Da haben wir mal wieder eine kleine Wanderung, die insgesamt keinen Premiumweg darstellt, aber mit vielen kleinen „Besonderheiten“ punkten kann, die sie durchaus erlebenswert machen. Vor einigen Jahren absolvierten wir zwei nicht gänzlich befriedigende Runden im Gebiet zwischen dem Hohen Hagen und Scheden. Aus diesen beiden und einigen neuen Wegen „bastelte“ ich uns jetzt diese eine Tour zusammen. Die besitzt wie gesagt keine großen Sehenswürdigkeiten, kann aber mit schönen Landschaftsbildern und vielen kleinen Begegnungen in Sachen Kultur und Natur punkten. Das geht schon am Start in Scheden los. Parkbuchten am Straßenrand gibt es an dem Platz mit den Infotafeln zum Quellenpfad. Die Symbole des Weges sind der weithin sichtbare und bekannte Gaußturm, die Dorfkirche des ersten deutschen Bioenergiedorfes Jühnde und der „Flöter“, der eine Statue von Schedens berühmtesten Sohn zeigt, dem Hofmusiker und Komponisten Johann Joachim Quantz. Direkt am Start stehen wir auch an der ehemaligen Bahnstrecke der Hannöverschen Südbahn, hier auch etwas fälschlicherweise als Dransfelder Rampe bekannt. Auf der anderen Seite verläuft der kleine Mühlbach des Ortes, der aus den Quellen nicht weit östlich unseres Standortes entspringt. Da ist schon einmal eine Menge Interessantes im Gange, bevor wir überhaupt losgegangen sind. Der Quellenpfad teilt sich wohl in drei verschiedene Strecken, die man auch gut zu einer verbinden kann. Wir gingen trotzdem unseren Weg, auf dem wir den Quellenpfaden mehrfach begegnen.
So, nun aber los. Am Hohen-Hagener-Weg kommen wir an einem kleinen Fußgängertunnel der ehemaligen Strecke der Hannöverschen Südbahn vorbei, an einigen sehenswert geschnittenen Bäumen vor Fachwerkhäusern und verlassen den Ort dann parallel zu der alten Bahnstrecke. In den Wiesen rechts befindet sich ein kleines, idyllisches Anwesen, das wir uns wohl so auch gefallen lassen würden. Wir schwenken nach rechts hinauf zum Waldrand, von wo wir eine schöne Aussicht über die Wiesen und den Ort Scheden in Richtung des Weserberglandes genießen. Solche Aussichten werden wir heute noch des Öfteren haben, so auch am Wegesrand des Aufstieges und von der Flöter Hütte, die wir jetzt erreichen und von der aus wir den gleichen Blick wie vorhin aus einer anderen Perspektive erleben. Ein netter Rastplatz mit angeschlossenem Grillplatz bietet hier oben nahezu alles, was man für eine mehr oder weniger ausgedehnte Rast oder eine Feier im Freien benötigt. Die Runde um den Huhnsberg hatte ich eigentlich eingebaut, um den Weg ein wenig zu verlängern und wie so oft hatten wir das Glück, dass die Tour dadurch einen „Mehrwert“ erfuhr. Schöne Wege, ein alter Steinbruch und auf einer Obstbaumwiese dann der wohl größte Bestand an Wiesen-Salbei, den wir jemals erleben durften, darunter viele weiße Exemplare. Wir werden diesen Anblick später noch von der anderen Seite erleben und es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Pflanzen hier wohl ausgesät wurden. Das ist aber im Grunde genommen bei dem herrlichen Anblick völlig egal. Wir hüpfen einmal über die Anhöhe des Huhnsberges, dann geht es wieder hinab und kurz vor Erreichen des bereits gegangenen Weges scharf rechts in das Luchshohl. Nachdem wir im Tal die Linksbiege gemacht haben, kann man die rechter Hand liegenden Hänge beobachten. Das Weiße Waldvöglein ist häufig anzutreffen, das Rote Waldvöglein seltener. Als wir das letzte Mal hier waren, gab es wesentlich mehr der nicht gerade häufig anzutreffenden Orchidee, aber da war der Weg auch noch nicht derart verbreitert.
