Vor etlichen Jahren war ich in Bad Bocklet auf Reha, aber nur einmal wandern nach Bad Kissingen. Meine Beste war dann einige Jahre später in Bad Neustadt an der Saale auf Reha und an jedem freien Tag unterwegs. Von Daheim hatte ich ihr einige Touren zusammengebastelt, unter anderem eine an der Trimburg. Sie war hellauf begeistert und erzählte Geschichten von einem Pflanzenreichtum, den ich anfangs ins Reich der Mythen einsortierte. Diese Tour wollten wir auf jeden Fall zusammen wiederholen und der Rhön-Urlaub war perfekt geeignet. Wir kamen nach ein wenig Verfahrerei am Parkplatz unterhalb der Trimburg an – und der Mythos wurde wahr. Ich stieg aus und direkt an der Mülltonne auf dem Parkplatz standen die ersten Bocks-Riemenzungen. Wow! Was für ein Anfang. Es sollte im Laufe des Tages noch viel besser kommen und am Ende war es fast schon zu viel des Guten. Ich habe in einem der letzten Beiträge geschrieben, dass in diesem Urlaub alle Touren auf einem sehr hohen Level waren. Die Trimburg-Runde war bis auf einige Kleinigkeiten ein absoluter Hammer und steht den Premiumwegen der Rhön in nichts nach.

Rastplatz an der Sommerleite
Gleich mal zu den Kleinigkeiten: Wir hatten uns eine Runde ausgedacht, die von Engenthal am Nordhang des Wacholderberges nach Machtilshausen führt. Der Weg von der kleinen Marienstele (Foto) war anfangs auch noch begehbar, dann ging es über eine Wiese und dann war der Weg verschwunden. Wir mussten durch hohes Gras und ein Stück durch den Wald und durften uns etliche Zecken absammeln. Dafür hatten wir erstens schöne Ausblicke zur Trimburg und sehr viele Orchideen auf den Wiesen und im Wald. An einer Stelle standen im Gras, wie in Reihe geschaltet, eine Vogel-Nestwurz, ein Helm-Knabenkraut, ein Stattliches Knabenkraut und ein Kleines Zweiblatt, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht. Insgesamt sahen wir auf wenigen hundert Metern viele Exemplare von sechs Orchideenarten. Ein Stück weiter, kurz vor Machtilshausen, war ebenfalls ein Wiesenweg vom Landwirt weg gepflügt worden, sodass wir am Feldrand gehen mussten. Darum kann ich den von uns gegangenen Weg natürlich nicht empfehlen. Ich habe den Track so umgestaltet, dass alle Wege vorhanden sind. Das heißt, dass der Weg zwischen Engenthal und Machtilshausen eine gewisse Durststrecke darstellt, wobei er auch nicht todlangweilig sein wird. Alternativ habe ich auch noch einen Waldweg auf der Karte eingezeichnet, den wir allerdings nicht gegangen sind und über den ich deshalb keine Auskunft geben kann. Optimal ist das alles nicht, aber die Erlebnisse der aktiven und verfallenen Weinberge an der Trimburg und bei Machtilshausen machen alles wieder wett und beides sollte erwandert werden.
Los geht es also unterhalb der Trimburg und es geht gleich in die noch genutzten und verfallenen Weinberge, begleitet unter anderem von hunderten, eher tausenden Exemplaren der wunderbaren Bocks-Riemenzunge. Süddeutsche Wanderer kennen vielleicht Orte, an denen diese schöne Orchidee, die wir liebevoll „Stinker“ oder „Stinki“ nennen, öfter vorkommt, aber allzu viele sollten es nicht sein. Alleine das versüßte zumindest mir, der ich sie hauptsächlich von einem kleinen Vorkommen bei Göttingen kenne, den ganzen Tag. Jahrhundertelang wurde auf den Muschelkalkhängen Wein angebaut. Bei Hammelburg findet sich der älteste Weinberg Frankens aus der Mitte des 8. Jahrhunderts. Später wurden viele ehemalige Weinberge für Obstbäume genutzt, unter denen dann gleich Schafe und Ziegen weiden konnten, um eine Verbuschung zu verhindern. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Auf die Flächen, die heute weder für das Eine noch das Andere genutzt werden, kehrt langsam der Wald zurück. Das macht eine solch gemischte Kulturlandschaft viel spannender als eine reine Monokultur an Weinreben. Die erlebten wir ansatzweise am nächsten Tag an der Homburg. Botanisch erwartet uns auf den ersten hundert Metern einiges, obwohl es gegen Sommer geht. An Mauerpfeffer kann ich mich erinnern, an Blauen Lattich und den Aufrechten Ziest. Dann geht es erst einmal hinunter nach Engenthal, wobei wir gleich einen liegengelassenen Weinstock mitnahmen und später als Deko für zu Hause abholten.
