Als wir 2014 die Karst-Etappen nahezu ebenso liefen wie dieses Mal, schworen wir uns, die vierte Etappe niemals wieder zu laufen. Das haben wir in den sechs Jahren, die seitdem vergangen sind, nahezu vergessen. War doch vielleicht gar nicht so schlimm, dachten wir uns wohl. Doch, war es. Trotzdem werde nicht müde, immer wieder zu wiederholen, dass man im Falle des Karstwanderweges auf diesem Weg so viel Interessantes und Spannendes erlebt, dass die „Durststrecken“ schnell verblassen. Eine Woche später erscheint mir der anfängliche Weg zum Wiedensee, die verschwundenen Wege im Pöhlder Wald und vor allem der elend lange Marsch von Pöhlde zum Papenberg gar nicht mehr so schlimm. Einen Teil der letzten Strecke haben wir uns aber so selbst gewählt, weil wir nicht noch einmal nach Herzberg hineingehen wollten. Eher die falsche Entscheidung. Meine Empfehlung an alle, die zwei bis drei Kilometer mehr nicht scheuen, wäre: Man folgt am Abzweig hinter dem Langen Bruch weiter dem Karstweg nach Herzberg, geht am Mühlengraben zum Jues-See und steigt dort wieder in den Karstweg ein. Hat zwar auch seine „Härten“, dafür aber auch einige bemerkenswerte Erlebnisse. Folgt man dem von uns gegangenen Weg, lässt man eine gewisse Strecke des Karstwanderweges weg. Einige Etappen,  bei denen mir das sinnvoll erschien und man nüchtern betrachtet nicht allzu viel verpasst, habe ich derart gekürzt. Da muss jeder selbst wissen, ob er wirklich jeden Zentimeter des Fernwanderweges gegangen sein muss. Da der Karstwanderweg sowieso der einzige Langstreckenweg ist, den wir weitestgehend gegangen sind, sehen wir das eigentlich eher locker und vermeiden es lieber, Wege doppelt zu gehen oder wegen einer Sehenswürdigkeit lange, unschöne Strecken in Kauf zu nehmen. Was man nicht vergessen sollte: Der Karstwanderweg ist vom Grundsatz her als geologischer Wanderweg konzipiert und an manchen Stellen gibt es weniger nette Wege, weil man an ihnen geologische Besonderheiten erleben kann, die der Nicht-Geologe nicht unbedingt gesehen haben muss.

Der Wiesensee

Der Wiesensee

Jetzt aber mal langsam los. Den Parkplatz an der Steinkirche in Scharzfeld als hübsch zu bezeichnen, wäre wohl etwas unangemessen. Aber er ist überdacht, bietet für die heutige Tour einen passenden Startpunkt und in seiner Nähe befinden sich herausragende Naturdenkmale. Wir befinden uns nahe der nördlichen Route des niedersächsischen Karstweges, begeben uns heute aber erst einmal auf die Überleitung zur südlichen Route. Dazu gehen wir kurz in den Ort, überqueren die Bremke und etwas weiter dann auch die Oder, um durch die Feldmark zum Wiedensee zu gelangen. Welchen Weg man nimmt, bleibt jedem selbst überlassen. Wir nahmen dieses Mal den ersten nach rechts, empfehlen würde ich den zweiten, einen Grasweg, der direkt an den Wiedensee führt. An dem mehrere tausend Jahre alten und ungefähr 80 Meter breiten Erdfallsee steht auch eine Bank für die erste Rast. Die nächste gibt es dann erst am Eckerloch. Nach diesem ersten Schmankerl wandern wir zum Pöhlder Wald. Dessen Wege sind teilweise in einem schlechten Zustand beziehungsweise nicht mehr vorhanden. Vielleicht sind wir auch zu doof, die richtigen Wege zu finden, aber bereits 2014 waren einige Abschnitte sehr verkrautet beziehungsweise durch Waldarbeiten zerstört und das scheint sich in den letzten sechs Jahren nicht geändert zu haben. Auf einmal steht man mitten im Wald und der Weg ist weg. Hier wäre eine Überprüfung der Wege durchaus sinnvoll. Im Zweifelsfall nimmt man einfach den Waldrandweg. Egal wie, erreichen wir als Nächstes den schönen Mühlengraben, der sich durch den Wald schlängelt und folgen ihm aufwärts zum Forellenteich Auemühle. Hier ist immer was los und zur rechten Zeit kann man sich hier einen Fisch genehmigen und/oder mitnehmen. Kurz dahinter liegt das Eckerloch, eine von zwölf Erdfallerscheinungen in Pöhlde. Hier kann man ebenfalls eine gepflegte Rast einlegen.

