wir vom Naturschutzgebiet ja gar nicht viel mit, weil wir die Kripplöcher gar nicht betreten und die Hielöcher erst ganz am Ende der Tour. Glücklicherweise ist die Landschaft nördlich von Frankershausen auch ohne Naturschutz ebenso schön.

Wie zum Beispiel die Gegend um die beiden Dolomitfelsen Kleiner und Großer Marstein. 2007 und 2013 waren wir früher im Jahr unterwegs und neben den vielen Orchideen waren hier auch Pflanzen wie der Acker-Wachtelweizen oder der Wiesen-Salbei anzutreffen. Am Großen Marstein lädt eine Bank zur aussichtsreichen Pause ein, dann geht es weiter in Richtung Kripplöcher. Der Ellerstein ist ein weiterer Dolomitfelsen, dann erreichen wir die Karstquelle am Breitenborn. Zusammen mit dem nahegelegenen Kressenborn reichte das Wasser, um zwei Mühlen im Tal zu betreiben. Die Oberndorfer Mühle erreichen wir kurz darauf, die Blaumühle können wir später von weiter oben sehen. Als wir dieses Mal hier wanderten, kam es zu einem Wetterphänomen, dass wir erst seit 2021 bemerkt haben oder dass es in unserer Gegend des Planeten erst seitdem gibt. Die am Himmel vorhandenen Wolken wurden auseinandergezogen wie Zuckerwatte und es kam um die Schleier und Schlieren zu Lichtphänomenen. Ich gehe davon aus, dass momentan große Veränderungen in der Atmosphäre stattfinden, über die komischerweise kaum jemand Auskunft geben möchte oder kann. Wir überqueren die beiden Bäche und steigen langsam hinauf zu den Hielöchern, wobei wir das gleichnamige Teilgebiet des Naturschutzgebietes Kripp- und Hielöcher betreten. Diese letzten paar hundert Meter unseres heutigen Weges darf man noch einmal ausgiebig auskosten. Hier ist die Landschaft berauschend schön und zur rechten Zeit ist die Pflanzenvielfalt gewaltig. Dazu kommen Aussichten in die Umgebung. So erreichen wir hoffentlich vollauf zufriedengestellt unseren Ausgangspunkt am Wanderparkplatz Frankershausen.

Am Ende eines Tages...

Die nordhessischen Premiumwege – wir haben beileibe nicht alle begangen – wissen weitestgehend voll zu überzeugen. Der P2 – Frankershäuser Karst, der zusammen mit dem P23 – Höllental, aus dem ehemaligen P2 – Meißnerland entstand, war, ist und bleibt hoffentlich ein Kracher. Durch verschiedene Aspekte, wie die Wanderpause in Wolfterode, ist er sogar noch etwas attraktiver geworden. Nicht, dass wir aus dem Wandern eine Wissenschaft machen wollen, eher ganz im Gegenteil. Wir haben durch das Wandern erkannt, dass es “Magie” wirklich gibt und dass man sie sehen kann, wenn man nicht nur die Augen öffnet. Auf die Zertifizierung des “Deutschen Wanderinstitutes” konnten wir uns bislang trotzdem ganz gut verlassen. Der P2 zum Beispiel hat sehr gute 75 Erlebnispunkte. Der am besten eingestufte Weg in Nordhessen ist der P25 – Kleinalmerode mit 80 Punkten. Nächste Woche fahren wir auf einen Schnupper-Kurzurlaub ins Tal des Mittelrheins, wo ich bereits 19 Wanderungen für potenzielle Urlaube der nächsten Jahre vorbereitet habe. Etliche dieser Touren sind mit bis zu 98 Erlebnispunkten ausgezeichnet worden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wir fahren trotzdem wie immer möglichst ohne Erwartungen, denn positive Überraschungen sind besser als enttäuschte Erwartungen.

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