Ich musste für ein wegen des Windes und mangelnder Fähigkeiten leider missratenen Fotos den steilen verkrauteten Hang hinaufklettern, entdeckte dafür im Umfeld der roten auch etliche weiße Exemplare und einige Waldhyazinthen. Auf dem etwas länger verlaufenden Rückweg zu meiner Besten fand ich dann noch ein seltsames, altes Waldgrundstück mit Erdbau, Plumpsklo und verfallener Hütte. Spannend! Der Weg führt jetzt zur Trasse der ehemaligen Bahnlinie und vielleicht war dieser einst eine kleine Nebenstrecke oder ein Ausweichgleis. Ein Weg, der zwar keinen Ausblick bietet und wegen der Pflanzendichte am Rand auch keinen Einblick in den Wald, der aber trotzdem sehr schön zu gehen ist. Im Wald blitzen an kleinen Durchlässen immer wieder die Weißen Waldvöglein durch. Wir erreichen die gleislose Bahntrasse und können beziehungsweise müssen uns entscheiden, wo wir gehen. Denn beide Wege haben was. Wir gingen ein Stück auf der Bahntrasse und dann an der eingezeichneten Bank den recht steilen Hang hinauf. Die ehemalige Bahntrasse ist sehr interessant und durch den hohlwegartigen Charakter ist man hier etwas abgeschottet vom Umfeld. Die Bank mit Fußstütze lädt nach den positiven Überraschungen des Tages zum Verweilen ein. Danach geht es auf einem noch halbwegs erkennbaren Weg, eher eine Treckerspur, wirklich nett über die Wiesen unterhalb des Breckellieth. Das ist schon ein schönes Landschaftserlebnis. In den Wiesen blüht es hier und dort, vor uns liegt der Waldstreifen des Berges und der Rückblick gewährt schöne Aussichten in die nähere Umgebung. Nach dem Überqueren der Wiesen erreichen wir den etwas besser ausgebauten Weg, den man auch komplett nehmen kann und wandern die letzten Meter hinauf in den Wald des Breckellieth.
Johann Joachim Quantz - Vom Schmiedesohn zum Flötenlehrer des Alten Fritz
Johann Joachim (gebürtig Hanß Jochim) Quantz wurde 1697 in der Dorfschmiede in Scheden geboren und starb 1773 in Potsdam. Anfangs schien er das Pech regelrecht anzuziehen. Bereits 1707 waren beide Eltern gestorben und er kam mit 10 Jahren zur Ausbildung zu seinem Onkel Justus, seines Zeichens Stadtmusikus von Merseburg. Dieser starb auch recht früh und Johann arbeitete und lernte bei dessen Nachfolger weiter und spielte in der Hofkapelle des Prinzen von Sachsen-Merseburg. Der starb dann auch 1714 und der arbeitslos gewordene Quantz ging nach Dresden, wo er nicht angenommen wurde und sich stattdessen als Stadtpfeifer in Radebeul verdingte. Drei Wochen später wurde der Ort während eines Brandes nahezu vollständig zerstört und Quantz ging als Stadtpfeifer nach Pirna. Dort erlernte er bis 1716 den Umgang mit diversen Instrumenten, wie zum Beispiel Oboe, Violine, Trompete, Blockflöte, Kontrabass und Querflöte. Nach der Ausbildung bekam er 1716 eine Anstellung in der Stadtkapelle Dresden und 1718 in der Polnischen Kapelle von August II. 1717 studierte er beim Komponisten und Hofkapellmeister Fux in Wien, 1718 nahm er Flötenunterricht beim französischen Virtuosen Buffardin und begann selbst zu komponieren. 1724 bis 1726 ging er nach Italien, studierte beim Komponisten Gasparini in Rom, begegnete kurz vor dessen Tod Alessandro Scarlatti, schloss Freundschaft mit Farinelli und bekam in Venedig sein großes Vorbild Antonio Vivaldi zu Gehör. Von 1726 bis 1727 hielt er sich in Paris und London auf, wo ihn Georg Friedrich Händel zu bleiben drängte. Quantz aber blieb sich und seinen Zielen treu, wurde 1728 Flötist bei der Kurfürstlich-Sächsischen und Königlich-Polnischen Kapelle in Dresden und erteilte trotz väterlichen Verbotes dem Kronprinzen Friedrich Flötenunterricht. 1737 heiratete er, wie sich später erwies, recht unglücklich und 1741 bestellte der zum König ernannte Friedrich ihn zum Kammermusikus und Hofkomponisten. Er erteilte Unterricht, leitete Konzerte, komponierte und begleitete den König während der Schlesischen Kriege sogar ins Feldlager. Er baute und verbesserte Flöten, schrieb 1752 ein Flöten-Lehrbuch und während seines Wirkens über 200 Flöten-Solosonaten, etwa 300 Flötenkonzerte, 45 Triosonaten und 9 Hornkonzerte. Bis zu seinem Tode 1773 blieb Johann Joachim Quantz am Hofe Friedrichs des Großen.
