Auf ins Vergnügen...

Auf ins Vergnügen…

Das Wetter muckelig, aber die Hochrhöntour musste dieses Mal erwandert werden. Das letzte Mal waren wir hier unterwegs, als meine Beste mich 2009 während eines Reha-Aufenthaltes in Bad Bocklet besuchte. Damals waren wir hin und weg – und ich nehme es vorweg – dieses Mal auch. Die Lange Rhön ist Teil der Zentralen Rhön, die wiederum Teil der Hohen Rhön ist, die natürlich Teil der Rhön ist. Da kann einem ganz schwummerig werden, bei all den naturräumlichen Begrifflichkeiten. Gleichzeitig bewegen wir uns während der gesamten Tour durch das Naturschutzgebiet Lange Rhön, das wiederum Teil des Biosphärenreservats Rhön ist. Mal ganz kurz zusammengefasst: Die Hochrhöntour ist einfach sensationell, uneingeschränkt fantastisch und ein Muss für alle, die wandernd der Rhön einen Besuch abstatten!

Sechs Monate ist es her, dass ich diesen Beitrag begonnen habe, 9 Monate, dass wir in der Rhön wandern waren. Viel Wasser ist die Innerste hinabgeflossen, viel ist passiert in Täuschland und dem Rest der Welt. Viel Zeit haben wir dem Widerstand gegen den wahnsinnig anmutenden Zeitgeist gewidmet, dem Kampf der wieder erstarkten oder eher neuen Friedens- und Freiheitsbewegung gegen die immer wiederkehrende Gleichgültigkeit, mit der sich die Menschen dieses Landes immer wieder Unrechtssystemen unterwerfen, die sie nicht einmal als solche erkennen wollen oder können. Jetzt, der Vorfrühling des Jahres 2023 beginnt, ist es an der Zeit, sich auch mal wieder den angenehmeren Dingen zu widmen, der Passion, die für uns zwei unsere Körper, unsere Geister und unsere Seelen zusammenhält: Das Wandern. Durch die lange Zeit, durch die vielen Erlebnisse mit vielen bunten, friedlichen, freundlichen und fröhlichen Menschen auf den Straßen dieses Landes, ist vieles dem Gedächtnis entschlüpft. Darum werden diese Beiträge mal wieder etwas kürzer als erwünscht oder möglich. Aber wie sagte mein alter Religionslehrer so schön? In der Kürze liegt die Würze.

Basaltsee Steinernes Haus

Basaltsee Steinernes Haus

Am großen Parkplatz an der Schornhecke geht es los. Die Schornhecke, die wir gegen Ende der Wanderung durchqueren, zählt zu den 56 Kernzonen des bayrischen Teils der Rhön. Hier soll der „unnatürliche“ Nadelwaldbestand in einen Laubwaldbestand umgewandelt werden. Wir hatten Glück. Keine Hauptsaison und am Anfang ziemlich übles Wetter, was sich in der zweiten Hälfte glücklicherweise änderte. Nach Überqueren der Staatsstraße 2286 geht es am Schwabenhimmel und am Heidelstein gleich ans Eingemachte. Die Farbenpracht der blühenden Wiesen konnte nicht einmal durch die schnell über uns hinwegziehenden, dunklen Wolken gemindert werden. Durch die lange Zeit sind viele Bilder aus dem Kopf entschwunden, einiges blieb erhalten. Trollblumen, die wir aus unseren Breiten gar nicht kennen, gibt es hier zum Beispiel „wie Sand am Meer“. Dazu kamen im Laufe der Tour in wechselnd großen Beständen Teufelskrallen, Storchschnäbel, Veilchen, Knabenkräuter, Lupinen, Pflanzen wie Schlangenknöterich, Weiße Pestwurz, Bachnelkenwurz und viele mehr, die dem Gedächtnis entfallen sind oder nicht bekannt.

Die Lange Rhön

Die Lange Rhön

Die Lange Rhön ist ein langgestreckter, weitestgehend waldfreier Höhenzug der zentralen Rhön auf Höhen zwischen 600 und 926 Meter Höhe. Hier wird die Rhön der Bezeichnung „Land der offenen Fernen“ in besonderem Maße gerecht. Nach jahrhundertelanger Abholzung wurden die ehemals von Buchenwald bestandenen Höhen, die für eine intensive Nutzung zur Landwirtschaft nicht infrage kamen, ab 1815 teilweise wieder aufgeforstet. Die übrig gebliebenen Flächen dienten weiterhin als Mähwiesen und zur Beweidung. Darum hat sich hier eine einzigartige Artenvielfalt erhalten. Seltene Vertreter der Flora sind unter anderem Arnika, Silberdistel und die Trollblume. Die Bekassine, der Schwarzstorch und das Birkhuhn sind Vertreter der bemerkenswerten Fauna. Im direkt am Dreiländereck Hessen, Bayern und Thüringen gelegenen, 66 Hektar großen Schwarzen Moor findet sich unter anderem der seltene Sonnentau oder das Sumpf-Blutauge. Auf dem Ostgipfel des 926 Meter hohen Heidelstein befindet sich eine Gedenkstätte des Rhönclubs.

