Auf dem Weg zu einer Friedens- und Anti-Plandemie-Demo in Magdeburg (Reformation 2.0) machten wir zufällig eine Pause an der Magdeburger Warte und sahen, dass es dort ausgeschilderte Wanderwege gibt. Etwas südlich liegt Harbke, dessen Schloss und Park wir bereits vor Jahren besucht hatten. Ich schnüffelte ein wenig auf der OSM herum und fand heraus, dass auch Marienborn und Sommerschenburg Schlösser haben. Da bastelte ich flugs eine Wanderung zusammen, die alle drei Orte verbindet. Witzigerweise mussten wir vor Ort feststellen, dass es auch hier etliche Wanderwege gibt und unsere Wanderung „zufällig“ weitestgehend der Räuber-Rose-Route folgt. Die Gegend ist im heutigen Zustand zwar keine prädestinierte Wandergegend, aber wir sind da mittlerweile recht schmerzfrei. Was wir vorfanden? Eine Landschaft, die einst idyllisch gewesen sein mag und heute immer noch sehr interessant und spannend ist – wenngleich sie von großen Straßen und Tagebauen umgeben ist. Trotzdem war es auch wegen der vielen kulturhistorischen Erlebnisse eine sehr atmosphärische Wanderung. Start war für uns ein Parkplatz am Schwarzkuhlenteich in Harbke, in direkter Nähe zum Schlosspark. Den betreten wir dann auch gleich, wenn wir losgehen. Von Harbke selbst bekommen wir nicht viel mit und auch dem Schlossbezirk kehren wir erst einmal den Rücken, um ihn am Ende ausgiebig erkunden zu können. Wir betreten also den Harbker Forst und erreichen nach einigen hundert Metern die Feldmark zwischen Harbke und Marienborn.

Schutzhütte auf dem Rodenberg

Schutzhütte auf dem Rodenberg

Hier am Waldrand entdeckten wir auch die ersten Wanderschilder. Im Bereich der heutigen Tour verlaufen anscheinend die Elm-Lappwald-Wanderungen 24 bis 30. Wir folgen, wie schon erwähnt, weitestgehend der Räuber-Rose-Route (Nr. 28). Lediglich in Sommerschenburg nehmen wir das Schloss mit und lassen dafür die Verlängerung nach Sommerdorf weg, was ich auch beides durchaus als sinnvoll erachte. Man könnte die Freiflächen im Zentrum des heutigen Tages als typische „Agrarwüste“ abtun, aber dem ist nicht so und wir begegnen halt immer kulturhistorischen Begebenheiten. Wie jetzt zum Beispiel am trigonometrischen Punkt auf dem Rodenberg, der mit 207,8 Meter Höhe die höchste Erhebung der Norddeutschen Tiefebene ist und auf dem einst ein 40 Meter hoher Signal- und Beobachtungsturm gestanden hat. Heute steht hier in der „Magdeburger Schweiz“ eine nette Schutzhütte für eine erste Rast. Die Landschaft ist in diesem Bereich erstaunlich ausgiebig strukturiert und so erreichen wir ohne Langeweile einen Pausenplatz mit alten Grenzsteinen und wohl einem verwitterten Sühnekreuz. Eine Tafel informiert über das Landschaftsschutzgebiet Harbke-Allertal. Ein paar Meter weiter gleich die nächste Info-Tafel über ein uraltes Gräberfeld im Bischofswald. Hier im Wald liegt mit weit über 100 Hügelgräbern eines der größten Gräberfelder Mitteldeutschlands. Ebenfalls gibt es eine Anzahl an Megalithgräbern, die sogenannten Opfersteine und den Teufelsgrund, in dem im 18. Jahrhundert kurzzeitig nach Steinkohle gegraben wurde. Eine sehr, sehr interessante Gegend für kulturhistorische Exkursionen, für die wir als Tageswanderer leider keine Zeit haben.

