Blütenpracht am Wegesrand

Blütenpracht am Wegesrand

Schon wieder endlich! Nach mehreren Jahren ging es mit unserem Karpatenporsche das erste Mal wieder nach Sachsen-Anhalt. Bewusst wurde uns das erst gegen Ende der Wanderung zwischen Wernigerode und Blankenburg. Da wir die letzten knapp vier Jahre auf den ÖPNV angewiesen waren, ging es meistens mit dem noch recht günstigen Niedersachsen-Ticket immer maximal bis zu den Bundeslandgrenzen. Wie vor der glückseligen Wende endeten die Wege für uns in Bad Harzburg oder Vienenburg und schmachtend blickten wir gen Gevatter Brocken. Der muss aber, auch wegen des immer stärker werdenden Tourismus, noch etwas warten. So wichtig wie früher ist er uns sowieso nicht mehr. Dafür ging es jetzt in meine bisher persönliche „Lieblingsgegend“ im ungefähren Dreieck zwischen Wernigerode, Quedlinburg und Halberstadt. Eine unheimlich wanderbare Gegend, die mit zahlreichen natürlichen und kulturellen Erlebnissen punktet. Eine davon ist die etwas „unromantisch“ anmutend betitelte Harznordrand-Verwerfung, die hier zwischen Wernigerode und Blankenburg vielleicht nicht so spektakulär daherkommt wie die allseits bekannte Teufelsmauer, aber eine zumindest für mich wunderschöne Landschaft geformt hat. Abseits der Perlenschnur an „ehrwürdigen“ Städten wie Goslar, Wernigerode, Blankenburg oder Quedlinburg, vermitteln die Landschaften hier ein Gefühl von selten gewordener Abgeschiedenheit. Wie auch zumeist in den Jahren zuvor, sind wir an diesem Tag keinen Wanderern begegnet.

Eine großzügige Wendeschleife am Maerkerstieg ist für uns der heutige Einstiegspunkt. Es war nicht viel herauszubekommen über diese erste Hälfte der Wanderung und ihre Besonderheiten. Maerkerstieg, Wolfsholz, Eisergrund – alles unbekannte Größen. Nichtsdestotrotz erwandern wir eine interessante Gegend auf befestigten Wegen mit vielen Einblicken und Aussichten. Am Fuße des Ziegenberges, der die erste „Welle“ der Harzrandverwerfung darstellt, geht es auf einen im Juni blütenreichen Weg. Zahllose Vogel-Wicken und Wildrosen säumen den Weg, der Mohn setzt überall knallrote Akzente und auch der schöne Wiesen-Salbei wird uns auf der gesamten Route immer wieder begegnen. Hält man die Augen fest auf den Rand des Hügels und der Felder, gibt es mindestens zwei bemerkenswerte Exemplare der Flora. Einmal ist es mit dem Bienen-Ragwurz eine recht seltene und wunderschöne Orchidee, zudem wächst am Ackerrand auch gerne das Sommer-Adonisröschen. Zweiteres wollte sich wieder mal nicht fotografieren lassen und schaukelte lieber munter im Wind hin und her. So spielt das Leben! Rechts erhebt sich der Ziegenberg, später der Struvenberg. Der Einschnitt zwischen beiden Bergen ist recht deutlich auszumachen. Hier laufen wir wenige Meter parallel zu unserem späteren Rückweg. Da es überall widersprüchliche Angaben gibt und das Naturschutzgebiet nur Ziegenberg heißt, habe ich den Sachsen-Anhalt Viewer zu Rate gezogen, der mir bescheinigte, dass der westliche Teil des Höhenzuges der Struvenberg ist und der östliche der Ziegenberg. Irgendwann folgen wir dem Maerkerstieg nach links zum Waldrand. Ein etwas maroder Rastplatz mit Infotafel gibt Aufschluss über die geologische Situation und versucht die Sinne für hier in der Gegend einstmals existierenden Steinbrüche zu schärfen. Der Stieg führt am Waldrand entlang über eine Waldwiese, dann gewinnt er an Höhe. Hier kommen wir an mehreren, mehr oder weniger „renaturierten“ Brüchen vorbei, in denen die anstehenden Gesteine als Baumaterial abgebaut wurden. Rosen, Esparsetten, Vogel-Wicken, Wiesen-Salbei, es ist ein farbiges Spektakel.