Die Trimburg
Die Trimburg
Sechzig Höhenmeter über der Fränkischen Saale thront auf dem Pfaffenberg die Ruine der Burg Trimburg. Die heutige Ruine ist der Rest einer ehemals aus drei Teilen bestehenden Anlage. Die ältesten Teile der Burg, die Alte Burg oder Leuchtenburg (1135) und ein Vorwerk, wurden gegen Ende des 12. Jahrhunderts für den heute existierenden Teil verwendet. Das Geschlecht derer von Trimberg, erstmals 1018 erwähnt, verkaufte und verschenkte die Burg und dazugehörige Ländereien bis 1279 an das Hochstift Würzburg und erlosch 1384 im Mannesstamm. Im Bauernkrieg 1525 und auch im Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg verwüstet, aber beide Male wieder repariert. Ab 1648 wurde die Burg schlossähnlich umgebaut und verlor ihren festungsartigen Charakter. 1803 kam sie schließlich in den Besitz des Kurfürstentums Bayern, ab 1806 Königreich Bayern und wurde auf Abbruch verkauft. 1833 wurde der Abbruch durch König Ludwig I. gestoppt, die Burg baulich gesichert und eine erste Wirtschaft eingerichtet. Diese Wirtschaft bestand mit wechselnden Besitzern bis in die 1970er Jahre. Nach einigen Jahren wilder Zerstörung übernahm 1980 der Markt Elfershausen die Burg. Zusammen mit dem Verein „Freunde der Trimburg“ wird sie regelmäßig für Besucher geöffnet, wobei örtliche Vereine die Bewirtschaftung übernehmen. Verschiedene Räume wurden instandgesetzt, unter anderem der besteigbare Bergfried und Teile der Burg wurden mit einem Wetterschutzdach aus Glas versehen.
Das hübsche Engenthal ist schnell durchwandert, die Bushaltestelle kann als Schutzhütte fungieren. Nach Verlassen des Ortes ging es für uns links hinauf und dann am Waldrand entlang. Diesen Weg kann ich trotz der botanischen Erlebnisse nicht empfehlen, wie bereits oben beschrieben. Als sichere Alternative dient also der breite Weg weiter unten, der uns bis kurz vor die Bundesstraße 287 führt und dann wieder hinauf zum Wacholderberg bei Machtilshausen. Der Knaller ist das aufgrund der Breite des Weges nicht, aber man hat zumindest einige Aussichten und kann sich aufs Vorankommen konzentrieren. Wer einen besseren Weg hinüber zum Wacholderberg kennt oder findet, kann natürlich auch diesen nehmen. Egal wie, gelangen wir auf den schmalen Pfad am Hang des Wacholderberges, der zu verzaubern vermag. Hier gelangen wir in das fantastische Naturschutzgebiet „Trockenrasengebiete bei Machtilshausen“ und auf einen der zwei 2020 ausgewiesenen Wanderwege des Projektes „Kalk & Kultour“ (Flyer-Download), an dem wir auf einige interessante Informationstafeln stoßen werden. Auf einem schmalen, teils steilen Weg geht es an der Südseite des Wacholderberges zur Sommerleite, einem alten Weinanbaugebiet. Am Weg sind etliche Bänke, von denen aus man die prächtige Aussicht ins Tal der Fränkischen Saale genießen kann. Botanisch wird es hier auch garantiert nicht langweilig und man muss schon aufpassen, wohin man tritt, wenn man wieder eine bemerkenswerte Pflanze gefunden hat. Wir als absolute Laien entdeckten am Wegesrand unter anderem Graslilien, Waldhyazinthen, Mücken-Händelwurz, die obligatorische Bocks-Riemenzunge, den Blauen Lattich, den Rauen Alant und einige Pflanzen, bei denen wir noch nicht einmal dazu gekommen sind, sie halbwegs zu bestimmen.