Aber wie Mama immer sagte: „Du kannst alles essen, aber nicht alles wissen“. Darum geht es weiter, wobei wir wenige Meter später eine kleine, ungewöhnliche Wanderhütte erreichen, von der man eine Aussicht auf den Brocken haben soll. Diese war uns bedauerlicherweise nicht vergönnt. Wegen des allzu sehr strahlenden Märzwetters, das in der Entfernung für eine gewisse Diesigkeit sorgte, hatte ich auch den ganzen Tag Probleme mit dem Fotografieren, weil irgendwie alle Objekte im Gegenlicht zu liegen schienen. Wir erreichen Marienborn, das ebenfalls eine bewegte Geschichte vorzuweisen hat. Den Älteren als Grenzübergang Helmstedt-Marienborn geläufig, ist es mit einer 1191 gestifteten Marienkapelle einer der oder gar der älteste Wallfahrtsort Deutschlands. Wir kommen zuerst am ehemaligen Klostergut vorbei, das sich nach seiner 40-jährigen Nutzung als LPG bedauerlicherweise in bemitleidenswertem Zustand befindet. Das ehemalige Kloster erreichen wir kurze Zeit später. Im 13. Jahrhundert errichtet, wurde das Kloster im 17. Jahrhundert in ein adliges Damenstift umgewandelt und 1810 von Jérôme Bonaparte aufgelöst. Etwas kurios, dass das große Gebäude neben der Kirche auf Karten als Schloss Marienborn bezeichnet wird, ich aber nichts über eine Nachnutzung der Anlage als Wohnort Adliger herausfinden konnte. Der ganze Komplex ist aber auf jeden Fall sehr schön. Die Kirche kann besichtigt werden, im ehemaligen Brauhaus befindet sich heute unter anderem die Feuerwehr der Gemeinde. Ein Schmankerl ist auch der Rest der 1856 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel errichteten Orangerie, in der sich während unseres Besuchs ein kleines, leider nicht geöffnetes Café befand.

Ehemalige Orangerie Marienborn

Ehemalige Orangerie Marienborn

Wow, eine Menge Erlebenswertes, Spannendes bis hierhin. Bei Marienborn gibt es auch einen 12 Kilometer langen, archäologisch-historischen Wanderweg, dessen Beschreibung ich hier verlinke. Kurz bevor wir das kleine Marienborn verlassen, gelangen wir noch zur Marienkapelle mit der Marienquelle, dem Ursprung der heutigen Anlage. Dann geht es in den Wald, wo wir nach wenigen Metern die Räuberhauptmann-Rose-Höhle erreichen. In Akten als Carl Wallmann geführt, seine verwitwete Mutter hieß mit Nachnamen Rose, geriet der uneheliche Sohn, der deswegen keine Berufsausbildung beginnen konnte, auf die schiefe Bahn. Am Ende seiner Karriere als Anführer einer über 50 Mann zählenden, erfolgreichen Diebesbande standen ein paar Jahre Zuchthaus und die Zwangsemigration in die USA, wo sich seine Spur verliert. Die Höhle war wohl eines der nach seinen Raubzügen aufgesuchten Verstecke im Lappwald. Eine spannende Lebensgeschichte, die man gerne im Detail nachlesen darf. Wir wandern weiter durch den Wald und genießen einige der wenigen Pfade des Tages. Dann geht es wieder hinaus in die Feldmark, wobei wir eigentlich fast immer im oder am Waldrand bleiben. Auch hier leiden die Bäume unter dem wahrscheinlich nicht menschengemachten Klimawandel, wobei auch der heutige, moderne Mensch durch seine Maßlosigkeit eine wesentliche „Mitschuld“ an der immer mehr ausufernden Vergewaltigung und Zerstörung der Natur trägt. Nach Unterquerung einer Stromtrasse erreichen wir den sogenannten „Rastplatz des preußischen Königs“.