Ein paar Meter weiter treffen wir auf die Trasse der ehemaligen Bahnlinie Bleicherode – Herzberg oder umgekehrt. Die hauptsächlich dem Güterverkehr dienende Verbindungsstrecke wurde ab 1908 eröffnet und letztendlich 2001 vollkommen stillgelegt. Heute ist die Trasse auf niedersächsischer Seite zu einem Radweg ausgebaut worden, der die Orte Herzberg, Pöhlde und Rhumspringe miteinander verbindet. Der ehemaligen Bahntrasse folgen wir ein paar hundert Meter bis zur Brücke der Landstraße 530. Was ich beinahe vergessen hätte: Den gesamten Abstecher zur Rhumequelle und zurück habe ich weggelassen. Der Weg würde sich dadurch um sechs Kilometer verlängern. Wer sich das zumuten möchte, kann es tun. Ich empfehle, der Rhumequelle einen Besuch abseits der Wanderung zu abzustatten. An der Brücke gehen wir hinauf in den Wald und folgen dem Weg zum Naturdenkmal Schwimmende Insel. Der Erdfall ist ein Teil des dreigeteilten Naturschutzgebietes „Finnenbruch, Großes Butterloch und Schwimmende Insel“. Die anderen beiden kleinen Gebiete liegen am Wegesrand, wenn man die Verlängerung zur Rhumequelle nimmt. An der Schwimmenden Insel schwimmt nicht mehr viel und es ist auch nicht viel zu sehen, weil der durchaus beeindruckende Erdfall nahezu verlandet und zugewachsen ist. Auf alten Bildern kann man noch erkennen, wie es hier einst ausgesehen hat. Auf urigen Pfaden geht es jetzt weiter zum Grillplatz Pöhlde, an dem man aufgrund der vielen Möglichkeiten zu rasten, die Qual der Platzwahl hat. Wer Lust hat, kann von hier noch einen Abstecher zu der nicht weit entfernten Wallburg Pöhlde machen, einer Sage nach auch als „König Heinrichs Vogelherd“ bezeichnet. Ob mit oder ohne Abstecher geht es dann hinunter nach Pöhlde.

Johannes-Servatius-Kirche in Pöhlde

Johannes-Servatius-Kirche in Pöhlde

Den Ort erreichen wir an der Stelle, an der der vorhin erlebte Mühlengraben in die Beber mündet. Durch die Klosterstraße gelangen wir zur Straße „Am Sumpf“, die uns zuerst zu einem weiteren, kleinen Erdfallsee und zum Gelände der ehemaligen Pfalz Pöhlde führt. Sie war neben Werla, Goslar, Grona und Dahlum eine der fünf Pfalzen im heutigen Niedersachsen und entstand aus einem Landgut der sächsischen Liudolfinger. Besonders Heinrich II. hielt sich sehr häufig hier auf. Neben der Pfalz entstand im 10. Jahrhundert ein Kloster, das nach den Bauernkriegen im 16. Jahrhundert an Bedeutung verlor. Heute wird das Gelände von der 1668 erbauten, imposanten Johannes Servatius-Kirche beherrscht. An der Pfalzstraße geht es hinaus aus Pöhlde, wo die schon erwähnte „Durststrecke“ beginnt, die nur von wenigen Erlebnissen aufgelockert wird. Hinter der Brücke der Oder, die hier als Naturschutzgebiet “Oderaue” ausgewiesen ist, geht es in die Feldmark des Pöhlder Beckens. Auf dem ersten Weg nach rechts wandern wir an einem wohl selbständig renaturierten Kiesabbaugebiet vorbei, das auf einigen Wegen auch erkundet werden kann. An der Landstraße 530 biegen wir ab und wandern entlang der Mamsellenbreite, auf Satellitenbildern noch ein geschlossener Fichtenforst, in der Realität, bedingt durch das massive Nadelholzsterben, momentan eine ausgedehnte, nicht gerade ansehnliche Ruderalfläche. Eine kurze Auflockerung bietet uns dann das Klimp, eine markante Geländekante, von der Oder geformt. Die genauen geologischen Zusammenhänge erklärt eine Infotafel.