In Benzingerode

In Benzingerode

Zwischen Obstbäumen und Weiden geht es weiter hinauf, bis wir einen ersten Blick auf das vor uns liegende Benzingerode bekommen. Auch der weitere Wegverlauf lässt sich gut erkennen. Wir erreichen Benzingerode und verlassen es vorerst gleich wieder, vorbei an einem kleinen, hübschen Teich, an dem mehrere Sitzgelegenheiten zur Rast einladen. Auf schmalem Weg geht es in den freundlichen Wald. Kurz darauf informiert eine Tafel über die wechselnden Besitzverhältnisse der Gegend im Laufe der Jahrhunderte und einen Weg an historischen Grenzen. Die entsprechende Broschüre des Regionalverbandes Harz habe ich bislang leider vergeblich im Netz gesucht. Am Forstort Eisergrund gehen wir über eine Wiese und dann vorbei an einer Schutzhütte in Richtung Wolfsholz. Kurz vor dem irgendwie interessanten Weiler, über den auch nichts herauszufinden war, steht fast unübersehbar ein mächtiger Mammutbaum. Durch das Waldörtchen mit dem großen, kaum einsehbaren Teich, geht es zur Landstraße 85 und über diese hinweg. Ein wenig an der Straße „Au(g)stberg“ entlang, vorbei an einem großen Anwesen, erreichen wir den westlichen Rand des Austberges oder Augstberges. Hier blühte der Mohn in voller Pracht auf den Feldern und am Wegesrand. Der Austberg zeigte sich ebenfalls von seiner besten Seite. Ein toller Pfad führt über die Höhen zu einem ersten Aussichtsplatz mit Bank, wobei die neuernannte Autobahn 36 etwas stört. Für uns, die wir die letzten Jahre mehr auf Schienen unterwegs waren, überhaupt erst einmal ein mittlerweile undurchschaubares Kuddelmuddel auf unserer Hauptroute von Hildesheim an den Nordharzrand. A7, A39, A395, B82, B6, B6n, A36, A369 – hier ist einiges geschehen. Selbst das Navi hatte hier und da noch so sein Problemchen. Der Austberg wird von Wald und Wiesen dominiert und man kann sich seinen Weg über den Berg aussuchen. Wir gingen den tollen Waldweg, dann ein Stück am Waldrand mit seiner Blütenpracht und schließlich hinauf zum Höhenweg.

 

Kein schöner Land...

Wernigerode, Quedlinburg, Halberstadt – grob zwischen diesen drei Städten befindet sich die Landschaft, die ich so schön finde, dass es mich immer wieder hierherzieht, drängt, schiebt, ruft. Warum das so ist, weiß ich nicht genau zu sagen, muss ich aber auch nicht. Der Hauptgrund könnte die hohe Dichte an wunderbaren, vielleicht teils sogar einmaligen Erlebnissen unserer Heimat sein, mit denen dieses Fleckchen Erde gesegnet ist. Um nur mal einige zu nennen, die mir spontan einfallen:

  • Wernigerode mit z.B. seiner Altstadt, dem Schloss, der Harzer Schmalspurbahn, vielem mehr und der wanderbaren Umgebung
  • Heimburg und Benzingerode mit Austberg und NSG Ziegenberg
  • Blankenburg mit z.B. der Altstadt, der Stadtmauer, dem Schloss und den Schlossgärten, dem Kloster Michaelstein, der Festung Regenstein mit den Sandhöhlen und der Teufelsmauer
  • Quedlinburg, für mich die „schönste“ Stadt Norddeutschlands, mit ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten, der fantastischen Umgebung und dem „Advent in den Höfen“, dem für mich schönsten bisher besuchten Weihnachtsmarkt
  • Langenstein mit seinen einzigartigen Höhlenwohnungen, dem Schloss mit Park und der wanderbaren Umgebung
  • Die Höhenzüge im Dreieck der Städte, wie z.B. die Harslebener Berge, die Thekenberge, die Spiegelsberge und die Klusberge

Selbstverständlich findet man im und um das von mir so genannte „Dreieck“ noch zahlreiche andere, erstaunliche Fleckchen Erde, wie Gernrode, Ballenstedt, die Roseburg, Teile der Teufelsmauer (Mittelsteine, Gegensteine) und vieles, vieles mehr. Etliches haben wir selbst noch nicht entdeckt und werden es vielleicht nie. Wie Mama immer sagte: „Du kannst alles essen, aber nicht alles wissen“ oder auch „Mach die Augen zu, dann weißt du was dir gehört“.