Wälder sind in der heutigen Zeit immer ein kleines Pokerspiel. Man weiß, gerade wenn man nicht ortsansässig ist, nie genau, was einen erwartet. Die moderne, von manchen als „schonend“ bezeichnete Waldwirtschaft, meint es mit dem Wald, der eigentlich an vielen Stellen unserer Heimat ein Forst ist, gar nicht so gut und damit auch nicht mit dem Wanderer oder Spaziergänger. Da wir rund um den Gaußturm auch schon nicht so nette Begegnungen hatten, nahmen wir an diesem Tag nur so viel Wald wie nötig, so wenig wie möglich mit. Ist aber nur halb so schlimm, wie es sich anhört, eigentlich gar nicht schlimm. Kein schmaler Schnuffelpfad erwartet uns, aber ein noch angenehmer Waldweg. Wir nahmen vor der Wüstung Grophagen einen kleinen Pfad, der leider wegen Nichtnutzung sehr marode und verkrautet war, sodass ich ihn nicht empfehlen kann. Im Track habe ich darum die von uns nicht begangene Route nördlich der Wüstung eingezeichnet, die begehbarer sein müsste. Von dem ehemaligen Töpferdorf Grophagen, das wohl gegen 1400 wegen zu starker handwerklicher Konkurrenz aus dem Umland aufgegeben wurde, ist lediglich die große Wiese im Wald geblieben. An solch manchmal seltsam anmutenden Freiflächen lassen sich aufgegebene Siedlungen immer sehr gut erkennen. Wohin die Grophagener den Ort verließen, ließ sich nicht herausfinden. Sie werden wohl in die umliegenden Dörfer umgezogen sein. Wir treten hinaus in das andere Ende des Luchshohles. Luchse gibt es hier wohl keine mehr, aber dafür des Öfteren das liebe Vieh. Das Tal war bei unserem Besuch mit einer Stromleine eingezäunt, aber es war kein Vieh auf der Wiese, sodass wir uns hinüberschlichen. Sollte das mal nicht möglich sein, müsste man einen recht großen Umweg gehen bzw. man biegt schon vorher an der Wüstung ab und geht einen anderen Weg.
Auf der Wiese standen etliche Exemplare der Herbstzeitlosen, die bei uns immer wieder eine große Faszination auslöst. Ein riesiges Blätterbüschel im Frühjahr und dann später eine dagegen fast winzige Blüte. Tolle Pflanze! Ein schöner Feldweg mit mittiger Grasnarbe, auf der einen Seite baum- und strauchbestanden, auf der anderen Seite große Wiesen, führt uns zur anderen Seite des Huhnsberges. Klasse hier! Ein kleiner Schlenker bergauf, dann geht es hinab zum Klages- und zum Wetenborn. Hier in dieser Landschaft offenbart sich, warum es den Quellenpfad gibt. Auf engstem Raum gibt es hier eine Vielzahl von Quellen, deren Entstehung eng mit der besonderen geologischen Situation zusammenhängt. Der Wasserreichtum wird es wohl auch gewesen sein, der die Menschen dazu animierte, hier Siedlungen zu errichten, die heute wüst gefallen sind. Vom Klagesborn aus, dessen Name eventuell abgeleitet ist von einer Klause, einem klösterlichen Arbeitshof, erreichen wir schließlich hoffentlich ausreichend beschwingt die Wüstung Wetenborn. Hier manifestiert sich die spannende Gegend vielleicht am besten, wenngleich von der Kirche der Wüstung Wetenborn auch nur Fundamente vorhanden sind. Viel ist nicht bekannt über die Siedlung, die erst in den 1970er Jahren „wiederentdeckt“ wurde und von der nur bekannt ist, dass sie gegen 1400 verlassen wurde. Die Bewohner ließen sich wohl in Scheden nieder. Gleich drei Quellen, der Wetenborn, die Hunger- und die Klagesquelle, entspringen in der Nähe und machen klar, warum sich hier überhaupt Menschen dauerhaft ansiedeln konnten. Ein tolles Plätzchen, von dem aus wir ins Tal streben. Kurz vor dem Erreichen des Tals biegen wir aber noch einmal nach links ab und gehen in den Wald. Auf netten Wegen, teils unbefestigt, aber auch ungewöhnlich breit, geht es zwischendurch auf die Wiesen unterhalb des Hohen Hagen mit Blick auf den dort aufragenden Neuen Gaußturm.
