Nach längerer Abwesenheit, bedingt durch Stress, Faulheit und nur wenige Wanderungen, was wiederum bedingt war durch den doch recht markanten Sommer 2018, geht es jetzt langsam, aber hoffentlich nachhaltig weiter. Und wie immer gilt die goldene Regel: Ist es zum Wandern zu warm, fahr in den Harz. Der sorgt mit seinem einzigartigen Angebot an flüssigem Nass für ausreichende Möglichkeiten zur Abkühlung. Uns selbst war bis vor wenigen Jahren nicht bekannt, zumindest nicht bewusst, dass viele Gewässer im Harz nicht natürlichen Ursprungs sind. Die Bäche, Flüsschen und Flüsse sind es natürlich schon, die Talsperren augenscheinlich nicht. Aber dass die Existenz der vielen Teiche, die sich zum Beispiel rund um Clausthal-Zellerfeld konzentrieren, allesamt dem Bergbau vergangener Zeiten entsprungen sind, war uns nicht wirklich bewusst. Umso intensiver haben wir in den letzten Jahren dieses alte Bewässerungs- und Entwässerungssystem bewandert. Die Harzwasserwerke unterhalten heute noch 65 von einstmals 149 Teichen, 70 von einstmals 500 Kilometer Gräben und 21 von einstmals 30 Kilometer Wasserläufen. Die heute nicht mehr genutzten Anlagen sind aber teilweise noch gut im Gelände zu erkennen. Eine spannende Verbindung aus Kultur und Natur, auch weil sich an den Anlagen des Oberharzer Wasserregal einige der schönsten Wege des Gebirges erhalten haben, die wir heute als Wanderpfade nutzen dürfen.
So langsam packt uns der Harz wieder, den wir erst seit einigen Jahren wieder intensiver bewandern und der zweifellos zu den faszinierendsten Mittelgebirgen unserer Heimat gehört. Die wunderschönen Orte, der Nationalpark, die Relikte des Bergbaus, der Brocken, die Bergwiesen und Teiche, die nördlich und südlich vorgelagerten Landschaften – wo soll man anfangen und aufhören, wenn es um die Schönheiten des spannendsten und abwechslungsreichsten aller uns bekannten Gebirge geht? Aber man muss auch sagen, dass der lange durch den Bergbau geprägte Harz immer noch vielerorts von der Fichte geprägt wird, die oft in Monokulturen in Reih und Glied steht. Stundenlang auf den breit geschotterten Forstwegen zu wandern, ist nie so unser Ding gewesen, weshalb wir dem Harz lange Jahre unberechtigterweise den Rücken kehrten. Denn es gibt sie durchaus, die kleinen und schnuffligen Wege, die am Wegesrand auch „befriedigende“ Erlebnisse bieten. Durch heute kostenfrei zugängliche Online-Karten, wie die OpenStreetMap und ihre Ableger, ist es einfacher möglich, sich diese Wege individuell zu erschließen. Im westlichen Teil des Harzes gibt es dann noch das zum UNESCO-Welterbe erklärte Oberharzer Wasserregal, dessen Wege nicht beeinträchtigt werden dürfen durch die sogenannte moderne und vermeintlich schonende Waldwirtschaft, die vielerorts den Wald in einen Schrottplatz verwandelt hat. Auf diesen Pfaden zu wandeln, das soll heute aufs Allerfeinste unserem Wohlgefallen dienen, wenn man es denn mal etwas unmodern ausdrücken darf. Hier kann man herrlich entdecken, chillen, entschleunigen – Harzallerliebst halt!
Eine Empfehlung für den Start mit dem Auto wäre der Parkplatz am Großen Kellerhalsteich. Nicht gerade idyllisch, aber ausreichend Parkplätze und das schöne Spiegeltal im letzten Drittel der Wanderung. Die einzelnen, unterschiedlichen Abschnitte der Wanderung können sich im Laufe der Jahre eh stark verändern. War der Obere Schalker Graben 2015 noch ziemlich idyllisch, war dort 2018 stark abgeholzt worden. Für Nutzer des ÖPNV geht es „optimalerweise“ an der im Dornröschenschlaf befindlichen, ehemaligen Reha-Klinik Erbprinzentanne los, die demnächst in ein Zentrum für traditionelle chinesische Medizin verwandelt werden soll. Der Bus von Goslar fährt regelmäßig und ermöglicht eine entspannte An- und Abreise, dafür muss man am Anfang und Ende einige Meter entlang der durchaus viel befahrenen Bundesstraße 241 gehen. Es gibt aber die Möglichkeit, neben der Fahrspur zu gehen. Am Anfang sind es nur wenige Meter, bis wir die schöne Teich- und Wiesenlandschaft bei Zellerfeld erreichen. Über alles zu berichten, was uns heute auf dem Weg begegnet, würde den Rahmen sprengen und außerdem besitze ich dazu auch nur ein sehr begrenztes Wissen. Darum beschränke ich mich auf wenige Informationen. Am Wegesrand gibt es auch zuhauf ausreichend erklärende Infotafeln. Eine Übersicht über die Teiche, ihre Erreichbarkeit und die Möglichkeit zum Baden, die vielerorts gegeben ist, findet ihr z.B. hier.