Nur kurz: Der geniale Heeresreformer und Feldherr August Neidhardt von Gneisenau war 1831 in Posen der Cholera zum Opfer gefallen. Aufgrund einiger Widrigkeiten konnte er, der 1825 bei der Ernennung zum Feldmarschall mit dem Gut Sommerschenburg beschenkt wurde, nicht ordentlich beigesetzt werden. Erst 1841 gelang dieses letztendlich unter der Teilnahme des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. Dieser rastete auf dem Weg nach Sommerschenburg an dieser Stelle, an der dann der Sohn des Verstorbenen eine Gedenkstele errichten ließ. Kurz darauf erreichen wir auch schon Sommerschenburg. Der Wanderweg lässt das gleichnamige Schloss aus, wir besuchen es. Einst stand an der Stelle des Schlosses eine Burg, die wohl schon im 1. nachchristlichen Jahrtausend errichtet wurde. 1825 gelangte sie in den Besitz der Familie Gneisenau und wurde Ende des 19. Jahrhunderts zum Schloss umgebaut. Leider verfällt das zuletzt als Polytechnische Schule genutzte Schloss seit langem zunehmend und befindet sich mittlerweile in einem bemitleidenswerten Zustand. Da wir den Komplex umwandern, bekommen wir eine Vorstellung von der Größe der Anlage, die immer noch von einstigem Glanz zeugt. Eigentlich erstaunlich, wie gespalten ich in dieser Beziehung bin. Auf der einen Seite faszinieren mich diese historischen Anlagen und ihre Geschichte(n), auf der anderen Seite weiß ich, dass diese Leute eigentlich nur faule Räuber waren, die meine Vorfahren ausgebeutet haben und dieser Lebensart (teilweise) auch heute noch frönen. Na ja, die Welt ändert sich nicht an einem Tag. An der Südseite des Schlosses treten wir in den verwilderten Schlosspark. Ein Weg an der Hausnummer 13 existiert nicht mehr, aber ein paar Meter weiter geht es in und durch den Wald.

Schloss Sommerschenburg

Schloss Sommerschenburg

Ein nettes Wäldchen, in dem es mit etwas Interesse und einem guten Auge vielleicht sogar etwas zu entdecken gibt. Am nordöstlichen Ende stehen sogar mehrere Gebäude im Wald. Wir erreichen schließlich den Friedhof von Sommersdorf, dass wir nicht besuchen und dahinter das Mausoleum des Grafen von Gneisenau. Auch hier sind Bänke zum Ausruhen und mehrere Informationstafeln zu Gneisenau und Blücher. Denkmal und Mausoleum sind sehenswert und nach ausgiebiger Erkundung geht es weiter durch den verwilderten Schlosspark, der als solcher nicht mehr erkennbar ist. Am Rand von Sommerschenburg betreten wir ein letztes Mal die Feldmark in Richtung Harbke und unterqueren noch einmal die Stromtrasse. Im darauf folgenden Waldstück liegt das schöne Gelände des Fördervereins Wanderhütte Hartmannshausen. Den dazugehörigen Ort sucht man vergeblich, weil es sich bei Hartmannshausen um das Privatgelände eines Herrn Hartmann handelt, der es jetzt aus Altersgründen an einen Förderverein übergeben hat. Auf den nahegelegenen Wiesen der Twölftemühle soll es Orchideen geben, was ich aber erst nach der Wanderung erfuhr. Für uns geht es weiter durch den Wald bis zum Hufeisenplatz, der einst bestimmt idyllischer war und an dem sich am 5. April 1854 der Dichter Hans von Veltheim erschoss. Dann geht es auf dem letzten schönen Pfad des Tages zurück zum Schlosspark, der jetzt nach Lust und Laune erkundet werden darf. Unbedingt sollte man natürlich die Ruine des Schlosses besuchen, den wohl ältesten Ginkgobaum Deutschlands an der Kirche St. Levin und die Orangerie am ehemaligen Waschhausteich. Die Orangerie ist von Mai bis Oktober bewirtschaftet. Wir waren also zu früh da, um noch ein abschließendes Käffchen trinken zu können. Ein paar Meterchen noch und wir sind zurück am Ausgangspunkt.

Am Ende eines Tages...

Wow! Das war wegetechnisch zwar ein wenig durchwachsen, aber immer viel spannender, als wir es erwartet hatten. Aufgrund der Länge der Tour konnten wir gar nicht alles mitnehmen, wie zum Beispiel die Erlebnispunkte im Bischofswald. Für kulturhistorisch Interessierte ist das auf jeden Fall ein Schmankerl. Um ehrlich zu sein, mag ich etwas marode Gemäuer, wie wir sie (teilweise) in Harbke, Marienborn und Sommerschenburg erleben durften, meistens lieber als frisch herausgeputzte und sandgestrahlte Schlösser, die vom Massentourismus überrollt werden. Wir begegneten den ganzen Tag keinem anderen Wanderer, nur ein paar freundlichen Einheimischen – und das war uns auch ganz recht so.

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