Auf dem Weg zum Austbergturm wächst zum Beispiel die Türkenbundlilie, die Straußblütige Wucherblume (endlich habe ich meinen Fehler bemerkt) und der Blaurote Steinsame. Der Turm selbst, gegen 1250 als Warte errichtet, bietet einen schönen Rundumblick in die Umgebung Benzingerodes und über den Harz bis zum Brocken. Hinter dem schick restaurierten Turm geht es wanderbar weiter, am Fuß des Berges kann man in den Wiesen zum Beispiel Quirlblütigen Salbei, Wiesen-Salbei und Sommerwurze finden. Jetzt geht es erst einmal hinab in den hübschen Ort, dessen Dorfkirche sich als architektonische Besonderheit präsentiert und im Stil an die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin erinnert. An der Kirche kann man auch sehr gut mitten im Ort parken. Das schmucke Örtchen verlassen wir bereits nach wenigen Metern durch die Ziegeleistraße. Mit etwas Glück kann man hier noch frei laufende Hühner beobachten. Ein Pfad führt uns auf dem Fuß des Struvenberges hinauf. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, von denen man sich eine aussuchen darf. Da von der Struvenburg nichts deutlich erkennbares erhalten ist, entschieden wir uns für den kurzen und durchaus knackigen Aufstieg rechter Hand. Der Weg über die Struvenburg ist aber ebenfalls sehr schön und aussichtsreich. Sehr schön kann man am NSG Ziegenberg bei Heimburg auch einen Rundweg machen, indem man den auf der OpenStreetMap als Hangweg bezeichneten Weg geht und dann den Kammweg zurück. Das wären dann ungefähr sechs Kilometer. Zuerst den Hangweg, dann den Kammweg ist sehr zu empfehlen, da der Kammweg einfach mehr zu bieten hat.

Blick nach Benzingerode

Blick nach Benzingerode

Der Einstieg in den Struvenberg war gleich alle Mühen wert. Man hat einen fantastischen Blick auf Benzingerode, die Hänge sind voller interessanter Pflanzen. Vor allem die Rispige Graslilie, die hier den Hang überzieht, forderte lange unsere ganze Aufmerksamkeit. Auf dem Kamm angekommen, bieten sich auf der gesamten Strecke immer wieder tolle Aussichten in alle Richtungen und die Pflanzenwelt hat einiges zu bieten. Als wir Mitte Juni hier waren, war der Lothringer Lein bereits verblüht, keine Orchideen ließen sich blicken und auch der bei der letzten Tour mehrfach gesichtete Schwalbenschwanz ließ sich nicht blicken. Aber der Weg an sich ist so genial, dass damit keine Enttäuschung oder Wehmut einhergehen könnten. Überhaupt gibt es einfach zu viel zu sehen und zu erleben, als dass man hier (und auch anderswo) irgendwelche „Sehenswürdigkeiten“ jeglicher Art bräuchte. Auf dem Struvenberg gibt es noch viel Wald, der von vielen Kiefern dominiert wird. Diese Wäldchen wollen auf den schnuckeligen Pfaden durchwandert werden, bevor sich der Blick in den Teil des nördlichen Harzvorlandes öffnet, den ich gerne als meine Lieblingsgegend bezeichne. Die Heimburg und der unterhalb liegende gleichnamige Ort, die Festung Regenstein und die dem Harz vorgelagerten Höhenzüge – alleine das ist immer wieder und immer noch ein erhebender Anblick, der viele, viele schöne Erinnerungen wachruft. Dieser und immer wieder etwas andere Ausblicke sind auf den nächsten Kilometern das Programm. Auch in Sachen Botanik gibt es noch einiges zu erleben. Einzeln gewachsene, imposante Kiefern säumen den Weg, der Mauerpfeffer leuchtet gelb und auch der Odermennig erwartet, dass man ihm trotz der „prominenten“ Nachbarschaft ab und zu mal etwas Aufmerksamkeit schenkt. Kurzweiliger kann ein Weg kaum sein und so erreichten zumindest wir wohlig erschöpft und vollkommen befriedigt und im Einklang mit allem um uns herum unseren Ausgangspunkt bei Heimburg.

Am Ende eines Tages...

Ach, mein Harz! Immer wieder gibt es noch mehr zu entdecken, wie auch mein nächster Beitrag zeigen wird. Es gibt viel Schatten, aber auch so viel Licht. Da stehen die Forstwälder des Unterharzes mit ihren langweiligen Forsttrassen einer solchen Landschaft wie dieser im krassen Gegensatz gegenüber. Auch selbst inmitten einer nicht gerade wanderbar anmutenden Landschaft kann man hier noch Überraschungen erleben, wie zum Beispiel die Gegend zwischen Willensen und Gittelde beweist, die für nächstes Frühjahr auch auf jedem Fall auf dem Plan steht. Die Gegend der heutigen Tour ist ebenfalls in allen Richtungen in Gefahr, irgendwann vergessen zu werden und dann irgendwie dem Streben nach Gewinn zum Opfer zu fallen. Gefühlt scheint es trotz aller Bemühungen in Sachen Naturschutz mit der Achtung und dem Respekt gegenüber der Natur eher bergab zu gehen. Aber vielleicht ist das nur der sich trübende Blick eines Menschen, der langsam, aber sicher dem Alter anheim fällt – aber niemals gesagt hat, dass früher etwas besser war. Nicht vorwärts, nicht zurück – allein die Gegenwart ist unser aller Glück.

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