Bohlenweg an der Els

Bohlenweg an der Els

Nach ein paar Metern bergauf erreichen wir bereits den höchsten Punkt des Tages und den höchsten der Langen Rhön, den Heidelstein oder Schwabenhimmel. Prächtige Aussichten hat man fast die ganze Zeit, von hier einige der schönsten. Die 1923 eingeweihte Gedenkstätte erinnert nicht nur an die Gefallenen des Rhönclubs in den beiden Weltkriegen, sondern auch an die Überwindung der Teilung Deutschlands. Gerade in diesen Zeiten, in denen sich unsere sogenannten Volksvertreter, die sich wie Kindergartenkinder gebärden, wieder in einen Konflikt mit Russland begeben, sollte die Erinnerung daran, was Krieg, meistens angezettelt von reichen und mächtigen Eliten, für den einfachen Menschen bedeutet, wach gehalten werden. Durch die selbst oder vielleicht gerade bei „Gruselwetter“ sensationelle Landschaft geht es vom Heidelstein logischerweise erst einmal bergab zum Basaltsee. Dabei lassen sich in den Wiesen links und rechts des Weges immer wieder schöne Entdeckungen machen und der Blick wird immer wieder wie magisch in die offenen Fernen gelockt. Ein toller Rastplatz mit Blick auf eine Herde Rhönschafe lud zum Verweilen ein. Hier befinden sich auch die Gassenwiesen, ein 32 Hektar großer Wiesenkomplex, der 1985 vom NABU angekauft wurde. Seit 1986 kümmert sich eine Herde der damals vom Aussterben bedrohten Rhönschafe um die Pflege der Wiesen.

Wir durchqueren die nördlichen Ausläufer eines großen Waldgebietes, inmitten dessen der Basaltsee ebenfalls zum Verweilen einlädt. Die Basaltfelsen des Steinernen Hauses zählten einst zu den imposantesten Felsformationen der Rhön. Durch den bis 1969 betriebenen Abbau des Vulkangesteins entstand ein bis zu 15 Meter tiefer See. Bei einem Rundgang um das Gewässer kann man an dessen Nordende noch einige Überreste des Basalts finden. Am Südende des Sees steht der Kiosk am Steinernen Haus, der von April bis Oktober (10-18 Uhr) tagsüber geöffnet hat. Als wir hier vorbeikamen, war (leider oder glücklicherweise) geschlossen. Ich glaube, wegen der Erkältung, bei deren Erwähnung heute noch einige Todesängste bekommen. Es folgt ein weiterer schöner Abschnitt der Tour am Querberg und am Maihügel. Wenngleich man alles einfach als Offenlandschaft bezeichnen kann, wechselt der Charakter der Landschaft oft, sodass keine Langeweile aufkommen kann. Was immer bleibt, sind blühende Wiesen mit unzähligen Lupinen, die Naturschützern ein Dorn im Auge sind, weite Aussichten und viele kleine Kostbarkeiten am Rand der wanderbaren Pfade. Wir überqueren den kleinen Bach Els, etwas später auf Bohlen ein kleines Feuchtgebiet und gelangen durch ein bemerkenswert hübsches Waldstück auf die Wiesen am Ilmenberg. Von der Anhöhe hinter dem nächsten kleinen Waldstück bietet sich dann eine besonders schöne Aussicht über die Rother Kuppe in die weite und offene Ferne.

Da muss man sich ja nochmal hinlegen...

Da muss man sich ja nochmal hinlegen…

An der Thüringer Hütte kann man einkehren und/oder einen Abstecher zur Franziskuskapelle unternehmen. Wem die Tour zu kurz ist, der kann auch den fünf Kilometer langen Franziskusweg einbinden, der auf zehn Stationen durch einen ebenfalls unter Naturschutz stehenden, ehemaligen Basaltsteinbruch führt. Wir gehen weiter auf dem Hochrhöner, der uns zum schönen Dörnergraben führt, den wir überqueren, um danach wieder die Höhen der Langen Rhön zu „erklimmen“. Immer wieder lohnt der Blick über die Schulter, um die sich immer wieder ergebenden Ausblicke zu genießen. Auf einer tollen Aussichtsbank rasteten wir, etwas weiter oben, gleich nach dem Überqueren der Hochrhönstraße, hätten wir eine Liegebank bekommen. Hätte, hätte, Fahrradkette! Von hier sollte man die grandiose Panorama-Fernsicht bis zum gar nicht so weit entfernten Thüringer Wald noch einmal in vollen Zügen auskosten. Denn es geht auf einem langen Wiesenweg, vorbei an zwei kleinen Moorgebieten, von denen wir nichts zu sehen bekommen, zu einem Aussichtspunkt zur Wasserkuppe. Hier stehen noch einmal einige Bänke für eine letzte Rast. Wir betreten auf einem leider ziemlich breiten Weg die Kernzone der Schornhecke, die ihren besonderen Charakter dem Laienauge (noch) nicht unter Beweis stellt und erreichen nach wenigen hundert Metern wieder unseren Ausgangspunkt am Parkplatz.

Am Ende eines Tages...

In der Kürze liegt wieder mal die Würze. Kurzer Bericht über eine der spektakulären Wanderungen im Land der offenen Ferne. Wir hatten den ersten und vielleicht letzten Urlaub, in dem wir nur geile Wanderungen gemacht haben. Da will man am Ende überall hin, nur nicht nach Hause. Die Hochrhöntour zählt innerhalb dieses Urlaubs zu den „besten“ Touren. Was wir hier wieder erlebten, haben wir nirgends anders jemals so erlebt. Ein wahnsinnig schönes Fleckchen Erde im kleinen Deutschland.

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