In den alten Weinbergen
Entlang der ehemaligen Obst- beziehungsweise Weinhänge mit mehr oder weniger vorhandenen Felsterrassen wandern wir so vor uns hin. Der Blick fällt immer wieder in die herrliche Landschaft und über Machtilshausen ins Tal der Fränkischen Saale bis nach Hammelburg mit den mächtigen Erdantennen. Das ist einfach nur geil hier, Leute! Wir erreichen einen rekonstruierten Kalkbrennofen, der um 1930 als letzter seiner Art in der Gegend angelegt wurde und nach seiner Aufgabe in den 1960er Jahren zugeschüttet wurde. 1995 wurde er freigelegt und rekonstruiert und eine Infotafel gibt Auskunft über ein in Vergessenheit geratenes und nicht ungefährliches Handwerk. Ein Stück weiter finden wir einen Rastplatz an dem kleinen Steinbruch, aus dem das Kalkgestein zum Brennen entnommen wurde. Es geht hinauf in die Sommerleite, wo wir neben verfallenen Weinbergen auch auf einen noch aktiven, den Landkreisweinberg, treffen. Hier fanden wir unter anderem die Fliegen-Ragwurz und viele (leider lange verblühte) Küchenschellen. Ein fantastischer Pfad führt uns am oberen Rand der Steilhänge entlang und ein aussichtsreicher Rastplatz lädt zum Verweilen und Verarbeiten der bisherigen Eindrücke ein. Wir wandern danach noch ein ganzes Stück durch den schönen Wald des Wacholderberges und gelangen dann erst einmal in eine offenere Agrar-Landschaft. Hier kann man erstmal laufen und sich erholen vom vielen Gucken und Bücken und Staunen. Wieder durch einen Wald gehen wir hinab ins Grundbachtal, wo uns eine interessante Holzstele und eine nette Bank erwarten, bevor es dann im Wald gemächlich hinauf zum Hesselberg geht. Auf der Höhe angekommen, am Waldsportplatz des Marktes Sulzthal, wenden wir uns nach rechts in Richtung der Trimburg.
Anfangs ist der Weg durch den freundlichen Wald noch etwas breiter. An einem Gedenkkreuz im Wald besteht noch einmal die Möglichkeit zur Rast. Hier im Wald kann man dann noch den Diptam finden, den wir nun als Allerletztes noch erwartet hätten. Wir wollten dieses Jahr eigentlich in unser „Stammgebiet“ bei Langenstein fahren, schafften es aber leider wegen des Urlaubs nicht. Siehe da, da ist er. Unverhofft kommt oft. Völlig hin und weg von den bisherigen Erlebnissen kamen wir dann auf einen weiteren schmalen Pfad am oberen Ende des Hanges am Pfaffenberg. Tolle Aussichten, jede Menge Pflanzen und Infotafeln versüßen hier den Weg zur Trimburg. Trockenrasen, aufgegebene Obst- und Weinberge, zahlreiche botanische Besonderheiten und alte Trockenmauern gehören zu den Erlebnissen, die diesen Weg noch einmal zu etwas Besonderem machen. Zum krönenden Abschluss eines ohnehin schon außergewöhnlichen Wandererlebnisses erschien dann die Trimburg vor den mittlerweile etwas müden Knochen – und war geschlossen. Also gab es an diesem Tag nur einen Außenrundgang um die schöne Burganlage. Auch das ist schon ein Knaller. Beschwingten Herzens ging es dann die letzten Meter hinab zu unserem Ausgangspunkt am nahegelegenen Parkplatz.

Innenhof der Kernburg
Am nächsten Tag, auf der Rückkehr von der weiter südlich gelegenen Homburg, statteten wir der Trimburg dann doch noch einen kurzen Besuch ab, allerdings kurz vor „Ladenschluss“. Alles war schon in Aufbruchstimmung. Wir kamen kurz mit der temporären „Burgherrin“ ins Gespräch, die uns netterweise gestattete, ein paar Minuten in der Burg herumzustöbern. Witzigerweise hatte sie vor langer Zeit in Hildesheim studiert und musste vor ein paar Jahren zwei Besucher aus Hildesheim retten, die sich während Bauarbeiten in die Burg geschlichen hatten und von den Bauarbeitern bei ihrem Feierabend eingeschlossen worden waren. Diesem Schicksal konnten wir glücklicherweise entgehen. So gibt es wenigstens noch ein paar Fotos von einem sehr kurzen Besuch auf der Trimburg, deren Herrscher heute die allgegenwärtigen Dohlen sind.
Am Ende eines Tages...
Klar kann ein Weg nicht über die ganze Strecke nur Herausragendes bieten. Das wäre in diesem Fall auch einfach zu viel des Guten. Wenn alle Wege immer auf der gesamten Strecke eine solche Pracht bieten würden, wie wir sie hier an der Trimburg und auf dem Wacholderberg erlebt haben, würde man wohl den Blick für die kleinen Schönheiten und Erlebnisse am Rande verlieren. Im Urlaub darf man so etwas aber durchaus auch einfach mal genießen. In dieser Gegend gibt es bestimmt noch etliche, ähnliche Flecken Erde, die wir niemals zu Gesicht bekommen werden, weil uns die Zeit und die Ortskenntnis fehlen. Aber es ist eine der Grundvoraussetzungen für ein zufriedenes Leben in relativer Harmonie mit dem Universum, dass man mit dem zufrieden ist, was man hatte, hat und haben kann.
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