Einen klangvollen Namen besitzen das kleine Massiv und der Turm. Der Hohe Hagen ist einer der nördlichsten Vulkane Deutschlands und vom 19. Jahrhundert bis 1971 wurde hier Basalt abgebaut. Carl Friedrich Gauß nutzte den Berg für seine trigonometrischen Vermessungen des „großen Dreiecks“, bestehend aus Hohem Hagen, dem Brocken im Harz und dem Großen Inselsberg im Thüringer Wald. Zu vieles gäbe es hier noch zu berichten. Ich verweise auf einschlägige Internet-Einträge, wie z.B. die Beiträge des Göttinger Tageblatts, die man auch hier bei Wiki-Göttingen.de zusammengefasst findet. Wie es momentan um den Gaußturm und eventuelle Öffnungszeiten oder Aussichtsmöglichkeiten steht, wissen wir leider nicht. Durch die Wiese geht es wieder in den Wald und dann bei Interesse zum Heiligen Born. Ob ein Abstecher sich lohnt, weiß ich nicht, da wir bereits zu faul waren hinzugehen. Im 16. Jahrhundert soll die Heilkraft der Quelle nachgewiesen worden sein und der Ort entwickelte sich zum weithin bekannten Wallfahrtsort. Nach dem Dreißigjährigen Krieg „erlahmte“ das Interesse und heute zeugt kaum etwas von dem vergangenen Ruhm. Auf einem gut ausgebauten, aber durch freundlichen Laubwald führenden Forstweg geht es wieder hinaus in die Wiesen- und Weidenlandschaft. Auf der „Pilgerbank“ machten wir eine Rast und auf dem Weg zu einem Pinkelplätzchen im nahen Wald entdeckten wir einige Waldhyazinthen und Weiße Waldvöglein. Witzigerweise ist das schon öfter passiert, dass wir beim Austreten auf botanische Kostbarkeiten stießen. Zwei wohl ortsansässige, anscheinend botanisch Interessierte, kamen kurz darauf aus einem ehemaligen, kleinen Steinbruch am Wegesrand.
Weiter geht es auf der ehemaligen Poststraße in Richtung Scheden. Rechter Hand geht es hinauf in einen kleinen Steinbruch und kleine Pfade führen an den eingezäunten Rand der mit dem Wiesen-Salbei übersäten Wiese, die wir bereits am Anfang erleben durften. Irgendjemand hatte hier witzigerweise auf der OpenStreetMap „Gymnadenia conopsea“ eingetragen, was ja die Mücken-Händelwurz wäre. Der Eintrag scheint verschwunden zu sein und von der Orchideenart war auch nichts zu sehen, dafür neben dem Wiesen-Salbei etliche Waldhyazinthen und Weiße Waldvöglein. Ein spannender kleiner Abstecher zum Schluss! Auf dem zwar asphaltierten (Rad-)Weg, der allerdings wunderbar begrünt ist und durch eine liebliche Landschaft führt, geht es an einem weiteren, nicht begehbaren Steinbruch und zwei Quellen vorbei, dem Kleinen und Großen Spring. Sie speisen den Dorfbach, der auf seinem kurzen Weg einst sieben Mühlen antrieb und an dem wir ja auch geparkt haben. Apropos! Hoffentlich beschwingt erreichen wir diesen dann auch nach wenigen weiteren hundert Metern unseren Parkplatz im Dorf.
Am Ende eines Tages...
Einige kleine „Unannehmlichkeiten“ waren heute dabei, aber das lässt sich manchmal nicht vermeiden, wenn man die Heimat in all ihren Facetten erleben und erwandern will. Alles in allem, vor allem, wenn auch das Wetter und das eigene Befinden mitspielen, bietet diese Tour aber mehr als ausreichende Erlebnisse in Sachen Natur und Kultur. Es sind wieder einmal gerade die Offenlandschaften und Waldrandwege, die wir seit etlichen Jahren in vielen „Forstgegenden“ bevorzugen, die uns am meisten begeistern konnten. Wem eine Wanderung eh zu viel ist, wer lieber kleinere Exkursionen oder Spaziergänge absolviert, dem sei die offene Landschaft mit den Wiesen und Weiden und Quellen östlich von Scheden auf jeden Fall wärmstens ans Herz gelegt.
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