Hinter dem Klimp geht es wieder in die Feldmark. Zufällig sah ich auf der OpenStreetMap, dass es wohl den Plan einer Umgehungsstrecke der Bundesstraße 243 bei Herzberg gibt, die dann hier entlang führen würde. Das kann die Sache kaum schlimmer machen, wenngleich der Karstwanderweg an dieser Stelle dadurch noch mehr an Attraktivität verlieren würde. Viel schlimmer sieht es im weiteren Verlauf der geplanten Umgehung aus. Die Strecke würde nämlich durch die herrliche Landschaft am Nüllberg verlaufen, die wir auf der letzten Etappe durchwandern durften. Ich hoffe inständig, dass ich das nicht mehr miterleben muss. Wir erreichen einen kleinen Erdfall und eine Hinweistafel auf das Lange Bruch, das etwas abseits unseres Wanderweges liegt. Dahinter kommt dann der Punkt der Entscheidung. Wir entschlossen uns, hier abzukürzen und südlich von Herzberg zum Papenberg hinüberzuschießen. Wer es sich zutraut, kann weiter der südlichen Route des Karstwanderweges folgen bis zum Schlossberg, dann zum Beispiel am Mühlengraben zum Jues-See gehen und dort wieder in die nördliche Route einsteigen. Das wäre eine Verlängerung des Weges um etwa drei Kilometer. Die Qual der Wahl halt. Wir gingen die Abkürzung, erst entlang einer glücklicherweise verdeckten Solarplantage, dann an einem Bauhofgelände vorbei über die Bahngleise und entlang eines Industriegeländes zum Häxgraben. Hier hatten wir die Backen dicke und machten auf der Brückenmauer erst einmal eine wohlverdiente Pause. Frisch gestärkt wurden dann die letzten Meter aus dem selbst gewählten „Schlamassel“ absolviert. Über die kaum noch erkennbare Trasse der ehemaligen Siebertalbahn und über die ausgebaute Bundesstraße 243 erreichen wir den Fuß des rettenden Papenberges.

Gipfel des Papenberges

Gipfel des Papenberges

Welch eine Wohltat, diesen kleinen, aber feinen Berg hinaufzusteigen. Von oben hat man eine schöne Aussicht in Richtung Herzberg und Umgebung und zum nahen Harz. Ein Wäldchen mit sehenswerten Bäumen stockt auf dem „Gipfel“ und eine Bank lädt zum Verweilen ein. Dann geht es weiter durch die offene Landschaft hier oben, die gerade jetzt im Vollherbst auch ihre Reize besitzt. So geht es wieder etwas beschwingter zum Eichelngraben mit schönem Blick zum Harz und dann weiter zum Knickelberg. In dem kann man auch im Vorbeigehen die auf der Infotafel abgebildeten Dolomitfelsen im Herbst gut erkennen. Kurz vor der Bundesstraße knicken wir nach links ab und wandern durch einen mit „seltsam“ anmutenden Nadelbäumen besetzten Wald zurück zu unserem Ausgangspunkt in Scharzfeld, wobei wir auf den letzten Metern einen ersten Blick auf die uns beim nächsten Mal erwartende Steinkirche erhaschen. Schwuppdiwupp! Da habe ich am Ende wieder mal voll aufs Gas getreten, obwohl die Landschaft zwischen Papenberg und Knickelberg ein Highlight, vielleicht sogar das Highlight des Tages war. Die in der Erinnerung wahrscheinlich „anstrengendste“ der 17 geplanten Rundwanderungen war immer noch sehr spannend und es gab jede Menge Erlebnisse. Wer kein Problem mit langen Durststrecken hat, vor vielen Jahren hätte uns das auch nichts ausgemacht, kommt trotzdem voll auf seine Kosten. So wie gegangen, war es für uns dieses Mal definitiv das letzte Mal – das haben wir letztes Mal auch schon gesagt. Die Landschaft am Papenberg werden wir aber auf jeden Fall ins Auge fassen für die zweite „Best of Karst“-Tour. Dann wollen wir auch den Weg durch den Knickelberg suchen, um die Dolomitfelsen dort etwas näher in Augenschein nehmen zu können.

Am Ende eines Tages...

Die größeren Ansiedlungen Osterode und Herzberg (beide mit “am Harz” im Titel, um genau zu sein), haben wir jetzt hinter uns gelassen und es wird jetzt nach und nach etwas ruhiger am weiteren Karstwanderweg. In Höhe Bad Sachsa verlassen wir dann auch glücklicherweise das Umfeld der Bundesstraße 243. Ganz kurios, dass wir letztens auf einer Erkundungsfahrt feststellen mussten, dass wir noch nie in Bad Sachsa waren, obwohl wir dachten, dass es eigentlich keine nennenswerten Harzorte gibt, die wir nicht wenigstens einmal mit dem Auto durchquert haben. Nachdem wir einen einstündigen Gang durch das schöne Zentrum gemacht hatten, war auch schon eine Wanderung von dort auf schmalen Pfaden zum Ravensberg geplant. Ach, das Leben ist wohl doch viel zu kurz und die Welt ist einfach viel zu groß. Also lassen wir uns nicht aufhalten, auch nicht von einem Virus, das uns von den immer gleichen Verdächtigen als Killer verkauft wird. Denkt und fühlt euch frei und bleibt bloß nicht zu Hause.

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