So, jetzt aber langsam los. Genug um den heißen Brei gelabert. Als Erstes erreichen wir den Stadtweger Teich und den unterhalb gelegenen Mühlenteich. Infotafeln am Striegelhäuschen klären über bergbauliche Belange auf, die Landschaft hier ist wunderbar harzlich. An dieser Stelle lernen wir bereits, dass sich zu Zeiten des boomenden Bergbaus im Harz nahezu alle und alles dieser ertragreichen Wirtschaft unterzuordnen hatte(n). Auch die zur rechten Zeit herrlichen Bergwiesen, die es in dieser Form im weiten Umkreis nur noch im Harz gibt, entstanden damals. Eine unvergleichliche Pracht, wenn Wald-Storchschnabel, Schlangen-Knöterich, Bärwurz, Braunrotes Habichtskraut, Schmalblättriges Weidenröschen, Schwarze Teufelskralle, Perücken-Flockenblume und viele andere die Wiesen regelrecht überwuchern. Am Stadtweger Teich vorbei gelangen wir zum Zellerfelder Kunstgraben, der die Gruben des mittleren Zellerfelder Gangzuges bediente und der selbstverständlich zum UNESCO-Welterbe Oberharzer Wasserregal gehört. Auf einem wahrlich nicht barrierefreien Wiesenpfad geht es die nächsten Kilometer entlang des wunderschönen Grabens, der im 17. Jahrhundert angelegt wurde und im 19. Jahrhundert eine Länge von mehr als 9 Kilometern hatte. Im Wald ändert sich das Angesicht der Landschaft schlagartig und es geht durch den typischen „Brotwald“ des Harzes, der von der Fichte geprägt, sogar eher dominiert wird. Trotzdem spannend und auf schmalem Weg erreichen wir den Abzweig, der uns ins Spiegeltal führt. Vor Jahren war hier noch eine meterbreite Trasse der modernen Waldwirtschaft, die sich mittlerweile etwas renaturiert hat.
UNESCO-Weltkulturerbe Oberharzer Wasserregal
Regal bezeichnete eigentlich das königliche Hoheitsrecht, zum Beispiel über den Bergbau oder die Wasserwirtschaft. Im Harz verliehen die amtierenden Herrscher gewisse Bergfreiheiten, wie zum Beispiel das Bergregal und das Wasserregal. Damit waren Privilegien verbunden und die Nutzung durch den Bergbau hatte oberste Priorität vor anderen Nutzern, wie den Müllern. Heute bezeichnet der Begriff Oberharzer Wasserregal alle noch vorhandenen Anlagen, die das Wasser einst für den Bergbau nutzbar machten.
- Erste bergbauliche Tätigkeiten im 3. Jahrhundert, erste Blütezeit und erste Wasserräder im 12./13. Jahrhundert, Niedergang während der Pest im 14. Jahrhundert, Belebung im 16. Jahrhundert durch die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg
- im 16./17. Jahrhundert wurden die meisten Gräben und Teiche angelegt
- bis ins 19. Jahrhundert wurden die Anlagen um- und ausgebaut und optimiert. Zum Beispiel wurden Dämme erhöht, Gräben erneuert, erweitert und verlängert und Wasserlösungsstollen angelegt, wie der 35 Kilometer lange Ernst-August-Stollen
- 1864 erfolgt die Verstaatlichung des Bergbaus durch das Königreich Hannover und damit einhergehend der Wegfall der Bergfreiheiten
- 1866 Übernahme durch das Königreich Preußen und 1923 durch die Preussag AG
- 1930 endete der Bergbau in weiten Teilen und das Oberharzer Wasserregal wurde größtenteils zur Stromerzeugung genutzt
- 1980 wurde die Stromerzeugung wegen Unwirtschaftlichkeit weitestgehend eingestellt
- 1991 verpflichteten sich die Harzwasserwerke, das Wasserregal zu übernehmen, zu betreiben und erhalten
Das Spiegeltaler Zechenhaus, momentan (Oktober 2018) nicht bewirtschaftet, wurde im 16. Jahrhundert errichtet. Die Zechenhäuser dienten als Wohn- und Wirtschaftsgebäude in der Nähe von Gruben. Hier wurden zum Beispiel Andachten abgehalten oder der Lohn ausgezahlt. Der Zechenwächter durfte meistens nebenher eine kleine Wirtschaft betreiben, aus der sich dann nach Aufgabe des Bergbaus im 19. Jahrhundert oft ein Ausflugslokal entwickelte. Vor der Brücke geht es für uns rechts ins Spiegeltal, vielleicht dem schönsten Abschnitt einer mit Erlebniswerten nicht geizenden Tour. Ein prächtiger Wanderpfad schlängelt sich am Bach entlang durch ein idyllisch anmutendes, typisches Harzbachtal. Hoffentlich frohen Herzens erreichen wir den Unteren Spiegeltaler Teich, der wie sein weiter oben gelegener kleiner Bruder gegen Ende des 17. Jahrhunderts angelegt wurde. Im Bereich der Teiche gibt es einige botanische Kostbarkeiten, wie zum Beispiel den im Harz gar nicht so seltenen Alpen-Milchlattich oder das Ausdauernde Silberblatt. Weiter geht es durchs schöne Tal zum Spiegeltaler Wasserfall, der (k)ein gutes Beispiel dafür abgibt, dass der Bergbau allen anderen Tätigkeiten übergeordnet war. Das Wasser hatte vielleicht Priorität, aber Holz als damals wichtigster Energieträger und Baustoff, war wohl mindestens ebenso wichtig.
Damit also die Flößer ihre klein gesägten Stämme an den Teichen vorbeischleusen konnten, wurde ein Teil des Teichwassers abgezwackt und die Holzscheite über eine hölzerne Rinne in den tiefer gelegenen Bach geleitet. Nach Aufgabe der Flößerei im Spiegeltal und Entfernung der Rinne entstand der heute zu bestaunende Wasserfall. Infotafeln klären auf, eine Bank lädt zur Pause ein, dann geht es weiter zum Oberen Spiegeltaler Teich. Ein Weg zum Genießen folgt, der uns aufs Feinste zur Untermühle führt, einer von drei hintereinander „geschalteten“ Wassermühlen auf kurzer Strecke. In der Untermühle kann man einkehren, der Außenbereich hat sich in den letzten Jahren echt gemausert. Auf Höhe der Mühle geht es rechts auf einen schmalen Schnuffelpfad, der uns hinauf zum Harteweger Graben bringt. Das ist etwas durchwachsener Weg, aber auf jeden Fall schöner als einer der bereits erwähnten Forstwege. Den Großen Kellerhalsteich, der im 18. Jahrhundert angelegt wurde und einer der größten Teiche seiner Art im Harz ist, lassen wir im wahrsten Sinne des Wortes links liegen. Er ist wegen seiner Nutzung als Trinkwasseranlage für Clausthal-Zellerfeld einer der wenigen Teiche, in denen nicht gebadet werden darf. Nach wenigen Metern im Wald stoßen wir auf den Oberen Schalker Graben, der seit dem 18. Jahrhundert die Wasser vom Fuße des Schalke zu den Hahnenkleer Gruben leitete.
Je nach Jahreszeit und waldwirtschaftlichem Nutzungsgrad sind Weg und umliegende Wälder in unterschiedlichem Zustand. Trotzdem ist das kein übler Weg, vorbei am Röhrenteich und einem markanten Lochstein. Diese Steine markierten einst die Eigentumsgrenzen der Bergwerke. Nach wenigen Metern geht es rechts hinab in Richtung Festenburg, wo man bei Bedarf einkehren kann. Ansonsten oder nach der Einkehr geht es am wesentlich naturnäheren Unteren Graben weiter. Wir erreichen den idyllischen Zankwieser Teich aus dem 17. Jahrhundert, der einen schönen „Strand“ hat und sich gerade bei Nacktbadern großer Beliebtheit erfreut. Am Ende der zu überquerenden Dammkrone geht es links hinab zum Kiefhölzer Teich, der bei lockerer Auslegung des Begriffes Teich der zehnte des Tages ist. Hier stehen die Zeichen auf Familienfreundlichkeit. Einrichtungen zum Grillen (nach vorheriger Anmeldung) und der nahe Groß-Parkplatz führen zu teilweise großem Andrang. Wir hatten Glück und es war recht gechillt, so dass wir die nahezu komplette Runde um den wunderbaren Teich in Ruhe genießen konnten. Am Südufer des Teiches gibt ausgedehnte Bestände an Wollgras. Der Abstieg vom Damm zum Graben erfolgt über einen der beiden möglichen Wege, die im Laufe der Jahre auch ihre Begehbarkeit ändern können. Aber es sind ja nur ein paar Meter und schon sind wir wieder am Zellerfelder Kunstgraben, der sich hier bestens in Szene setzt. Nochmal ein schöner Weg zum Abschluss, dann geht es auf einem Knüppelpfad hinab zur Bundesstraße 241, auf der wir uns (leider) die letzten paar hundert Meter zur Bushaltestelle kämpfen müssen, an der wir schließlich die Heimreise antreten.
Am Ende eines Tages...
Das war auch beim zweiten Mal in den letzten Jahren ein Knüller. Clausthal-Zellerfeld ist abseits der Groß-Sehenswürdigkeiten und des boomenden und beworbenen Nationalparks bei „ausländischen“ Harzwanderern wohl nicht unbedingt die erste Adresse. Zu Unrecht, wie wir wieder einmal sagen müssen. Die Berg- und Universitätsstadt bietet rund um das Stadtbild insbesondere mit seiner Seenplatte eine wanderbare Natur- und Kulturlandschaft. Sie präsentiert einen wichtigen Teil der Faszination des Harzes, der so viele Gesichter hat wie wohl kein anderes Mittelgebirge unserer Heimat. Wir werden in den nächsten Jahren auf jeden Fall alle Wanderungen, die wir hier in den letzten Jahren absolviert haben, wiederholen müssen – Heilige Pflicht sozusagen!
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